„Hammerskins“ versuchen Ihre Zugehörigkeit zur Organisation in der Öffentlichkei
David Janzen/dokurechts

Organisiert oder desorientiert?

Zur Bedeutung von Netzwerken und Organisationen im Nazi-Rock

Während der Verfassungsschutz das von ihm als „subkulturellen Neonazismus“ bezeichnete Spektrum seit Jahren als unorganisiert und desorientiert charakterisiert, schaffen es diese Neonazis, konspirativ organisierte Rechtsrock-Konzerte durchzuführen, zu denen bis zu 5.000 Menschen geschleust werden. Das wirft die Frage auf: Welche Personen, Organisationen und Netzwerke können dies leisten?

Während der Verfassungsschutz das von ihm als „subkulturellen Neonazismus“ bezeichnete Spektrum seit Jahren als unorganisiert und desorientiert charakterisiert, schaffen es diese Neonazis, konspirativ organisierte Rechtsrock-Konzerte durchzuführen, zu denen bis zu 5.000 Menschen geschleust werden. Das wirft die Frage auf: Welche Personen, Organisationen und Netzwerke können dies leisten?

5.000 bis 6.000 Neonazis kamen am Oktober 2016 in Unterwasser in der Schweiz zum „Rocktoberfest“ zusammen, um zur Musik der deutschen Bands Stahlgewitter, Exzess und Confident of Victory, dem Rapper Makss Damage und der Schweizer Band Amok zu feiern. Die Organisation dieses ursprünglich für „Süddeutschland“ angekündigten Konzertes war eine herausragende Leistung — sowohl, was die verdeckte Organisation und das Schleusen zum geheimen Veranstaltungsort als auch, was die Durchführung nebst Getränkeausschank und Security betrifft. Mit dem Konzert soll ein Umsatz von rund 200.000 Euro erzielt worden sein. Schätzungen zufolge waren 300 Personen in die Organisation involviert, der Kern stammte aus Deutschland, der Rest aus der Schweiz und anderen Ländern des internationalen RechtsRock-Netzwerks. Sehr präsent waren dabei Personenzusammenhänge, die unter dem Label von Blood & Honour (B&H) auftreten.

„Blood & Honour“ — auch in Deutschland

Im Dezember 2016 veröffentlichten die ungarischen Blood & Honour-Strukturen eine Liste mit anstehenden Konzerten von „28 Europe“, also von Blood & Honour in Europa. Auf der Liste befinden sich auch mehrere Konzerte in Deutschland. Noch 16 Jahre nach dem Verbot der Blood & Honour Division Deutschland hat das Label wenig von seiner Strahlkraft eingebüßt. Bereits unmittelbar nach dem Verbot waren B&H-Aktivist_innen bemüht, ihren „alten Kreis“ unter dem Label „28“ beziehungsweise „28er“ zusammen und die internationalen Kontakte aufrecht zu erhalten. Doch Gruppen und Netzwerke wie die Division 28 oder die Brotherhood 28 überlebten sich und fielen auseinander. Neuere Strukturen, die sich als „28er“ verstanden, wie zum Beispiel die 2016 verbotene Weisse Wölfe Terrorcrew, bedienten sich des Labels B&H hauptsächlich deshalb, um sich in der Szene wichtig zu machen. Und doch blieb ein Kern von alten B&H-Aktiven übrig, der vom internationalen B&H-Netzwerk als der legitime deutsche Vertreter akzeptiert wird. Mit ihm sind und waren Bands und Labels verbunden, die in der RechtsRock-Szene als „Kult“ oder Autoritäten gelten. Obwohl sie nie offizielles Mitglied der B&H Division Deutschland waren, gehört auch der Personenkreis um die Dortmunder Band Oidoxie (vgl. Lotta  #62) dazu. Die internationale Zusammenarbeit funktioniert: 20 der 61 Auftritte deutscher Neonazi-Bands und -Liedermacher in 2016 im Ausland wurden von B&H organisiert.

Die „Hammerskins“

Bei den 1986 in Texas gegründeten „Hammerskins“ (HS) handelt sich um eine strikt hierachische Organisation. Bei ihnen müssen Mitgliedsbeiträge gezahlt werden, die Teilnahme an regelmäßigen Treffen — die „National Officer Meetings“ auf nationaler und die „European Officer Meetings“ auf europäischer Ebene — sind verpflichtend. Auf nationaler Ebene sind die HS in „Chaptern“ organisiert. Die deutsche Hammerskin Nation, die über etwa 150 „Member“ verfügt und anders als B&H bisher einem Verbot entging, untergliedert sich in Chapter wie Bremen, Bayern, Sachsen, Westfalen und ehemals auch „Westmark“. Das Chapter „Westmark“, das die Regionen Rheinland-Pfalz, Saarland und Südhessen umfasste, wurde 2013 aufgelöst, vermutlich weil ein Verbot befürchtet wurde. Kurz darauf entstanden jedoch die Chapter „Westwall“ und „Kurpfalz“, es handelte sich also eher um eine Umstrukturierung.

Lange Zeit waren nordrhein-westfälische HS dem Chapter Bremen zugeordnet. Doch in den vergangenen Jahren bekamen die HS in NRW erheblichen Zulauf. Bekannt ist die Existenz eines HS-Chapters Westfalen. Derzeit gibt es in NRW zwei Schwerpunkte. Zum einen der Raum Mönchengladbach um die Band Division Germania, von der mindestens drei Bandmitglieder HS-Members sind. Zum zweiten die „Hammerskins“ aus Bochum, wo es schon seit Jahren eine stabile HS-Gruppe gibt. Die HS versuchen ihre Existenz gegenüber der Öffentlichkeit geheim zu halten. Selbst innerhalb der Neonazi-Szene gibt es kein Posen mit der Mitgliedschaft. Das mag an der Angst vor einem Verbotsverfahren liegen, verleiht den HS aber auch einen Mythos von Geheimbund und verschworener Elite.

Die internationale Ebene der HS wurde beispielsweise am letzten Januar-Wochenende 2013 deutlich. Im südhessischen Fürth im Odenwald kamen 120 Hammerskins zu einem EOM — einem „European Officer Meeting“ — zusammen. Hinter dem Treffen mit TeilnehmerInnen aus Deutschland, Frankreich, Schweden, Italien, Spanien und der Schweiz stand damals das Chapter „Westmark“ um den Ludwigshafener Malte Redeker. Auf das Treffen wurde von AntifaschistInnen hingewiesen, kurz darauf wurde es von der Polizei aufgelöst.

HS-Konzerte und -Bands

Seit Jahren finden auch in Deutschland „Joe Rowan Memorial“-Konzerte statt. Joe Rowan war ein US-amerikanischer Hammerskin und Sänger der bekannten Band Nordic Thunder. 1994 wurde er nach einem Konzert bei einer Schießerei getötet. Seitdem organisieren die HS weltweit rund um seinen Todestag Gedächtniskonzerte, beispielsweise 2016 im thüringischen Kirchheim mit Sniper (Schweden), Killuminati, Kraftschlag und Barbarossa. Über die E-Mail- Adresse der Konzertveranstalter wurden mindestens sechs weitere Konzerte organisiert, darunter auch das „Unbending Will“-Konzert im April 2015 mit der US-amerikanischen Band H8Machine. Dieses Konzert war für Süddeutschland angekündigt worden, fand dann jedoch in Frankreich statt. Derartige Konzerte bieten auch die Möglichkeit, über die Mitgliedsbeiträge hinaus die HS-Kassen aufzufüllen.
Bei besagtem „Joe Rowan Memorial“-Konzert mussten die Tickets per Überweisung an den „Hammerskin“ Andreas Steinbauer aus dem unterfränkischen Urspringen bezahlt werden.

Bei der Zuordnung von Bands zur Organisation ist Vorsicht geboten. Allerdings können über Auftritte und Liedtexte vorsichtige Rückschlüsse gezogen werden. Auf die Frage, ob es sich bei seinem Projekt um eine „Hammerskin“-Band handeln würde, antwortete Geri von der ungarischen Band Verszerzödes wie folgt: „Ich bin der einzige Hammerskin in der Band, aber wir spielen Lieder über die HSN und spielen oft auf von der HSN organisierten Konzerten. Wenn uns dies zur HS-Band macht, dann sind wir eine. Aber das heißt nicht, dass wir nur für Hammerskins spielen, wir spielen ja auch des Öfteren für andere befreundete Organisationen.“

Wenn die Bremer Band Hetzjagd „Hammerskins, die Elite aus der Masse, Skinheads aus der Arbeiterklasse, den Hämmern immer treu verbunden“ singt, so bekennt sie sich selbst zu den HS. Dies ist jedoch selten. Aktive Bands, die besonders häufig bei HS-Konzerten auftreten oder auf deren Tonträgern vertreten sind, sind Wolfsfront, Divison Germania, Frontalkraft, Confident of Victory, Deutsch, Stolz und Treue. Bei den Bands Smart Violence (vgl. S. 16) und Flak (vgl. Lotta #65) lässt sich zumindest eine hohe Affinität zu den HS feststellen.

Da die Strukturen der „Hammerskins“ gut abgeschottet sind, lässt sich ihre Bedeutung nur anhand von Momentaufnahmen erahnen. Beispielsweise wenn deutlich wird, dass auch hinter Konzerten, die nicht als HS-Konzerte erkennbar sind, „Hammerskins“ stehen. Aber auch dann ist nicht unbedingt klar, ob es sich um ein HS-Konzert handelt oder um eins, das von einem einzelnen HS-Member organisiert wurde.

Vor einem ähnlichen Problem steht, wer versucht, Rechtsrock-Labels einzuordnen. Sehr auffällig ist, dass an diversen großen, deutschen Labels „Hammerskins“ beteiligt sind. So etwa bei OPOS Records um Sebastian Raack, bei Rebel Records um Martin Seidel, Front Records um Henry Behr, der inzwischen auch für die von Redeker gegründete Gjallarhorn Klangschmiede verantwortlich zeichnet, Wewelsburg Records um Nils Budig und 4uvinyl records um Markus Thielke. Unklar ist, ob Teile des Gewinns in die Kassen der HS fließen oder vollständig bei den Betreibern verbleiben.
Die Bedeutung der „Hammerskins“ einzuschätzen, ist sehr schwierig. Vieles deutet auf eine wichtige Hintergrundrolle im engmaschig verknüpften Netzwerk der Nazi-Musik hin. Die HS sind Teil des militanten Neonazi-Untergrunds. Immer wieder finden sich auch Verbindungen zu Waffen und Sprengstoff.

HS & B&H

Mit den Worten „HS & B&H proudly presents: Europe Awake“ wurde für den 19. November 2016 ein Konzert mit den Bands Squadron (Großbritannien), Tors Frede (Schweden), Frontfeuer und Blitzkrieg (beide Deutschland) sowie den aus Italien kommenden Bands Malnatt, Nativi, Katastrof und Nessun Pentimento angekündigt. Hunderte kamen an diesem Abend zum Konzert nach Mailand. Schon seit einigen Jahren existiert auf internationaler Ebene eine Kooperation der ehemals konkurrierenden Organisationen.

Schon 2008 wurde in Ungarn ein Konzert unter dem Motto „sons of europe side by side“ von B&H und HS zusammen organisiert, damals stieg B&H jedoch aus der Vorbereitung aus. Am 11. Februar 2016 schafften es die beiden Organisationen dann doch und organisierten gemeinsam ein Konzert anlässlich des „Tags der Ehre“, zu dem Nazis aus ganz Europa zusammen kamen. In Finnland fanden im September 2016 zwei Konzerte statt, die ebenfalls von B&H und HS zusammen organisiert wurden. Auf diesen trat auch die Band Division Germania um Andreas Koroschetz aus Mönchengladbach auf. Koroschetz ist seit Jahren bekennendes Mitglied der „Hammerskins“ und trat bei den Konzerten in einem T-Shirt der Hammerskins Westfalen auf. Dass eine Reihe von Konzerten gemeinsam veranstaltet wurde, dürfte kein Zufall sein, sondern auf eine Annäherung der Organisationen auf internationaler Ebene zurückzuführen sein. Ein Blick auf die deutschen Strukturen bestätigt dies. Aktivisten, die die sich zuvor im Bereich der Nachfolgestrukturen von Blood & Honour bewegten, sind inzwischen bei den „Hammerskins“ oder in deren Umfeld aktiv.

Auf dem Flyer für das erwähnte Mega-Konzert 2016 in der Schweiz fand sich beispielsweise Werbung für das noch recht neue Label Das Zeughaus um Jens Hessler, der Ende der 1990er Jahre in Lingen (Emsland, Niedersachsen) den Nibelungen-Versand betrieb, das erste deutsche Blood & Honour-Label. Hessler ist kein Einzelfall, viele der Betreiber der wichtigen Labels des deutschen RechtsRock waren einst Mitglieder bei Blood & Honour. Doch wie ist diese Beobachtung zu bewerten? Sind die Aktivitäten von Hessler Ausdruck der Weiterführung von Blood & Honour oder hat er dort nur gelernt, wie ein solches Label zu führen ist, wie juristische Grenzen ausgelotet und Kontakte geknüpft werden, was ihm eine spätere Umsetzung ermöglichte?

Wer über Jahre Teil der Szene ist, kennt viele andere AktivistInnen, weiß, wer auf was ansprechbar und verlässlich ist, wie konspirative Konzerte organisiert werden und wie ein Umgang mit Behörden funktioniert. Hier braucht es keine Zentrale, hier greift ein enges Kapillarsystem von Verbindungen. Die Knotenpunkte derartiger Netzwerke sind es oftmals, die Konzerte organisieren oder auch Labels und Versände betreiben. Bei diesen Akteuren ist es nicht mehr wichtig, ob ihr Label ein offizielles Hammerskin- oder B&H-Label ist oder nicht. Wichtiger ist, dass sie im Sinne der Organisation handeln, gleichgesinnten Kameraden einen Job geben, der Organisation die Gelegenheit geben, CDs zu produzieren oder auch Teile ihres Gewinns abgeben.