Hoffnungsvoll zerstritten
Die extreme Rechte im Saarland - ein aktueller Überblick
Auch am kleinsten Flächenbundesland ging der Kelch nicht vorüber, der sich Ende 2014 mit den erfolgreichen Mobilisierungen von HoGeSa in Köln und PEGIDA in Dresden durch die ganze Republik in Bewegung setzte. Im Saarland brachte er Teile der extremen Rechten zuerst in Bewegung und dann völlig durcheinander. Während die NPD sich weiterhin auf dem absteigenden Ast befindet, konnte die AfD einen Teil der extrem rechten Wähler_innenschaft für sich gewinnen und ist seit März 2017 im saarländischen Landtag vertreten. Antifaschistische Interventionen richteten sich in den letzten zweieinhalb Jahren fast ausschließlich gegen Auftritte der eben genannten Organisationen und ihrer Spaltungsprodukte, während Burschenschaften und die klandestin arbeitenden „Hammerskins“ den Aufbau ihrer Strukturen voran treiben konnten.
Das Scheitern von Saargida und SaGeSa
Saargida und SaGeSa nannten sich wenig kreativ die Ableger von PEGIDA und HoGeSa im Saarland. Erstere organisierten Anfang 2015 in Saarbrücken eine stationäre Kundgebung mit 350 Personen und eine schon deutlich schwächer besuchte Demonstration nur wenig später. Zu einer dritten Aktion kam es nicht mehr. Organisator Danny Walter gab, nach eigenen Angaben, aus Angst vor weiteren gegen ihn gerichteten Interventionen „der Antifa“ und der nicht mehr zu leugnenden Unterwanderung durch die NPD, entnervt auf.
Die von dem NPD-Aktivisten Sascha Wagner gegründeten und bei einem Neujahrsempfang der saarländischen NPD als Projekt der Partei vorgestellten „Saarländer gegen Salafisten“ verfügten über eine weitaus höhere Frustrationstoleranz. Sie führten 2015 nahezu wöchentlich Kundgebungen, Demonstrationen oder Transparentaktionen in mehreren saarländischen Städten und Gemeinden durch. Meist gelang nur die Mobilisierung einer Handvoll Teilnehmer_innen. Hetze gegen Geflüchtete und die sogenannte Multi-Kulti-Gesellschaft gehörten dort ebenso zum Repertoire wie die offene Forderung nach einem „Nationalen Sozialismus“. Nach einer antifaschistischen Aktivierungsveranstaltung im Dezember 2015 in Saarbrücken mit über 120 Teilnehmenden koordinierte und radikalisierte sich der Protest gegen diese Auftritte zusehends. Zudem kam es zu über soziale Netzwerke ausgetragenen Konflikten und schließlich zum Zerwürfnis innerhalb von SaGeSa-Anhänger_innen des saarländischen NPD-Landesverbandes um Sascha Wagner und Peter Marx auf der einen Seite und Naziwirtin Jacqueline Süßdorf mit ihrem NPD-Ortsverband Burbach auf der anderen Seite. Süßdorf versuchte dann mit dem Bündnis Saar, ihre eigene Bewegung zu gründen. Während SaGeSa und Bündnis Saar immer weniger Teilnehmer_innen mobilisieren konnten, gelang es Antifaschist_innen im September 2016 eine ihrer Demos zeitweise zu blockieren. Die Nazis gerieten bei ihrer Abreise so sehr unter Druck, dass sie sich in den Hauptbahnhof flüchten mussten. Auch die Erfahrung, sich wiederholt nach Kundgebungen von der Polizei durch Notausgänge und verwinkelte Hinterhöfe in Sicherheit bringen lassen zu müssen, dürfte ihrer Motivation nicht besonders zuträglich gewesen sein. Während Süßdorf noch in unregelmäßigen Abständen öffentliche Auftritte organisiert, hat Wagner seinen Kampf im Saarland angeblich resigniert aufgegeben, seine NPD-Mitgliedschaft gekündigt und zieht gar einen Wegzug in Betracht. Dem voraus gegangen war die Denunziation Wagners durch Süßdorf & Co als angeblicher Informant der Antifa. Sollte sich Wagners Rückzug als endgültig herausstellen, dürfte auch SaGeSa Geschichte sein.
Die NPD — Same procedure as every Wahljahr
Kurz vor der Landtagswahl im März 2017 hatte ein Schulterschluss zwischen dem NPD-Landesverband und dem zeitweise von Süßdorf geführten Ortsverband Burbach stattgefunden. Vorsitzender Peter Marx schaffte es sogar, altgediente Kameraden wie Harry Kirsch und Otfried Best in den Landesverband zu reintegrieren. Beide hatten sich aus Enttäuschung über die NPD der Freien Bürger Union (FBU) zugewandt. Der Burgfrieden innerhalb der Saar-NPD hält bis heute an. Dabei muss die Landtagswahl im März 2017 für sie enttäuschend und ernüchternd gewesen sein. Mit nur 0,7 Prozent erzielte sie eines ihrer schlechtesten Ergebnisse bislang im Saarland und verpasste den notwendigen Stimmenanteil für die staatliche Parteienfinanzierung. Während es Peter Marx schon in den vergangenen Jahrzehnten regelmäßig gelang, in Wahlkampfzeiten eine zutiefst zerstrittene Saar-NPD zu einen, bleibt abzuwarten, ob und wie der mit gleicher Regelmäßigkeit stattfindende Bruch innerhalb der Partei nach der Bundestagswahl vonstatten gehen wird.
Familienunternehmen AfD
Auf der Straße kaum präsent, erreichte die AfD 6,2 Prozent der Stimmen bei der Landtagswahl im März und ist seitdem im Landtag mit drei Abgeordneten vertreten. Der skandalumwitterte Landesverband entging kurz zuvor nur um Haaresbreite der Auflösung durch die Bundes-AfD, nachdem Kontakte zu der extrem rechten Freien Bürger Union (FBU) bekannt geworden waren. Als Abgeordnete sitzen nun ausgerechnet die Protagonisten der Skandale im Landtag. Da wäre Rudolf Müller, der mit seinem Verkauf von Nazi-Devotionalien und KZ-Geld bundesweit für Furore gesorgt hatte und auch nicht die Nähe zu rechten Burschenschaften wie der Saarbrücker Burschenschaft Germania scheut. In deren Gesellschaft ließ er sich jüngst mit seinem Schwager Gerhard Schindler, dem zum 1. Juli 2016 abgesetzten Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (BND), ablichten. Ein weiteres Mandat erhielt Lutz Hecker, dem der stern unter anderem Kontakte zu Ulrike Reinhard, Funktionärin der extrem rechten „Pfälzer Spaziergänger“, nachweisen konnte. Der Patriarch und Landesvorsitzende der Saar-AfD, Josef Dörr, hatte mit dem Listenplatz 1 den sichersten der drei Plätze für sich beansprucht. Dörr, der sein parteipolitisches Intriganten-Handwerk zu seiner Zeit bei den saarländischen Grünen erlernte, hat zahlreiche Familienmitglieder sowie Freunde an den wichtigsten Stellen innerhalb der Partei installiert und sich somit gegen Angriffe abgesichert.
Nicht unterschätzt werden darf der sich durch rassistisch geprägte Debatten um die sogenannte Flüchtlingskrise zur Tat ermutigte Mob. Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Die Linke geht hervor, dass im Jahr 2016 offiziell 25 Straftaten gegen Geflüchtete beziehungsweise deren Unterkünfte im Saarland gezählt wurden. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen. Und auch im Jahr 2017 kam es bereits, wie zuletzt im saarländischen Ottweiler, zu mehreren Brandanschlägen auf Wohnhäuser, bei denen ein extrem rechter Hintergrund nicht auszuschließen ist.
Kleinstparteien…
Auch weitere bereits in anderen Bundesländern agierende Nazigruppen sind in den vergangenen drei Jahren auf der Bildfläche erschienen. So sah es in den Jahren 2014 und 2015 so aus, als könnte Die Rechte als Sammelbecken enttäuschter NPDler fungieren. Mittlerweile gilt eine Auflösung aber als wahrscheinlich. Eine schwere Erkrankung des bisherigen Landesvorsitzenden Dirk Schmidt (vormals Sturmdivision Saar, später NPD) und ein massiver interner Streit führten zur Einstellung aller Aktivitäten.
Die „Identitären“sind bislang lediglich durch das Verkleben von Stickern aufgefallen. Der III. Weg führte neben kleineren Verteilaktionen am 20. Mai 2017 erstmals einen Infotisch in der Saarbrücker Innenstadt durch, dürfte zur Zeit aber kaum über örtliche Aktivist_innen verfügen.
…und Burschenschaften
Die extrem rechten Burschenschaften Saarbrücker Burschenschaft Germania und Ghibellinia zu Prag sind nach mehreren Veröffentlichungen über sie darauf bedacht, nicht allzu sehr aufzufallen. Allerdings herrscht in den Verbindungshäusern weiterhin reges Treiben, und es gelingt ihnen immer noch, Neumitglieder zu werben. Skandalös bleibt die nach wie vor tiefe Verankerung dieser Burschenschaften in der saarländischen Politiklandschaft und die ausbleibende Problematisierung dieses Sachverhalts. Insbesondere auf die Nachwuchsarbeit wird derzeit viel Wert gelegt, dazu werden andere Jugendorganisationen unterwandert. So begleitet beispielsweise Roman Zhdanov, Mitglied der Schülerverbindung Fiducia Germania nach eigenen Angaben nicht nur das Amt des Sprechers der Schüler-Union, sondern tritt auch als Pressesprecher der Landesschülervertretung in Erscheinung, in deren Vorstand mit Andre Kartes kürzlich ein weiterer „Bundesbruder“ gewählt wurde.
Die Unsichtbaren
Im Gegensatz zu bekannten saarländischen Nazis, wie beispielsweise Jacqueline Süßdorf oder Sascha Wagner, die bei jeder vermeintlich passenden Gelegenheit in die Öffentlichkeit drängen, um ihre nationalsozialistischen Vorstellungen in die Welt zu posaunen, versucht ein nicht minder bedeutender Teil der saarländischen Naziszene möglichst geräuschlos vorzugehen. Statt der Inszenierung öffentlicher Auftritte ist das Ziel dieser Gruppierungen der kontinuierliche Ausbau von Infrastruktur und die Steigerung des eigenen Einflusses innerhalb des regionalen Neonazismus.
Maßgebliche Akteure sind vor allem die die Öffentlichkeit meidende Kameradschaft 13. Januar — benannt nach dem 13. Januar 1935, als mehr als 90 Prozent der saarländischen Bevölkerung für die Eingliederung in das Deutsche Reich stimmten — und die sich als elitär verstehende „Bruderschaft“ der „Hammerskins“. Seit fast 15 Jahren sind saarländische Nazis in die Aktivitäten der international agierenden „Hammerskins“ eingebunden. Die saarländisch-rheinlandpfälzische Dependance der „gekreuzten Hämmer“ firmiert seit 2013 unter der Bezeichnung „Westwall“, nachdem das bisherige Chapter „Westmark“ aufgelöst wurde, um einem drohenden Verbot zuvorzukommen. In die Schlagzeilen geriet das Chapter „Westwall“ bisher vor allem durch die Enttarnung ihres Ende September 2015 verstorbenen Aktivisten Roland Sokol als V-Mann des baden-württembergischen Verfassungsschutzes. Die beständige Berichterstattung über ihre Strukturen und Mitglieder durch antifaschistische Gruppen führte ebenso wie interne Streitigkeiten zu personellen Veränderungen. Teilweise langjährige Mitglieder haben das Chapter verlassen (müssen), die entstehenden Lücken wurden durch Personen aus dem Unterstützernetzwerk wieder aufgefüllt.
Zuhause im Hass
Enge Verbindungen und personelle Überschneidungen bestehen mit der am 13. Januar 2008 in einem Gasthaus in Altforweiler bei Saarlouis gegründeten Kameradschaft 13. Januar, die sich aus ehemaligen Aktivisten aufgelöster saarländischer Kameradschaften (Kameradschaft Saarlautern, Nationaler Widerstand Köllertal, Saarsturm etc.) sowie aus Nazis ohne bisherige Organisationserfahrung zusammensetzt. Neben der Durchführung von regelmäßigen Kameradschaftstreffen und gelegentlichen Veranstaltungen bemühten sich einzelne Mitglieder früh um die Anschaffung eines „Clubhauses“ als Treffpunkt. Im Frühjahr 2013 wurde schließlich ein Gebäude im Saarbrücker Stadtteil Rußhütte angemietet, das als Clubhaus und Proberaum diente. Nach antifaschistischer Intervention verloren sie diesen Rückzugsraum nach wenigen Monaten durch Kündigung. Ein Ersatz konnte jedoch schnell im Sulzbacher Stadtteil Altenwald mit der ehemaligen „UT-Schenke“gefunden werden. Zur Profilierung dieses Treffpunkts wurde das Clubhaus unter dem unzweideutigen Namen „Hatebar“ betrieben. Allerdings gingen ihnen die Räumlichkeiten kurz vor einem geplanten Kauf des Hauses verloren. Im dritten Anlauf konnte der Plan vom Erwerb einer eigenen Immobilie in die Tat umgesetzt werden. Seit Mitte 2015 fungiert das Clubhaus nun in einer ehemaligen Pizzeria in der Siemensstraße 5 in einem abgelegenen Industriegebiet von Dillingen (Saar) als Szenetreff und Stützpunkt der „Hammerskins“. Dort finden regelmäßige Veranstaltungen statt, die von Teilnehmer_innen aus dem gesamten Bundesgebiet und Frankreich besucht werden. Dass die „Hammers“ in Dillingen längerfristig planen, zeigen die Investitionen, die sie für ihren Stützpunkt tätigen. So wurde im Laufe des letzten Jahres mit dem Ausbau begonnen; ein zwei Meter hoher mit einem Sichtschutz abgehängter Stahlzaun soll die Lokalität vor neugierigen Blicken schützen.
Über die Einbindung des erweiterten Umfelds in die Unterhaltung und den Betrieb der „Hatebar“ werden Einzelne auch in das Unterstützungsnetzwerk der „Hammerskins“ eingebunden. Das von den „Hammerskins“ betriebene identitäre Gebaren im Bezug auf ihre Kameradschaft findet auch hier Anwendung. So werden regelmäßig neue T-Shirts mit der Aufschrift „Hatebar“ produziert, die von Robert Kiefer auch über das Internet angeboten werden. Vorbehalten sind jedoch die „H8BC 38“ T-Shirts (HateBar-Crew; 38 = Crossed Hammers) denjenigen, die sich aktiv um den Clubraum bemühen und so ihren Status nach außen und innen als Unterstützer der „Hammerskins“ unter Beweis stellen können.
Das Label „Hatebar“ wird kontinuierlich als Marke für verschiedene Projekte aufgebaut. Unter der Selbstbezeichnung „Hammer Rob“ beteiligte sich Kiefer unter dem extra geschaffenen Label H8B Productions an einem CD-Sampler mit zahlreichen internationalen Bands aus dem „Hammerskin“-Netzwerk Crew38. Mit dabei ist auch die saarländische Band Wolfsfront, die wegen ihres Schlagzeugers Kiefer und weiteren dem Netzwerk zugehörigen Mitgliedern als „Hammerskin“-Band gilt. Durch diesen Status war es der Band schon früh möglich, auf Szene-Konzerten wie beispielsweise dem „Hammerfest“ aufzutreten. Still geworden ist es aktuell um die bisherige „Hammerskin“-nahe Vorzeigeband Jungsturm aus dem Saarland. Als Nachfolgegruppe von Jungsturm bezeichnet sich mittlerweile die Gruppe Blutbanner um die ehemaligen Jungsturm-Mitglieder Nico „Wiesel“ Roth (Ludwigshafen) und Danny Hoffmann (Saarbrücken), die es sowohl durch Veröffentlichungen als auch mit Auftritten schon zu einem gewissen Bekanntheitsgrad innerhalb der Szene gebracht hat.
Durch den kontinuierlichen Ausbau ihrer Infrastruktur sind die „Hammerskins“ im Saarland und der deutsch-französischen Grenzregion zu einem wichtigen Player innerhalb des internationalen Neonazismus aufgestiegen. Mit ihrem Grundstück in Eschviller hinter der deutsch-französischen Grenze und der „Hatebar“ in Dillingen (Saar) verfügen sie über die Möglichkeit, Konzerte und Partys unter Ausschluss der Öffentlichkeit unabhängig durchzuführen. So bleibt das Saarland weiterhin ein wichtiger Anziehungspunkt für Nazis aus Deutschland und ganz Europa.