Drahtzieher im „neurechten“ Netz
Andreas Lichert im Netzwerk von AfD, „IB“ und „Neuer Rechten“
Andreas Lichert hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der exponiertesten Akteure der „Neuen Rechte“ gemausert. Der 42-Jährige aus Bad Nauheim im hessischen Wetteraukreis ist gut vernetzt und nimmt unter anderem bei der hessischen AfD und der „neurechten“ Denkfabrik „Institut für Staatspolitik“ (IfS) wichtige Funktionen ein. Doch auch zur „jungen“ Generation hat Lichert enge Kontakte.
Die politische Karriere des Diplom-Ingenieurs Andreas Lichert begann 1998 in der FDP. 2002 verließ er die Partei und orientierte sich zunehmend nach rechts. Seit 2005 ist Lichert in der Führung des Instituts für Staatspolitik (IfS) und des Vereins für Staatspolitik, dem Trägerverein der Zeitschrift Sezession, tätig. Bei Sezession betätigt er sich auch als Autor. Das IfS wurde im Jahr 2000 in Bad Vilbel gegründet, nur wenige Kilometer entfernt von Licherts Wohnort. Es versteht sich als „Forschungs- und Bildungseinrichtung von und für Rechtsintellektuelle“ sowie als „Vernetzungsstruktur“, die „Bildungsarbeit mit jungen Menschen betreibt“. Unter den Gründern waren Karlheinz Weißmann und Götz Kubitschek, die der kleinen, aber einflussreichen völkischen Korporation Deutsche Gildenschaft entstammen. 2003 zog das IfS mit Kubitschek nach Schnellroda in Sachsen-Anhalt. Lichert blieb in Hessen, ist aber bis heute Vorsitzender des Trägervereins.
„Maximum an Resonanzraum für unsere Ideen“
Parteipolitisch fand Lichert 2013 in der hessischen AfD ein neues Zuhause. Seit 2015 ist er sowohl Beisitzer im Landes- als auch im Kreisvorstand in der Wetterau, zudem ist er ehrenamtlicher Kreisbeigeordneter im Wetteraukreis, wo die AfD 10 von 81 Sitzen hat. Nach der Wahl Licherts in den Vorstand der Wetterauer AfD legten mehrere Vorstandsmitglieder ihre Ämter nieder. Sie konnten sich keine Zusammenarbeit mit ihm vorstellen. Obwohl sie bei dessen Eintritt in die Partei keine Bedenken geäußert hatten, erklärten sie nun, eine weitere Ausrichtung der AfD nach rechts wahrzunehmen.
Bevor Lichert in der hessischen AfD offizielle Posten bekleidete, bewarb er sich Anfang 2015 bei der AfD-Franktion im thüringischen Landtag auf eine Referentenstelle. Seine Anstellung verhinderten drei Abgeordnete, weil ihnen Lichert zu weit rechts stand. Björn Höcke hingegen hätte ihn gern eingestellt und ihm die Leitung des Arbeitskreises „Asyl und Einwanderung“ anvertraut.
Auch bei der AfD-Jugendorganisation ist er gern gesehen. Beim Landeskongress der hessischen Jungen Alternative (JA) auf dem Haus der DB-Burschenschaft Germania in Marburg im Juni 2017 war auch Lichert vor Ort. (vgl. Lotta #67, S. 26). Zwei Wochen später referierte er bei der JA unter dem Titel „Herrschaft durch Wohlstandsillusion“. In einem Internetbeitrag heißt es, Lichert habe „ausführlich dargelegt, mit welch billigen Taschenspielertricks die herrschende Politkaste versucht, ihre Agenda auch gegen den Willen des Volkes durchzusetzen“.
Andreas Lichert ist in der hessischen AfD eine der treibende Kräfte des völkischen Flügels. Er nahm an Treffen der innerparteilichen Fraktion Der Flügel teil und bildete in der hessischen AfD den Herkules-Kreis, um auch im Landesverband die völkischen Kräfte zu bündeln. Das ARD-Magazin Panorama berichtete von einem Vortrag Licherts bei der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczecks zu Bonn, wo er erklärte, die AfD sei „überhaupt das Maximum an Resonanzraum für unsere Ideen, das wir uns vorstellen können”. Mittlerweile ist Andreas Lichert fester Bestandteil der hessischen AfD geworden. Er trat im Wahlkreis Hochtaunus als Direktkandidat an und rangierte auf der Liste der hessischen AfD zur Bundestagswahl auf Platz 7. Den Einzug in den Bundestag über die Landesliste hat er hierbei nur knapp verpasst.
Verflechtungen nach Halle
Am 11. Mai 2013 eröffnete Lichert im Erdgeschoss seines Hauses in Karben die „Projektwerkstatt“. Zwei Tage später hieß es in der Blauen Narzisse, in Karben entstehe eine „Identitäre Projektwerkstatt“. (vgl. LOTTA #52) Doch bereits 2014 schloss Lichert die Projektwerkstatt wieder. Im folgenden Jahr siedelte er mit seiner Firma Lichert GmbH nach Bad Nauheim über. Als Haupttätigkeit der GmbH wird die „Erbringung von Beratungsleistungen auf dem Gebiet der Informationstechnologie“ genannt. Zu ihren Marken zählen neben Kellerkraftwerk und ECOfaktum auch das Grafik-Studio Mosaik-Kommunikation. Die Web-Domain des Grafik-Studios ist auf den Namen des WÜGIDA-Gründers Simon Kaupert registriert. Kaupert hat nicht nur direkte Verbindungen nach Hessen, er nahm im Mai 2015 auch an einem Zeltlager der JN-Hessen bei Gießen teil. Seit Anfang 2016 taucht Kaupert auch als Vertreter von EinProzent auf. Die selbsternannte Bürgerinitiative, gegründet unter anderem von Götz Kubitschek und dem ehemaligen Pressesprecher der Deutschen Burschenschaft, Philip Stein, unterstützt das „neurechte“ Netzwerk mit Filmproduktionen und Social Media Content. Kaupert tritt auch selbst in den Videoproduktionen von EinProzent auf. Außerdem verfasste er zuletzt ein Reisetagebuch der „Defend Europe“-Aktion der Identitären Bewegung (IB) im Mittelmeer.
Doch nicht nur personell ist das Grafik-Studio an die „neurechten“ Netzwerke angebunden. Ansässig ist das Studio in der Adam-Kuckoff-Strasse 16 in Halle. Unter eben jener Adresse versuchen Personen aus der Identitären Bewegung, deren Ableger Kontrakultur Halle sowie der Initiative EinProzent ein Zentrum „mit Büros, Planungszentrale und Veranstaltungsraum“ zu errichten. Finanziert wurde es laut Sachsen-Anhalt Rechtsaußen mit bis zu 330.000 Euro durch die Titurle-Stiftung, einer laut Selbstdarstellung „gemeinnützigen Stiftung im Aufbau“. Auf der Homepage der Stiftung wird als Kontaktperson Andreas Lichert angegeben. Er sei Berichten der Tageszeitung Die Welt zufolge bei dem Hauskauf als Bevollmächtigter aufgetreten. Gegen den Vorwurf, dass er als AfD-Funktionär trotz des bestehenden Unvereinbarkeitsbeschluss offen mit der Identitäten Bewegung zusammenarbeitet, erwehrt sich Lichert. Nicht die IB sei Mieter des Hauses, sondern lediglich die Initiative EinProzent, und die stünde eben nicht im Unvereinbarkeitsbeschluss. Auch ein anderer AfDler ist mittlerweile in die Adam-Kuckoff-Straße eingezogen: Der Landtagsabgeordnete Hans-Thomas Tillschneider eröffnete dort im September 2017 ein Büro. Er rechtfertigt die Überschneidungen mit der IB mit dem gleichen fadenscheinigen Argument wie Lichert. Dass es sich hierbei um eine formale Augenwischerei handelt, liegt bei den vielfältigen personellen, geschäftlichen und institutionellen Überschneidungen auf der Hand.
Andreas Lichert ist ein Paradebeispiel für die strategische Arbeit des völkischen Flügels der AfD. Er ist fest in die „neurechten“ Netzwerke eingebunden und lässt sich nicht von formalen Unvereinbarkeitsbeschlüssen ausbremsen. Diese Netzwerke schaffen eine rechte Infrastruktur, die der Szene Räume und Arbeitsverhältnisse und damit Sicherheit als Grundlage für ihre Politik bietet.