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Eine völkische Caritas

Das neue Agitationsfeld des Vereins „Volkshilfe e.V.“ im Kreis Gütersloh

Ob Umweltverschmutzungschutz, Obdachlosigkeitenhilfe oder Armut: Es gibt scheinbar kein gesellschaftliches Problem, dem sich die „Volkshilfe“ nicht annimmt. Doch der oberflächlich harmlos wirkende Verein wird von einschlägig bekannten und organisierten Neonazis betrieben ([vgl. LOTTA #61](/node/6970)). Nach dem Umzug ihres Vorsitzenden Achim Kemper haben sich die Aktivitäten der in Osnabrück (Niedersachsen) gegründeten „Volkshilfe“ nach Ostwestfalen- Lippe (NRW) verlagert.

Ob Umweltverschmutzungschutz, Obdachlosigkeitenhilfe oder Armut: Es gibt scheinbar kein gesellschaftliches Problem, dem sich die „Volkshilfe“ nicht annimmt. Doch der oberflächlich harmlos wirkende Verein wird von einschlägig bekannten und organisierten Neonazis betrieben (vgl. LOTTA #61). Nach dem Umzug ihres Vorsitzenden Achim Kemper haben sich die Aktivitäten der in Osnabrück (Niedersachsen) gegründeten „Volkshilfe“ nach Ostwestfalen- Lippe (NRW) verlagert.

Der niedersächsische Verfassungsschutz beobachtet die Volkshilfe seit Juli 2016 und beziffert die Mitgliederzahl des Vereins auf ca. 30. Mitglieder im vergangenen Jahr. Der Verein nutzt zwar weiterhin ein Postfach in Osnabrück,betrieben, welches auch als Kontakt angegeben ist, im Impressum der Homepage wird jedoch Achim Kempers Adresse in Rheda-Wiedenbrück genannt. Der 30-Jährige stammt ursprünglich aus Rheda, verzog dann nach Münster, wo er sich einige Jahre bei den Nationalen Sozialisten Münster betätigte. Nach Auflösung der Gruppe zog er weiter nach Osnabrück und später ins westfälische Hagen. Finanziert werden die Aktivitäten vor allem durch Mitgliedsbeiträge und Spenden. Mit Hilfe dieser Einnahmen wurde mittlerweile eigene Räumlichkeit in Gütersloh angemietet

„Hilfsaktionen“ für deutsche Landsleute

Der Verein hat seine öffentlichen Aktivitäten in letzter Zeit seit dem Umzug Kempers deutlich verstärkt und versucht über vermeintlich karitative Aktionen völkisch-nationalistische Inhalte anschlussfähig zu machen. Zu diesen Aktionen gehörten 2016 mehrfach durchgeführte Spielplatzsäuberungen sowie das Aufstellen von Kisten — vollmundig als „Spielzeugstation“ bezeichnet –, in denen sich neben einem Eimer mit Sandspielzeug auch Werbematerial der Volkshilfe befand. Im Herbst 2016 verteilten Mitglieder des Vereins vor Supermärkten in Gütersloh und Rheda kostenlose, mit Werbematerial der Volkshilfe gefüllt Jutebeutel.

Ankündigungen des Vereins über die Unterstützung von Obdachlosen und „bedürftigen Deutschen“, sind jedoch nicht allzu wörtlich zu nehmen: „So schön und liebevoll eure Pakete auch sein mögen, sie kommen leider irgendwie nicht an.“, lautete im Dezember 2016 einer der Kommentare auf der Facebook- Seite des Vereins. Auch die im Mai 2017 angekündigte „Volksküche“, die jeden Donnerstag in den Vereinsräumen stattfinden sollte, schien kein durchschlagender Erfolg gewesen zu sein und wurde durch eine wöchentliche „Sprechstunde“ ersetzt. Ein im Juli 2017 durchgeführtes Zeltlager und ein Ausflug am 1. Mai 2017, bei dem nach eigenen Angaben Personen aus Steinfurt, Osnabrück und Münster teilnahmen, entpuppten sich als reine Szene- Veranstaltungen.

Finanziert werden diese Aktivitäten vor allem durch Mitgliedsbeiträge und Spenden. Mit Hilfe dieser Einnahmen wurden eigene Räumlichkeiten in Gütersloh angemietet, die sich im Anbau eines Einfamilienhauses im sogenannten „Mädchenviertel“ im Stadtteil Sundern befinden. Hier verfügt die Volkshilfe über einen Veranstaltungs- und einen Lagerraum für Kleider-, Lebensmittel- und Sachspenden. Die Räumlichkeiten wurden in den vergangenen Monaten unter anderem für „Familienfeiern“, Mitgliederversammlungen sowie als Anlauf- und Treffpunkt genutzt.

Personelle Überschneidungen

Nach Einschätzung des VerfassungsschutzesS bestehen lediglich „vereinzelt Kontakte von Personen des rechtsextremistischen Spektrums“ zum Verein Volkshilfe e.V., heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion Die Linke. Diese Einschätzung verwundert, denn nicht nur die Gründungsmitglieder rekrutierten sich aus der Neonazi-Szene aus dem Raum Münster/Osnabrück. Auch bei den Aktivist*innenen aus dem Kreis Gütersloh handelt es sich um einschlägig bekannte Neonazis.

Am 1. ersten Februar 2017 wurde auf der erst wenige Tage zuvor erstellten Facebook-Seite des Rechten Forums Kreis Gütersloh ein Foto hochgeladen, auf dem zwölf mit Sturmhauben vermummte Personen hinter einem Transparent mit der Aufschrift „WIR SIND DAS VOLK Nationalisten Kreis Gütersloh“ zu sehen sind. Der Personenkreis, der unter dem Label Nationalisten Kreis Gütersloh auftritt, betätigt sich auch in der Volkshilfe.

So unter anderem der 30- jährige Erik S.. Der aus Beelen im Kreis Warendorf zugezogene Neonazi war zunächst vor allem im Raum Warendorf, Ahlen und Hamm aktiv, bis er in den Kreis Gütersloh verzog. 2007 beteiligte er sich zusammen mit dem heute 34- jährigen Stephan Josef S. aus Wiedenbrück und sechs anderen Personen an einem Rauchbombenanschlag auf einen Vortrag über die „Heimattreue Deutsche Jugend “in Detmold-Berlebeck. Zum damaligen Zeitpunkt lebte Erik S. bereits zusammen mit dem Dortmunder Neonazi Matthias Deyda in einer Wohngemeinschaft in Rheda. Erik S. gilt als Bindeglied zwischen den Neonazi- Szenen im Kreis Gütersloh und Dortmund.

Personelle Überschneidungen gibt es auch zu der seit vier Jahren bestehenden rechten Gruppierung Nationale Sozialisten Harsewinkel. Einer der Initiatoren dieser Gruppe ist der Neonazi René H. aus Harsewinkel-Greffen, der zu den Mitorganisatoren der Volkshilfe zählt. Er beteiligte sich schon 2010 an der Mobilisierung zum „Trauermarsch“ in Bad Nenndorf. . René H. trat anfangs zumeist zusammen mit dem 63- jährigen Harsewinkeler Hans-Michael Woitzyk auf, der 2011 zwischenzeitlich für die Internetpräsenz des NPD-„Kreisverbands Ostwestfalen-Lippe“ zuständig und einer der Betreiber der nach Dortmunder Vorbild aufgebauten rechten Internetpräsenz Harsewinkel Echo war. Die Homepage, die als Sprachrohr der Nationalen Sozialisten Harsewinkel fungieren sollte, existiert nicht mehr. Die Facebook-Seite ist gesperrt.

Die Nationalisten Kreis Gütersloh verfügen über enge Kontakte zu Die Rechte OWL um Sascha Krolzig. Mit Unterstützung von Dortmunder Neonazis fanden am 23. April 2016 und 22. April 2017 gemeinsam durchgeführte Kundgebungs-Touren in Ostwestfalen statt. Daran beteiligte sich auch Patrick E., der mit der ebenfalls in der Volkshilfe aktiven Nina Z. in Wiedenbrück wohnt. Der 27- jährige Patrick E. war von 2011 bis 2015 Zeitsoldat bei der Bundeswehr und beteiligt sich seit 2015 regelmäßig an Aufmärschen und Aktionen der Szene. Zusammen mit René H. posierte Patrick E. am 1. Mai 2017 einsam vor dem Gelände des ehemaligen britischen Militärflughafens in Marienfeld, um das Ende der „britischen Besatzung“ zu bejubeln.

Teil der Szene

Wurde anfänglich noch der Versuch unternommen, allzu offensichtliche Überschneidungen zur Neonazi-Szene zu vermeiden, werden die Aktivitäten der Volkshilfe mittlerweile auch über Internetauftritte des Rechten Forums Kreis Gütersloh sowie von Die Rechte OWL beworben. So auch die im August 2017 gestarteten Volkshilfe-Kampagne gegen „Mobbing, Gewalt und Deutschenfeindlichkeit“, in deren Rahmen in Rietberg und Gütersloh Schulmaterial und Volkshilfe-Propaganda an Familien verteilt wurden. Der erste, als Auftaktveranstaltung einer zweimonatigen Kampagne beworbene Vortrag am 09. September scheint jedoch ausgefallen zu sein.

Das Ziel der Volkshilfe, sich „über ganz Deutschland auszubreiten“ und insbesondere „deutsche Landsleute“ für die „nationale Sache“ zu begeistern, scheint aktuell wenig realistisch, obwohl es nach eigener Darstellung mittlerweile fünf Ortsgruppen geben soll.

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