Frauen in der „Identitären Bewegung“
Strategien, Diskurse und Geschlechterbilder
Rechten ProtagonistInnen gelingt es zunehmend, sich gleichzeitig vermeintlich für wie auch gegen geschlechtliche Gleichstellung zu positionieren. Damit reagiert die Rechte auf gesellschaftliche Veränderungen, die vielfältige, sich permanent modernisierende Geschlechterbilder mit sich bringen. Angeblich naturbedingten Geschlechterunterschieden kommt nicht länger uneingeschränkt eine hierarchisierende Ordnungsfunktion zu.
Von Relevanz sind dabei auch die sexualisierten Übergriffe an Silvester 2015/2016 in Köln, die in einem rechten antifeministischen Diskurs gerahmt und für eine anschlussfähige Ideologie der „Identitären“ genutzt wurden.
Antifeministische Begründungsmuster sind ein zentraler Eckpfeiler extrem rechter, christlich-fundamentalistischer und wertkonservativer Diskurse. In den vergangenen Jahren haben sich Allianzen formiert. Hier verbinden sich unterschiedliche Spektren, die sich ansonsten nicht unbedingt in allen Themengebieten entsprechen mögen, seien es „Besorgte Eltern“, AfD, „Demo für Alle“, „Identitäre“, Neonazis sowie Teile der CSU/CDU. Die Mobilisierung gegen emanzipatorische Inhalte stellt zunehmend ein Phänomen transnationaler Vernetzung dar. Beispielhaft kann das internationale ultrakatholische Netzwerk TFP („Tradition — Familie — Privateigentum“), das in Polen gegen Abtreibung mobilisiert, genannt werden. Es bestehen enge Verbindungen zwischen TFP und der Zivilen Koalition um Beatrix von Storch, stellvertretende AfD-Vorsitzende. So wird der europäische Zweig der TFP von Paul von Oldenburg, Cousin von Beatrix von Storch, koordiniert. Dabei ist es kein Zufall, dass antifeministische Argumentationsmuster der „Natürlichkeit der Geschlechter“ in einem gesellschaftlichen Klima an Relevanz gewinnen, in dem ebenso völkisch-nationalistische und antimuslimische Diskurse erneut Aufwind erfahren. Die Vorstellung von der „weißen“ heterosexuellen Kleinfamilie als Kerneinheit ist zentral für das Konzept eines „Europa der Vaterländer“, das ebenso auf patriarchalen Geschlechterbilder wie auf rassistischen Ausschlüssen beruht. Und so stehen für die „Identitären“ feministische Errungenschaften ihrer europäischen Bevölkerungspolitik als Feindbild diametral entgegen.
Feministischer Positionen als Ausdruck der Modernisierung?
Hinsichtlich rechter antifeministischer Ideologien zeigt sich eine widersprüchliche Konfiguration: Innerhalb der pauschalen Gleichsetzung des Islam mit Rückständigkeit, Sexismus und Frauenunterdrückung, wird in Abgrenzung gleichzeitig die eigene Fortschrittlichkeit in Sachen Emanzipation postuliert. Auch die post-Köln-Debatte zeigte Rassifizierungsprozesse von Sexismus durch Aneignung feministischer Standpunkte. Sie ist gleichzeitig auch ein Beispiel für einen vom Alltagsrassismus getragenen Diskurs über sexualisierte Gewalt, der durch die Rechte weiter angeheizt wurde. Das Begründungsmuster für die Übergriffe in dieser Nacht zielte nicht etwa auf das Thema sexualisierte Gewalt im öffentlichen Raum, sondern auf die vermeintliche Herkunft der Täter*innen ab. Und so konnte die Rechte in diesen rassistischen Diskurs intervenieren, um ihr Feindbild des „übergriffigen Fremden“ gesellschaftlich weiter zu festigen. Wenn die „Identitären“ auf der Frankfurter Buchmesse 2017 gegenüber linken Gegendemonstrant*innen rufen „Wo wart ihr Silvester?“, dann wollen sie ein Bild über sich produzieren, das sich für Frauenrechte einsetzt und sexualisierte Übergriffe gegen Frauen öffentlich anprangert. Versucht wird, sich einen modernen Anstrich in Abgrenzung zur „klassischen“ rückwärtsgewandten und am Nationalsozialismus orientierten extremen Rechten zu verpassen. Und so laufen Aktivistinnen bei Demos der „Identitären“ medienwirksam in den ersten Reihen mit, um diesen Anschein aufrecht zu erhalten. Aber ist die Darstellung der „gleichberechtigten Aktivistin“ wirklich Realität?
Aktivistinnen bei den „Identitären“
Im Februar 2017 brachte das extrem rechte Compact Magazin eine Ausgabe mit dem Titel „Jung, Wild, Patriotisch“ heraus. In einem Interview mit „identitären Frauen“ sprechen diese von einem Frauenanteil von bis zu 35 Prozent bei ihren Stammtischen. Das sei ein Frauenanteil, der dem des Bundestags entsprechen würde. Und es seien nicht einmal alle „Mädels“ da gewesen, so die Interviewten. Demgegenüber besagen Recherchen des apabiz e.v., dass der Frauenanteil bei den „Identitären“ 10 bis 15 Prozent betrage und höhere Führungsfiguren zumeist männlich seien. Somit würden sich die „Identitären“ nicht grundlegend von anderen rechten Strukturen unterscheiden.
Die existierenden Aktivistinnen nutzen die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel der politischen Kommunikation und Vernetzung strategisch für sich, insbesondere die sozialen Netzwerke. Ob Paula Winterfeldt (IB Berlin-Brandenburg), Melanie Schmitz (Kontrakultur Halle), Ina Alles (IB/JA Leipzig) oder Alina von Rauheneck (IB Wien): Die sozialen Netzwerke dienen allen als Medium der Inszenierung moderner, aktivistischer und rechter Frauen. Suggeriert wird das Bild einer starken, unabhängigen und gleichberechtigten Aktivistin. So kann beispielsweise die Facebookseite „Identitäre Mädels und Frauen“ als ein solches Medium angesehen werden. Dabei wird diese gezielt genutzt, um menschenfeindliche Botschaften zu platzieren. Doch wie gestaltet sich nun das strategische Vorgehen der Protagonistinnen auf ihrer Facebook-Seite? Und welche Geschlechterbilder setzen sie dabei ein?
Die Strategien der „Identi-tären Mädels und Frauen“
Die Protagonistinnen der „Identitären“ bedienen sich auf ihrer Facebookseite vielfältiger und komplexer Begründungsmuster für ihre rassistischen Welt- und Menschenbilder. Gerade die rassifizierte Sexismusdebatte im Zuge der Silvesterereignisse verdeutlicht dabei die Strategie, unterschiedliche diskursive Stränge in Verbindung zu bringen, um Anknüpfungspunkte im Sagbarkeitsfeld für rechte Diskurse zu schaffen. Seitdem versuchen die Aktivistinnen vermehrt, eine weibliche Klientel über die sozialen Netzwerke zu mobilisieren. Häufig erfolgt eine gezielte Anrufung der „politischen Aktivistin“, die in avantgardistischer Manier Seite an Seite mit den Männern die „Zukunft Europas“ verteidigt. Posts wie „So schön kann Aktivismus sein…“ sollen das „spezifisch Weibliche“ an ihrer rassistischen Politik hervorheben, um sie für eine weibliche Klientel zu normalisieren und anschlussfähig zu machen. Auch die Argumentation mit „Frauenrechten“ durch die Chiffre Silvesternacht muss als Versuch der Sichtbarmachung und Anpassung mittels Diskursverschränkungen verstanden werden. Die Errungenschaften feministischer Bewegungen werden seither durch die „Identitären Mädels und Frauen“ für die moralische Untermauerung ihrer Agenda vereinnahmt, auf Konzepte der Gleichberechtigung nehmen sie nur innerhalb eines rassistisch-kulturalistischen Kontextes positiv Bezug. Ein Auszug aus einem Interview einer Aktivistin der Identitären Bewegung Bayern mit SZ-jetzt am 28. Oktober 2016 verdeutlicht das: „Mir ist die aktuelle Politik nicht feministisch genug. Sonst wäre der politische Aufschrei nach der Kölner Silvesternacht deutlich lauter gewesen!“ Hinzu kommen vermehrte antifeministische Diffamierungen seit den Ereignissen, die feministische Kämpfe als Bedrohung für die angestrebte heteronormative Gesellschaftsordnung verunglimpfen sollen. Antifeministische Geschlechterbilder beinhalten zumeist Vorstellungen einer „traditionsbewussten Weiblichkeit“, die im Sinne einer Kontrastfolie der „modernen Welt“ entgegengestellt wird. So ist auch die Intention des Slogans „Nichts ist dem Feminismus so gefährlich wie ein traditionelles Mädchen“, abgebildet mit „weißen“ Frauen in trachtenähnlichen Kleidern und langem Haar. Gesellschaftliche Anschlussversuche erfolgen dabei derzeit in einem Klima, in dem sich zunehmend eine Verschiebung im Sagbarkeitsfeld hin zu rassistischen und antifeministischen Argumentationen abzeichnet. Letztere und ein vermeintlich emanzipiertes Geschlechterbild schließen sich nicht aus, sondern werden zusammen eingesetzt, um an Alltagsdiskurse andocken zu können. Wenn „deutsche“ Männer zum „Schutz unserer Frauen“ vor männlichen* Migranten aufgefordert werden, werden sexualisierte Gewalt durch „weiße“ Männer sowie sexistische und patriarchale Strukturen szeneintern und gesamtgesellschaftlich einer Auseinandersetzung entzogen. Der rassistische Diskurs stellt nicht nur eine Strategie für die Rechte dar, er ist auch der Kitt, der den internen Zusammenhalt trotz eigener Widersprüche gewährleistet.
Die unterschiedlichen Geschlechterbilder der Aktivistinnen
Die Aktivistinnen der Identitären Bewegung verfolgen eine Strategie, die sich vielfältiger Geschlechterbilder bedient: Von selbstbewusst zu traditionsbewusst, von antifeministisch zu positiver Bezugnahme auf geschlechtliche Gleichstellungspolitiken, aber auch von explizit bis implizit vorgetragenem Rassismus wird die diskursive Bandbreite ersichtlich. Die unterschiedlichen genutzten Geschlechterbilder stehen nicht etwa in einem Widerspruch zueinander, sondern müssen im Hinblick auf die zentralen Bestrebungen um die Anschlussfähigkeit ihrer Agenda betrachtet werden. Die Variabilität der Begründungsmuster wirft ein Licht auf die Diskursfähigkeit der Rechten: Sie reagiert sehr flexibel und unmittelbar auf Alltagsdiskurse, um diese — im Sinne einer angestrebten Deutungshegemonie — selbst zu besetzen. Mit Blick auf die Anschlussfähigkeit nehmen die Aktivistinnen in der Rechten eine zentrale Schlüsselfunktion ein. Ihr strategisches Wirken entzieht sich zudem weitgehend öffentlicher Aufmerksamkeit und kritischer Beobachtung. Denn sie profitieren von der dominanten Vorstellung von der unpolitischen und „friedfertigen Frau“. In Zeiten der zunehmenden Relevanz sozialer Netzwerke als politischen Kommunikationsmittels und Instruments der öffentlichen Meinungsbildung kann eine Etablierung extrem rechter Ideologie, sowie Politisierung (potenzieller) AktivistInnen dann auch niederschwellig und europaweit erfolgen. Deshalb ist es wichtig, diese Strategien zu dekonstruieren. Ihre popkulturelle Inszenierung als vermeintlich „identitäre Feministinnen und Influencerinnen“ kann nicht darüber hinweg täuschen, dass Weiblichkeit hier ausschließlich in der Figur der Mitkämpferin, der Gefährtin, des Sexualobjekts und der Mutter gedacht und rassistisch begründet wird und somit jeglichen emanzipatorischen Gehalts entbehrt. Gegen ihre menschenverachtende Ideologie gilt es sich aus feministischer und emanzipatorischer Sicht entschieden abzugrenzen.