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Mehr als nur Klamotten

Extrem rechte Kampfsportmarken im Überblick

Mit dem Aufkommen eines gesteigerten Interesses der extrem rechten Szene an Kampf- und Kraftsport Anfang der 2000er Jahre witterte die rechte Modeindustrie ihre Chance. Mittlerweile gibt es europaweit mehr als ein Dutzend Kampfsportlabels, die manchmal subtil, zumeist aber offensichtlich mit martialischen Motiven, markigen Slogans und modernen Designs eine wachsende Neonazi-Kampfsportszene bedienen.

Mit dem Aufkommen eines gesteigerten Interesses der extrem rechten Szene an Kampf- und Kraftsport Anfang der 2000er Jahre witterte die rechte Modeindustrie ihre Chance. Mittlerweile gibt es europaweit mehr als ein Dutzend Kampfsportlabels, die manchmal subtil, zumeist aber offensichtlich mit martialischen Motiven, markigen Slogans und modernen Designs eine wachsende Neonazi-Kampfsportszene bedienen.

Um die Jahrtausendwende entstand in Bremen die rechte Streetwear -und Sportmarke „Sport Frei“. Vertrieben wird sie von Henrik Ostendorf, einem Multifunktionär der extremen Rechten. Zusammen mit seinem Bruder Hannes Ostendorf (Sänger der RechtsRock-Bands „Kategorie C“ und „Nahkampf“) war er Teil der rechten Bremer Hooligangruppe „Standarte“ sowie 2009 Geschäftsführer des „Deutsche Stimme Verlags“, und er publiziert heute das geschichtsrevisionistische Magazin „Ein Fähnlein“. Mit den Designs von „Sport Frei“ wendet er sich vorrangig an die rechte Hooliganszene, schaffte es aber auch, die Marke in der rechten Kampfsportszene zu etablieren. So sponsert er seit 2014 das Neonazi-Kampfsportturnier „Kampf der Nibelungen“ (KdN). Obwohl Ostendorfs Label auf dem Markt rechter Sportkleidung als Vorreiter und Ideengeber gilt, hat es heute kaum noch Wirkung auf die Szene. Dies mag zum einen daran liegen, dass sich der Bremer Neonazi nie bemühte, seine Produkte zeitgemäß zu gestalten, zum anderen scheint Ostendorf in zu vielen rechten Projekten involviert zu sein, als dass er Zeit für die Mitwirkung am Aufbau einer professionellen, internationalen rechten Kampfsportszene hätte.

Gymnastik für die Götter

Einen wesentlich größeren Einfluss hatte der bayrische Neonazi Daniel Weigl, der 2012 das Kampfsportlabel „Walhall Athletik“ ins Leben rief. Im selben Jahr nahm Weigl als Teil einer Gruppe deutscher Neonazis an dem von der rechten Kampfsportmarke „White Rex“ initiierten Turnier „Duh Voina“ (dt. „Geist des Kriegers“) in Russland teil. Nicht nur die darauffolgende Beteiligung deutscher Neonazis an weiteren von „White Rex“ organisierten Kampfsport-Events in Russland und Europa, auch die Anbindung von „White Rex“ an die deutsche Neonazi-Szene dürfte Weigls Networking geschuldet sein. Zumal einige Kämpfer des später initiierten KdN in Deutschland der verbotenen Kameradschaft „Freies Netz Süd“ angehörten, zu der auch Weigl zählte. So etwa Kai Zimmermann, der im Juni 2017 das Team des KdN auf einem rechten Turnier bei Genf vertrat. In letzter Zeit tritt „Walhall Athletik“ wieder vermehrt mit vermeintlich unpolitischen Kämpfern bei öffentlichen Kampfsport-Events auf. Mit Slogans wie „Strength and Honour“ stellt die Marke Bezüge zur extremen Rechten her, wird aber auch gerade wegen der Doppeldeutigkeit der Motive und Designs gerne getragen und kann durch die subtile Aufmachung ebenso bei nicht-rechten Sportler_innen punkten.
Weigl, der die Geschäftsführung des Labels zwischenzeitlich abgab, war im Sommer 2016 wieder als Geschäftsführer registriert. Die schlechte Publicity um seine Person, die ihm anfänglich seine Karriere als Label-Betreiber verbaute, scheint keine große Bedeutung mehr zu haben. Der Markt eindeutig extrem rechter Kampfsportmarken ist seit der Entstehung von „Walhall Athletik“ gewachsen — auch deshalb ist der Fokus von Weigls Produkten abgerückt.

Nicht nur eine Marke

Die russische Marke „White Rex“ ist dagegen seit ihrem Erscheinen 2008 ein „Big Player“, wenn nicht sogar die treibende Kraft in der europaweiten rechten Kampfsportszene. Ins Leben gerufen wurde „White Rex“ von dem russischen Neonazi, Hooligan und MMA-Kämpfer Denis Nikitin. Mit Unterstützung des „Hells Angels MC“ veranstaltete Nikitin in Russland seit 2011 die sogenannten „Geist des Kriegers“-Turniere. Diese Turnierreihe fand auch in Italien statt, sowie mehrmalig in Frankreich.
„White Rex“ bietet eine Palette an Kampfsportartikeln an, deren Slogans und Motive sich klar auf rassistische und neonazistische Ideen beziehen. Dass die Marke in Westeuropa solch einen Anklang fand, liegt vor allem an der pan-europäischen Stilisierung. Statt sich explizit auf Russland zu beziehen, wird eine europäische Identität propagiert. Damit griff Nikitin die heute in großen Teilen der rechten Szene vorherrschende Meinung auf, dass jedem Volk sein Land zustünde, das „weiße Europa“ aber spätestens seit der „Flüchtlingskrise“ gemeinsam kämpfen müsse, um die vermeintliche Islamisierung zurückdrängen zu können. T-Shirt-Motive, auf denen martialisch auftretende weiße Europäer auf stereotyp dargestellte Muslime Jagd machen, dazu der Schriftzug „Angry Europeans“, vermarkten sich in diesem Kontext bestens. Nikitins Engagement im Rahmen der internationalen Vernetzung extrem rechter Kampfsportler_innen beschert ihm nicht nur hohe Erträge, die er laut Eigenangaben in die Unterstützung von inhaftierten Neonazis steckt, auch an der Person Nikitin als politischer Botschafter hegt die rechte Szene wachsendes Interesse. So trat er im Juli 2017 auf dem RechtsRock-Event „Rock gegen Überfremdung“ in Themar (Thüringen) vor rund 6.000 Neonazis als Redner auf und wurde im November von der NPD nach Anklam (Mecklenburg-Vorpommern) eingeladen, wo er zum Thema „Russland verstehen — ein Streifzug durch die russische Geschichte bis zur Gegenwart“ sprach. Dabei wurde er als „Begründer des Kampfsport-Netzwerks White Rex“ angekündigt. Eine Beschreibung, die passender nicht hätte sein können. „White Rex“ ist schon lange nicht mehr nur eine Marke, sondern ein Netzwerk, in dem rechte Hooligans und Kampfsportler_innen auch ideologisch agieren und agitieren.

Körperkult und Hitler-Zitate

Weniger international, aber mit ähnlichem Duktus tritt seit 2015 das rechte Cottbuser Kampfsportlabel „Black Legion“ auf. Als Strohmann für den Verkauf der Klamotten dient der Sänger der RechtsRock-Band „Hausmannskost“ und Betreiber des rechten Musiklabels „Rebel Records“, Martin Seidel. Mit T-Shirt-Slogans wie „Defend Europe“ nähert sich die Marke dem aktuellen (neu)rechten Diskurs an, während andere Artikel durch Zitate von Adolf Hitler eher rückwärtsgewandt wirken. Die Reproduktion nationalsozialistischer Vorstellungen, vor allem im Hinblick auf den „Kriegergeist“ und den Körperkult, ist in der rechten Kraftsport- und Kampfsportszene reichlich vorhanden. Das liegt vor allem an dem Bild der Szene, dass vorrangig Männer wehrhaft sein müssten und der „Volkskörper“ gesund zu sein habe, um die „nationale Identität“ verkörpern und verteidigen zu können. Die damit einhergehende„Reinheit“ bezieht sich sowohl auf die Verachtung der von Vielfalt geprägten „multikulturellen“ Gesellschaft als auch darauf, was dem Körper Schaden zufügen könnte. Die Ablehnung von Drogen, Alkohol, Nikotin und teilweise auch Fleisch ist eigentlich das Kernelement der Straight-Edge-Bewegung. Mit dem Bezug der rechten Szene auf diesen „im Geiste klaren Lifestyle“, vermischt mit Vorstellungen von einem wehrhaften Volk, wird aus der einst individualistischen, progressiven Haltung eine durch den Begriff „NS Straight Edge“ gefasste Lebensform. Die Marke „Black Legion“ verinnerlichte diese Deutung und produzierte mehrere T-Shirts, die sich in ihrer Symbolik auf die Straight-Edge-Bewegung beziehen. Als Sponsor auf Turnieren wie dem KdN ist Black Legion die einzige deutsche Marke, die diesen Begriff zu besetzen und zu vermarkten weiß. Sie hat daher im deutschen Kontext eine besondere Relevanz.

Authentisches Business

Die rechte Kampf- und Kraftsportmarke „Greifvogel Wear“, vertrieben durch Sebastian Raack, füllte mit ihrer Entstehung 2013 eine Lücke — nämlich die einer modern wirkenden, in der rechten Szene als authentisch geltenden Sportmarke, die außerhalb von rechten Zusammenkünften erst auf den zweiten Blick als neonazistisch identifiziert wird. Die Marke des ehemaligen „Blood & Honour Südbrandenburg“-Kaders Raack ist heute in Deutschland die wohl meist getragene rechte Kampfsportmarke. Der Macher erschloss sich eine Käufer_innenschaft, die nicht unbedingt Kampf- oder Kraftsport betreiben und dies über Kleidung zum Ausdruck bringen will, sondern die grundsätzlich gern als „Krieger“ oder „Kriegerin“ wahrgenommen werden möchte. Der Kampfsport-Bezug ist dennoch wichtig: „Greifvogel Wear“ sponsert international rechte Turniere, stellt eigene Mannschaften mit tatsächlichen Sportler_innen auf und lässt sich von einflussreichen NS-Hardcore-Bands wie „Terrorsphära“ promoten. Die Marke wurde dadurch nicht nur zum Eigenläufer, sondern vor allem zur Geldmaschine. Und besonders Letzteres ist auf dem Markt rechter Kampfsportmarken ausschlaggebend, um deren Relevanz bewerten zu können. Rechte beziehungsweise rechtsoffene Marken wie „Thor Steinar“ und „Yakuza“ fangen zwar seit geraumer Zeit ebenfalls an, den gesamtgesellschaftlichen Fitnesstrend zu vermarkten und entsprechende Produkte anzubieten, die finanziellen Erträge werden aber kaum in „nationale Projekte“ fließen, wie es bei „White Rex“, „Black Legion“ oder „Greifvogel Wear“ der Fall sein dürfte. Vor allem Raack schuf mit dem erwirtschafteten Geld seiner Marke Infrastruktur für die Szene. Im Dezember 2016 erwarb er unter anderem eine Gaststätte in Südbrandenburg, in der nicht nur Konzerte mit rechter Beteiligung stattfanden, sondern auch das Ladengeschäft von „Greifvogel Wear“ und seinem RechtsRock-Label „OPOS Records“ beherbergt wird, das eine zentrale Bedeutung für die Produktion und den Vertrieb insbesondere von NS-Hardcore besitzt.

Identität zum Anziehen

Einendes Element aller rechten Kampfsportlabels ist die Identitätsstiftung. Wie bei den bekannten Marken „Thor Steinar“ und „Erik &Sons“ wird der Käuferklientel suggeriert, dass das Tragen dieser Marken einen Bruch mit dem Mainstream darstellt. Die Labels dienen als Erkennungsmerkmal der extremen Rechten, die Käufer_innen verstehen sich mitunter als „Outlaw“. Ähnlich funktioniert es mit der rechtsoffenen Marke „Yakuza“, die durch ihren „Crime & Mafia-Look“ versucht, sich von der gängigen Streetwear abzugrenzen.
Auch innerhalb der extremen Rechten zielt das Tragen rechter Kampfsportmarken darauf ab, sich als Teil einer elitären Gemeinschaft zu inszenieren, die dem Bild des betrunkenen unsportlichen Neonazis das Image der Kämpfer-Natur entgegensetzt. So versuchen die Labels auch, moderne Tendenzen der extremen Rechten aufzugreifen und weiterzuentwickeln. Dabei ist es nicht unüblich, dass rechte Kampfsportmarken auf Elemente des NS-Hardcore beziehungsweise der „Autonomen Nationalisten“ zurückgreifen. Beide Subkulturen der rechten Szene bezogen sich bereits früh auf einen Lifestyle, den wir heute als „NS Straight Edge“ in der rechten Kampfsportszene wiederfinden. Mit Aussprüchen wie „Du hast die Pflicht, gesund zu sein“ oder „Stärke durch Disziplin“ wird Bezug auf eine Rhetorik genommen, an der die Propagandist_innen des NS-Regimes sicher Gefallen gefunden hätten.

Mehr Infos zu rechten Kampfsportmarken und deren Vertriebsstruktur findet ihr unter:

[runtervondermatte.noblogs.org](https://runtervondermatte.noblogs.org "Kampagne "Runter von der Matte"")