Der „Silberjunge“ im Höhenflug

Das rechte Netzwerk um Thorsten Schulte und „Pro Bargeld e.V.“

Mit seinem Buch „Kontrollverlust“ schaffte es der Verschwörungstheoretiker Thorsten Schulte auf die Bestsellerlisten in Deutschland und wurde zu einem gefragten Referenten für (extrem) rechte Medien und Parteien. Aus Querfrontbestrebungen in Frankfurt am Main wurde eine rechte Karriere zwischen Ich-AG und AfD.

Mit seinem Buch „Kontrollverlust“ schaffte es der Verschwörungstheoretiker Thorsten Schulte auf die Bestsellerlisten in Deutschland und wurde zu einem gefragten Referenten für (extrem) rechte Medien und Parteien. Aus Querfrontbestrebungen in Frankfurt am Main wurde eine rechte Karriere zwischen Ich-AG und AfD.

Der 45-jährige gelernte Bankkaufmann Thorsten Schulte arbeitete zwischen 1999 und 2008 als Investmentbanker, unter anderem bei der Deutschen Bank und bei der DZ BANK AG. Er trat 1989 in die CDU ein, um sie im Oktober 2015 „aus Protest gegen die Migrationspolitik Angela Merkels“ zu verlassen. Bei einer Wahlkampfveranstaltung der AfD in Wiesbaden im Februar 2018 erklärte er seinen Beitritt zu der Partei.

Bereits im Oktober 2014 war Schulte Podiumsgast auf dem vom extrem rechten KOPP Verlag organisierten „Goldkongress“ in Stuttgart. Dort diskutierte er mit Bruno Bandulet und dem heutigen AfD-Politiker Peter Boehringer (MdB, Vorsitzender des Haushaltsausschusses), mit denen er Ende 2014 das Buch „Insiderwissen Gold“ veröffentlichte. Seine Finanztipps und politischen Ansichten bewirbt Schulte unter dem Spitznamen „Silberjunge“ auf einer Webseite und einem YouTube-Kanal; Abonnements seiner Finanzbroschüren kosten zwischen 59 und 349 Euro im Jahr. Als Medieninhaber und Herausgeber seiner Webseite und seiner Schriften wird die 2011 gegründete Plutos GmbH in Hallein bei Salzburg in Österreich angegeben. Alleinvertretungsberechtigter der Firma ist Günther Riemer, derzeit stellvertretender Vorsitzender der Vereinigung alter Burschenschafter Salzburg der völkischen Deutschen Burschenschaft.

Schulte im rechten Netzwerk

Um für den „Schutz des Bargeldes“ einzutreten und sich selbst zu vermarkten, gründete Schulte im Juni 2016 den als gemeinnützig anerkannten Verein Pro Bargeld — Pro Freiheit e.V. (PB) mit Sitz in Bautzen. Zur Schriftführerin wurde Hannelore Thomas aus Köln gewählt, Vorsitzende des rechten Ökologievereins Fortschritt in Freiheit e.V. mit Sitz in der Schweiz. Erklärtes Ziel von PB ist es, „den Bürger vor der totalen Überwachung durch den Staat“ zu schützen, die durch die vermeintlich bevorstehende „Abschaffung des Bargeldes“ drohe. Der Verein arbeitet eng mit der gleichgesinnten Münchener Stiftung für Freiheit und Vernunft (SFV) um Dagmar Metzger und Steffen Schäfer zusammen.

Querfront in Frankfurt

Neben einer Online-Petition startete PB gemeinsam mit der SFV-Untergliederung Stop Bargeldverbot die Kundgebungsreihe „Finger weg vom Bargeld!“ in Frankfurt am Main, die im Mai 2016 startete. Getreu dem „überparteilichen“ Grundsatz des Vereins sprachen dort neben rechten Parteifunktionären wie Joachim Starbatty (Liberal-Konservative Reformer) und Max Otte (WerteUnion der CDU/CSU, Institut für Vermögensentwicklung GmbH) auch Joachim Koehn von der Initiative Neue Geldordnung (NG), die aus der Occupy-Bewegung hervorging. Der Sprecher der NG, Hajo Köhn, war im August neben Schulte und Uli Breuer (Datenschützer Rhein-Main) Podiumsgast bei einer Diskussion im linken Club Voltaire in Frankfurt mit dem Titel „Kampf um das Bargeld — Wo bleiben die Linken?“, woraufhin die NG zur Teilnahme an der nächsten Kundgebung aufrief.

Die Querfrontstrategie wurde noch kurzzeitig weiterverfolgt — mit einer Einladung an Sahra Wagenknecht zu der Kundgebungsreihe, die diese allerdings ausschlug. Bei der nächsten Kundgebung im August sprach Schulte von der „Vorantreibung der bargeldlosen Gesellschaft durch eine unheilige Alllianz aus Banken, Finanzministern und der Kredikartenindustrie“. Im Oktober 2016 sprachen auf der letzten Kundgebung neben Starbatty und Metzger außerdem Ulrich Horstmann und Gottfried Heller. Auch wenn die Kundgebungen mit bis zu 200 TeilnehmerInnen nicht den gewünschten Erfolg brachten, wendete sich das Blatt im kommenden Jahr für Schulte.

Bestsellerautor bei KOPP

2010 hatte Schulte mit „Silber, das bessere Gold“ sein erstes Buch bei KOPP publiziert; 2011 folgte „Vermögen Retten“ mit laut Eigenangaben mehr als 25.000 verkauften Exemplaren. Mit „Kontrollverlust“ ergänzte Schulte im August 2017 seine Finanztipps um eine explizit rechte Botschaft. Im Vorwort beschreibt ihn Willy Wimmer (CDU, MdB 1976-2009) als mutigen Mann, der eine Antwort auf die vermeintliche Bedrohung durch eine „von Soros, Merkel, McCain und Obama gestellte kontinentale Gegenregierung“ habe.

Schulte selbst stellt in dem Buch eine rechtslibertäre Verschwörungstheorie auf, in der er das Schreckenszenario einer von Banken und Politik geplanten Diktatur zeichnet, die auf der Abschaffung des Bargeldes gründe. Merkel und die „Politikerkaste“ hätten zudem ein „Migrantenproblem“ geschaffen; Asylsuchende terrorisierten durch Mord, Diebstahl und Vergewaltigung das Land. An dieser Stelle verweist Schulte auf die rassistische Verschwörungstheorie einer angeblichen „Asyl-Industrie“, welche der verstorbene KOPP-Autor Udo Ulfkotte kolportierte. Angesichts angeblicher migrantischer „Terroristen oder im Rudel auftretende[r] Kriminelle[r]“ fordert er ein liberaleres Waffengesetz in Deutschland und die Einführung einer Wehrpflicht nach Schweizer Vorbild.

Außerdem vermarktet Schulte seine vermeintliche Finanzexpertise und rät seinem Publikum, größere Mengen Bargeld zu Hause zu horten und vor allem in Silber und in Silberminen zu investieren. Am Ende setzt er die „direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild“ den drohenden „Gefahren einer Weltregierung“ entgegen. Das Buch erreichte im September 2017 Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste.

Rezeption im reaktionären Zeitgeist

Mit „Kontrollverlust“ wurde Schulte zur gefragten Person für (extrem) rechte Medien und Parteien. So wurde er nicht nur von Jasmin Kosubek für Russia Today und von Peter Feist für Compact interviewt, sondern erhielt positive Rezensionen von Ralf Flierl in dessen rechtem Finanzmagazin Smart Investor und von Ludwig Witzani in der Jungen Freiheit. Legitimation verschafften ihm Einladungen zu Sendungen öffentlich-rechtlicher Medien wie Die Diskussion auf Phoenix sowie wohlwollende Artikel in führenden Tageszeitungen wie der FAZ.

Im Februar 2018 folgte Schulte Vera Lengsfelds Einladung zu einer Vernetzungskonferenz (extrem) rechter InternetmedienbetreiberInnen in Berlin. Im April 2018 stellte er ein Video zu seiner kurzzeitigen Anstellung als Mitarbeiter der AfD-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Alice Weidel, online und witterte hinter seiner Entlassung bei Weidel eine Verschwörung.

Schulte ist Teil eines Netzwerks, in dem (extrem) rechte Politik mit der Vermarktung der eigenen Finanzdienstleistungen verwoben ist. Exponierte Personen wie er dürften dabei erhebliche Summen verdienen; zugleich können sie ihre politische Arbeit über einen gemeinnützigen Verein und einen kostenlosen YouTube-Kanal billig betreiben. Angesichts der breiten gesellschaftlichen Anschlussfähigkeit dieses rechten Netzwerks gilt es für Antifaschist*innen, es nicht zu unterschätzen und ihm eine materialistische Gesellschaftskritik entgegenzusetzen.

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