Organisation und internationales Netzwerk
„Combat 18“ in NRW und Hessen
Was lange als Vermutung im Raum stand, ist mittlerweile Gewissheit: In Deutschland ist erneut eine Organisation unter dem Namen „Combat 18 Deutschland“ (C18) aktiv, die Teil eines internationalen Netzwerkes ist, das sich 2012 unter der Parole „Reunion 28“ neu aufstellte. Internes Material und weitere umfangreiche Recherchen machen einen detaillierten Blick auf die C18-Sektionen in NRW und Hessen möglich.
Combat 18 transportiert über seinen Namen und seine gewaltvolle Geschichte das Image der reinen Lehre des Nationalsozialismus, des „Untergrundes“ und des „bewaffneten Kampfes“. Die Gruppe gründete sich Anfang der 1990er Jahre in England und übernahm dort schnell die Kontrolle über die Organisation Blood & Honour (B&H). Ihr Anführer William „The Beast“ Browning gelangte durch das Rechtsrock-Business zu einigem Wohlstand, aber ökonomische Interessen ordnete er seiner Politik unter. Diese war stets am terroristischen Konzept des „Leaderless Resistance“ ausgerichtet. Browning stand hinter einer Reihe von C18-Veröffentlichungen, in denen es von Morddrohungen nur so wimmelte und in denen neben Listen potenzieller Anschlagsziele auch Anleitungen zum Bombenbau abgedruckt waren, kommentiert durch Sätze wie: „Now you have the technology so bomb the bastards“. C18 kann in England mit einer Serie von Brandbombenanschlägen und körperlichen Angriffen auf Gegner*innen in Verbindung gebracht werden. Combat 18 wurde in der Folge ein internationales Label für Rechtsterrorismus und eine Inspirationsquelle für Neonazis, die sich über ihre Bezugnahme auf C18 als militanter Kern der Szene stilisierten.
William Browning ist eine Legende des Combat 18. Und er ist einer der Anführer des 2012 neu strukturierten Combat 18 und unverzichtbar für die Legitimation dieses Netzwerks. Brownings Bezüge nach Deutschland reichen bis in die Mitte der 1990er Jahre zurück, als er intensive Kontakte zu Thorsten Heise pflegte. Heise und Browning woben in der Folge ein internationales Netz von B&H/C18-Gruppen, die in Konkurrenz zu einem anderen Teil von Blood & Honour traten. Zum Browning-Heise-Flügel zählten die Division von B&H/C18 in Skandinavien sowie die Aktiven von B&H in den Niederlanden und die BelgierInnen von B&H Vlaanderen, die 2006 wegen Vorbereitung von Terroranschlägen verhaftet wurden (vgl. LOTTA #60, S. 58f).
Auch im Rahmen des 2012 neu strukturierten C18-Netzwerks tritt Thorsten Heise immer wieder in Erscheinung. 2015 besuchte er den Divisionsleiter von Combat 18 Serbien und trat mehrfach auf Veranstaltungen des Schweizer C18-Ablegers auf. Am 28. Juli 2016 lud Blood & Honour Scandinavia zu seinem Sommerfest im schwedischen Sölvesborg. Nach einer Rede von Heise trat unter dem Namen Division Voran der Liedermacher Martin Krause aus Bad Doberan (bei Rostock) auf. Krause ist festes Bandmitglied von Oidoxie aus Dortmund. Eben dort waren im Juni 2016 Browning und Heise beim Aufmarsch zum „Tag der deutschen Zukunft“ zugegen, um sie herum bewegten sich zahlreiche Neonazis, die bereits in den 2000er Jahren mit Combat 18 in Verbindung gebracht werden konnten. Dies wurde von antifaschistischen BeobachterInnen als Hinweis auf ein internationales C18-Treffen an dem Wochenende gedeutet (vgl. LOTTA #64, S. 24ff).
Feste Organisationsform
Die Neustrukturierung von Combat 18 auf nationaler und internationaler Ebene wurde im Rahmen des Konzertes „Frihetsrock“ mit Oidoxie am 3. März 2012 in Schweden beschlossen. Neonazis, unter anderem aus den skandinavischen Ländern, aus Deutschland, den Niederlanden und England legten dort die grundlegende Neuordnung fest. Für Combat 18 Deutschland existiert ein „Richtlinien“-Papier im Stile einer Vereinssatzung, das unter anderem Aufnahme- und Anschlusskriterien, eine Anwärterzeit, Mitgliedsbeiträge, diverse „Bruderpflichten“ und sogar eine Kleiderordnung festlegt. Darin heißt es zum Beispiel: „3-18 Shirt/3-18 Jacke, schwarze Hose und schwarze Schuhe. Das Tragen dieser Sachen ist bei Treffen/Auswärtsfahrten PFLICHT! Zuwiderhandeln hat sofortiges ‚Strafgeld‘ zur Folge.“ Weiter werden in den Richtlinien monatliche Treffen der Sektionen sowie Schweigsamkeit verlangt. Über C18 dürften keine Informationen bei Facebook geschrieben werden, Gespräche mit Dritten über die Organisation sind untersagt. Neben monatlichen Beiträgen in die Sektionskasse (15 Euro) wird auch eine gemeinsame internationale Kasse geführt, in die jedes Mitglied 10 Euro monatlich einzahlt und die vom Niederländer Danny „Bookie“ Janssen verwaltet wird. Die einzelnen Divisionen (Länderabteilungen) und Sektionen werden durch sogenannte Sergeants vertreten, die zu den nationalen und internationalen Treffen reisen.
Das Logo der Organisation ist ein Drache, der auf Jacken und Shirts abgebildet ist, eine Reminiszenz an das Logo der englischen C18-Zeitschrift „The White Dragon“. Das „Richtlinien“-Papier besagt, dass in jedem Bundesland, in dem Mitglieder wohnen, eine Sektion bestehen soll. In der Praxis gibt es jedoch Abweichung. Zwar existieren in den regionalen Schwerpunkten im Raum Dortmund und Ostholstein C18-Sektionen, in einer weiteren Sektion, die von dem im hessischen Kaufungen lebenden Stanley Röske geleitet wird, finden sich jedoch Mitglieder aus Hessen, Bayern, Thüringen, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen.
Die Sektion um Röske
Stanley Röske ist eine zentrale Figur der nordhessischen Naziszene. Geboren 1974 ist er spätestens seit Mitte der 1990er aktiv. Mit einer Gruppe von Gefolgsleuten aus Nordhessen war er Teil der Oidoxie Streetfighting Crew (SFC), als deren Anführer er ab dem Jahr 2005 galt. Auf dem Cover der CD „Steh wieder auf“ der Band Straftat, ein Gemeinschaftsprojekt von Oidoxie-Sänger Marko Gottschalk aus Dortmund und dem bis mindestens 2014 der Röske-Sektion angehörenden Dennis Zadow aus Herne, posiert Röske neben Gottschalk. Auf dem Backcover der CD ist er auf einem Gruppenbild der SFC zu sehen. Röske gehört weiterhin der Frontline Security an, einem „Sicherheitsdienst“, in dem sich Mitglieder der SFC und der Arischen Bruderschaft aus dem Umfeld von Thorsten Heise finden.
In den eigenen Reihen ist Röske mehr gefürchtet als beliebt. Er gilt als aufbrausend und gewalttätig. Oliver Podjaski, der ehemalige Sänger von Hauptkampflinie, erzählte im hessischen NSU-Untersuchungsausschuss von einer Rednerveranstaltung, die Röskes Freundin durch Gespräche mit ihrer Nebenperson störte. Als sie ein Teilnehmer bat, die Gespräche zu unterlassen, schlug Röske — so Podjaski — unvermittelt auf diesen ein. Auch Vorwürfe, dass er Gelder unterschlage und in seine Tätowierungen investiere, begleiten Röske seit längerer Zeit. Im Jahr 2015 sammelte seine C18-Sektion für die in Not geratene Familie eines Kameraden. 750 Euro kamen zusammen, doch er leitete nur 250 Euro an die Familie weiter. Die restlichen 500 Euro landeten offensichtlich in seiner eigenen Tasche.
Am 24. September 2017 fingen Spezialkräfte der GSG 9 an der tschechisch-deutschen Grenze Aktivisten von Combat 18 Deutschland ab, die von einem Schießtraining in Cheb zurück reisten. Es handelte sich dabei um Mitglieder der C18-Sektion von Röske. Bei Röske und dem Sektionsmitglied Tobias Voll aus Homberg/Efze (Nordhessen) wurde Munition gefunden, deren Einfuhr nach Deutschland verboten ist. Im März 2018 wurde Röske zu einer Geldstrafe verurteilt, im April 2018 erhielt Voll eine Bewährungsstrafe.
Röske gilt in der Szene und bei den Behörden als äußerst klandestin. Gerade deshalb ist es kaum zu glauben: Eine Gruppe, die sich als bewaffneter Arm einer in Deutschland verbotenen Organisation (B&H) versteht, gibt sich eine Vereinssatzung im Stile eines Fußballfanclubs und führt ein De-Facto-Vereinskonto für Mitgliedsbeiträge. Unter verblüffend offenen Verwendungszwecken werden dorthin die Monatsbeiträge der Sektionsmitglieder überwiesen, es werden Automietungen und Hotelkosten sowie Druckkosten für die C18-Pullover verbucht, die in einer Druckerei der niederländischen C18-Aktivistin Melanie Huter hergestellt wurden. Huter hatte schon 2003 an SFC-Treffen teilgenommen und Robin Schmiemann (s.u.) im Gefängnis besucht.
In der Sektion von Röske sind auch eine Handvoll Neonazis aus dem Ruhrgebiet organisiert, die aus der Oidoxie Streetfighting Crew stammen. Das alles lässt sich aus den vorliegenden Kontoauszügen der Jahre 2014 bis 2017 herauslesen.
Die Sektion in Dortmund
Combat 18 in Dortmund hat eine nunmehr 20-jährige Geschichte, über die LOTTA immer wieder berichtete. Bereits um das Jahr 2000 formierten sich Neonazis der Kameradschaft Dortmund, die weitgehend identisch mit dem Kreis um die Band Oidoxie waren, und der Kameradschaft Essen zu einer C18-Gruppe. Bereits seit dieser Anfangszeit verfügten die Dortmunder*innen über vor allem über den Oidoxie-Sänger Gottschalk vermittelte Kontakte zu Browning sowie C18-Führungspersonen in Skandinavien. Die Dortmunder Gruppe war schon damals fester Bestandteil des internationalen B&H/C18-Netzwerkes. Gottschalk galt zeitweise szeneintern als Repräsentant von Combat 18 Deutschland. Auch heute steht die Band Oidoxie im Zentrum der Combat 18-Sektion in NRW. Die Konzerte von Oidoxie im In- und Ausland dienen seit Jahren als Vernetzungstreffen von Combat 18. So wurde 2009 im Rahmen eines Oidoxie-Konzertes von anwesenden deutschen Neonazis eine italienische C18-Gruppe aus der Taufe gehoben.
Die andere wichtige Person neben Gottschalk ist der Dortmunder Robin Schmiemann, der mittlerweile in Castrop-Rauxel wohnt. Er dient als rechte Hand von Browning und trifft sich häufig mit ihm in NRW, den Niederlanden und England. Als eine Art Botschafter bereist er europäische Länder. Schmiemann ist langjähriges Mitglied der Oidoxie Streetfighting Crew und der Öffentlichkeit als Brieffreund von Beate Zschäpe bekannt, mit der er in seiner Haftzeit 2013 lange Briefe austauschte. Verurteilt wurde er, weil er bei einem missglückten Überfall auf einen Supermarkt einen Migranten durch Schüsse schwer verletzte. Schmiemann behauptet, zu dem Überfall vom SFC-Mitglied und Combat 18-Aktivisten Sebastian Seemann angestiftet worden zu sein, weil er diesem nach einem missglückten Kokain-Deal Geld schuldete. Seemann organisierte nicht nur B&H-Konzerte in Belgien, sondern kooperierte ab 2005 mit dem NRW-Verfassungsschutz, der ihn ab 2006 als V-Mann führte. 2007 wurde Seemann wegen Drogenhandels verhaftet und wenig später enttarnt.
Unter anderem durch Seemann hatte der Verfassungsschutz Kenntnis über die Bildung einer zirka sieben Personen umfassenden Combat 18-Zelle in Dortmund um die Jahre 2003/2004 und deren Bestrebungen sich zu bewaffnen und Sprengstoff zu besorgen. Einer, der die Szene mit Schusswaffen belieferte, war der V-Mann Seemann. Während Seemann aktuell unter neuen Personalien in Deutschland lebt, stieg Schmiemann nach seiner Haftzeit schnell in der neuen C18-Organisation auf. Er trägt als Tätowierung auf seinem Bein den Schriftzug „Brüder schweigen — whatever it takes — C18“ und auf seinem Kehlkopf ein Wappen mit zwei gekreuzten Stabhandgranaten, heute das Organisationsabzeichen der Arischen Bruderschaft.
Unter den Augen der Behörden
Die organisatorische Neustrukturierung von Combat 18 in Europa fand zu einem absurden Zeitpunkt statt. Nicht einmal ein halbes Jahr nach der Selbstenttarnung des NSU, als neonazistische Strukturen mit sehr viel Aufmerksamkeit zu rechnen hatten, arbeiteten bekannte deutsche Neonazis an einem internationalen Netzwerk des bewaffneten Arms der Blood & Honour-Bewegung und propagierten offen den „Rassenkrieg“. Die NSU-Untersuchungsausschüsse in NRW und Hessen beschäftigen sich genau mit diesen Strukturen. Insbesondere in NRW wurden etliche Erkenntnisse zu Tage gebracht, die die Gefährlichkeit der Gruppe bestätigen. Die Verfassungsschutzbehörden wissen seit vielen Jahren um die Strukturen, sind aber damit beschäftigt, Combat 18 öffentlich klein zu reden und zu verharmlosen. Im Landtag NRW sagte der Verfassungsschutz-Abteilungsleiter Burkhardt Freier aus, man habe die Einschätzung vertreten, dass es sich bei Combat 18 um „Maulhelden“ handelt, die sich nur wichtig machen wollen. Strukturen von C18 könne man erst seit kurzem erkennen. Er bezeichnete Röske als „Kopf“ von C18 und verwies damit das Problem in Richtung Hessen. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) teilt weiterhin diese Einschätzung. Die Existenz von deutschen C18-Zellen sei nur vorgegeben worden, so der Geheimdienst. „Zielgerichtete Bestrebungen, C18 als ‚bewaffneten Arm‘ von B&H in Deutschland zu implementieren“, habe es nie gegeben, heißt es in einem BfV-Newsletter von 2017. Den Mitgliedern von C18 wird zwar ein „prinzipielles Gefährdungspotenzial“ zugeschrieben, aber „etwaige Radikalisierungstendenzen“ müssten nicht notwendigerweise die Gesamtorganisation betreffen: „Es besteht auch die Möglichkeit, dass sich Einzelpersonen durch die Ideologie von C18 insoweit indoktrinieren lassen, dass sie mit schweren rechtsextremistischen Gewalttaten in Erscheinung treten.“ Der Tenor seitens der Behörden ist klar: Es handelt sich definitiv nicht um Terrorismus, und für den Fall, dass doch jemand losschlägt, ist das die Tat eines Einzelnen, die nichts mit der Organisation und schon gar nichts mit rechtem Terrorismus zu tun habe. Dazu passt ins Bild, dass bezüglich C18 keine Ermittlungen wegen der Bildung einer kriminellen bzw. terroristischen Vereinigung eingeleitet wurden.
Zumindest die Sektion von Stanley Röske organisiert sich nicht klandestiner als ein Kaninchenzüchterverein und organisiert gleichzeitig Schießtrainings im Ausland. Die Erkenntnisse über die V-Leute-Praxis der Geheimdienste und die Aussagen über C18 Deutschland legen einen Schluss nahe: die Struktur ist bis zur Spitze mit V-Leuten durchsetzt und seitens der Behörden gibt es kein Interesse an der Zerschlagung der Gruppe. Möglich ist gar, dass es sich bei Combat 18 Deutschland um einen „Honeypot“ der Geheimdienste handelt, der installiert wurde, um militante Strukturen europaweit anzuziehen und vermeintlich kontrollierbar zu halten.
Der Verdacht, der sich aufdrängt: Während die parlamentarische Aufarbeitung zumindest zu Teilen bemüht ist, gegen den Widerstand der Behörden Licht ins Dunkel des NSU-Komplexes zu bringen, bauen die Behörden augenscheinlich am nächsten tödlichen Nazinetzwerk. Combat 18 hat von den Behörden in Deutschland nichts zu befürchten und so treten sie auch auf. Ein aktuelles Beispiel bietet dafür der Angriff auf zwei Journalisten im April 2018 nahe Thorsten Heises Anwesen im thüringischen Fretterode. Heises rechte Hand, Gianluca Bruno, sowie Heises Sohn verfolgten die beiden mit dem Auto, zerschlugen den PKW der Journalisten, entwendeten ihre Kamera und griffen sie mit Messer, Baseballschläger und Schraubenschlüssel an. Dabei verletzten sie beide Journalisten. Nach dem Angriff gab es eine halbherzig durchgeführte Durchsuchung von Heises Anwesen. Obwohl die Journalisten der Polizei Fotos der unvermummten Angreifer vorlegten und wegen Mordversuches Anzeige erstatteten, erfolgten keine Festnahmen. Das Göttinger Tageblatt vermerkte deshalb im Juni: „Selten hat ein Fisch so vom Kopf gestunken und man kann sich des Eindrucks kaum erwehren, dass das LKA die Ermittlungen nur übernommen hat, um die Täter zu schützen.“
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Anmerkung:
Der Artikel basiert auf aktuellen Recherchen der Gruppe EXIF — Recherche & Analyse. Einen Teil dieser Erkenntnisse hat die LOTTA-Redaktion in gekürzter und überarbeiteter Fassung dargestellt.