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Smartphones

Genoss*innen in der Hosentasche?

Smartphones sind aus unserem (politischen) Leben nicht mehr wegzudenken. Einerseits praktische Helferlein für Alltag und politische Organisierung, sind sie gleichzeitig das Schweizer Taschenmesser für Abhörmaßnahmen und Massenüberwachung. Wie also damit umgehen?

Mitte der 2000er Jahre wurden erstmals für Demonstrationen sogenannte Ticker eingesetzt, um für Teilnehmer*innen von Gegenaktivitäten (meist gegen Naziaufmärsche) abrufbare Informationen zur Verfügung zu stellen und somit die klassischen Infotelefone zu entlasten. Dank WAP, einem speziellen Protokoll zur Datenübertragung, konnte — etwa mit der grauen Nokia-Banane — eine minimale Website abgerufen werden. Schon damals zeichnete sich ab, dass mit mehr und gezielteren Informationen auf das Demonstrationsgeschehen positiv Einfluss genommen werden konnte. Am Anfang der digitalen Kommunikation bei linken Aktionen stand damit unter anderem die Idee, qualitativ hochwertigere Informationen breiter streuen zu können und alternative Quellen zur Polizeipresse zu bieten — auch für die klassischen Medien und deren Reporter*innen.

Die Verbreitung von Smartphones und Kurznachrichtendiensten wie Twitter veränderte diese Situation noch einmal nachhaltig. Hatten Betreiber*innen von Tickern anfangs eine gewisse Informationshoheit für ihre Aktionen und konnten einigermaßen das Narrativ bestimmen, konkurriert man heute mit einer großen Zahl an Personen, die ihre Eindrücke und Deutungen der Geschehnisse und Informationen veröffentlichen. Nicht immer ist dabei sichergestellt, dass Informationen verifiziert und korrekt einsortiert sind. Meldungen mit Trendcharakter scheinen oft wichtiger als sachliche Einschätzungen der Lage. Doch das ist nur eine Ebene, auf der die Verfügbarkeit von Smartphones und die Möglichkeit, selbst Informationen zu publizieren, die Art und Weise unseres Umgangs mit Medien nachhaltig verändert hat. Mobiltelefone und gerade Smartphones bringen im alltäglichen Aktivismus weitere Herausforderungen mit sich. Und viele Vorteile digitaler Kommunikation werden durch negative Begleiterscheinungen relativiert.

Funkzellenabfragen bis Staatstrojaner

Knapp eine Million Verkehrsdaten und zirka 60.000 Bestandsdaten aus sogenannten Funkzellenabfragen wurden am 19. Februar 2011 in Dresden weitestgehend illegal von Ermittlungsbehörden erhoben und so nahezu alle Personen rund um das Demonstrationsgeschehen gegen den Naziaufmarsch erfasst. Mit neuen Möglichkeiten der Kommunikation und der Verfügbarkeit von Smartphones waren auch neue Begehrlichkeiten staatlicher Repressionsorgane entstanden. Deren bisheriger Höhepunkt war die Verschärfung der Strafprozessordnung im Sommer 2017. Mit den Stimmen der Großen Koalition wurde die Ausweitung des Einsatzes von Staatstrojanern beschlossen. Seither dürfen Ermittlungsbehörden in Smartphones eindringen, diese überwachen und Daten „beschlagnahmen“. Dazu müssen sie Sicherheitslücken in Apps und Betriebssystemen ausnutzen, unter anderem da Messenger wie Signal oder WhatsApp Ende-zu-Ende-Verschlüsselung verwenden.

Anbieter wie Google und Apple, aber auch Entwickler*innen von Apps haben somit eine besondere Verantwortung, die Daten der User*innen zu schützen und Sicherheitslücken zu vermeiden. Einige große Hersteller, insbesondere Apple, wehrten sich in der Vergangenheit medienwirksam dagegen, Hintertüren für staatliche Behörden einzubauen. Dies würde auch dem Interesse der globalen Konzerne schaden, ihre Produkte weltweit zu verkaufen. Für Deutschland besteht daher die begründete Hoffnung, dass den staatlichen Behörden keine Hintertür in die Betriebssysteme Android oder iOS bekannt ist. Damit bleibt diesen nur das eigenständige Aufspüren und Ausnutzen von Sicherheitslücken.

Glücklicherweise suchen aber auch andere Interessengruppen beständig nach solchen Sicherheitslücken. Wird eine Lücke bekannt, wird diese, in der Regel vom Hersteller, geschlossen. Dann ist zügiges Einspielen der Updates dringend geraten, denn bekannt gewordene Lücken werden für Einbrüche ins System verwendet. Deshalb sollten automatische Updates aktiviert werden. Gerade Besitzer*innen von Android-Geräten müssen zudem regelmäßig überprüfen, ob ihre Geräte noch Android-Updates erhalten. Denn leider nehmen die meisten Hersteller von Android-Smartphones die Sicherheit nicht besonders ernst und viele Smartphones bekommen bereits nach ein bis zwei Jahren keine Updates mehr. Bei geschlossenen Systemen wie iOS kommt noch hinzu, dass es im Gegensatz zu Android nicht möglich ist, transparent nachzuvollziehen und nachzuprüfen, ob es Schwachstellen gibt.

Passwort: 1312

Kaum ein Gerät hat in so kurzer Zeit das Verhalten der Menschen so nachhaltig verändert wie das Smartphone. Informationen sind immer und überall abrufbar, Nachrichten, Termine, Kontakte, Fotos, Navigation und Musik jederzeit in der Hosentasche. Doch diese Geräte sind hochleistungsfähige Computer voller Sensoren: neben den Kameras, Lautsprechern und Mikrofonen, Beschleunigungssensoren sowie GPS und Gyroskope zur Standortbestimmung. Und anders als Notebooks sind Smartphones dauerhaft angeschaltet und fast immer dabei. Damit sammeln sich auf ihnen Unmengen von Informationen und Daten, die nur darauf warten, entgegen der eigenen Interessen eingesetzt zu werden.

Gesichert sind Smartphones meistens mit einem Wischmuster, biometrischen Daten oder einem einfachen Code — bei Aktivist*innen gerne 1312 oder Ähnliches. Verschlüsselung der Telefone wird erst seit kurzer Zeit standardmäßig aktiviert, hilft jedoch im angeschalteten Zustand ohnehin nur begrenzt. Dennoch ist das kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Schon ein gutes Passwort, die Verwendung von Signal statt Whats-App, die Beschneidung von Zugriffsrechten einzelner Apps und regelmäßige Updates erhöhen die Sicherheit der Smartphones deutlich.

Leichtere und sicherere Kommunikation

Mit dem Einzug günstiger Smartphones sind für viele neue Möglichkeiten entstanden, zu kommunizieren, sich zu vernetzen und unabhängige Informationen zu erlangen. Mobilisierungen wie beim Arabischen Frühling 2010/11 wären ohne Smartphones undenkbar gewesen. Auch wenn sie nicht immer in Freiheit und Demokratie endeten, haben sie doch zu einer Ermächtigung von progressiven Kräften geführt und der restlichen Welt die Konflikte offen gezeigt.

Doch der Blick muss nicht in die Ferne gerichtet werden, um zu sehen, dass Smartphones auch in den eigenen politischen Strukturen zu Veränderung geführt haben. Wurde das Telefon früher (hoffentlich) nur in Notfällen genutzt, kann heute verschlüsselt via Jabber oder Signal kommuniziert werden. Die vielen Angriffsmöglichkeiten auf das Gerät sollten dabei nicht vergessen werden. Dennoch: eine einfach Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) durch Behörden reicht heute nicht mehr aus, um den Inhalt der Kommunikation mitschneiden zu können. Dazu sind schon wesentlich umfangreichere Überwachungstechniken nötig, die aufgrund von Kosten und Entdeckungsrisiko seltener eingesetzt werden. Das ist definitiv ein Fortschritt in der Absicherung unserer Kommunikation. Gleichzeitig besteht dadurch die Gefahr, leichtsinniger zu werden mit dem, was wir schreiben.

Der technologische Zugriff

Zum Schluss wollen wir noch einen Blick auf die gesamtgesellschaftliche Dimension von Smartphones werfen. Solche Technologien entstehen stets im Kontext konkreter gesellschaftlicher Verhältnisse und aufgrund konkreter Interessen ihrer Urheber*innen. Bei Smartphones etwa ist das kapitalistischen Interesse maßgeblich, weitere gesellschaftliche und persönliche Bereiche ökonomisch zugänglich und verwertbar zu machen.

Eine kritische Auseinandersetzung mit den sozialen und psychologischen Gefahren dieser Technologien steht noch am Anfang. Das gilt leider auch für linke Bewegungen und ihre Positionen dazu. Allzu oft wird der digitaltechnische Zugriff unkritisch als Fortschritt in der Entwicklung der Produktionsmittel befürwortet. Längst aber zeigen Studien, dass die damit einhergehenden Veränderungen im Gehirn (Zerstreuung durch ständige Ablenkung, sinkende Aufmerksamkeitsspannen, Verlust von Beurteilungsfähigkeiten durch erhöhtes Multitasking, Externalisierung von Erinnerung) zu tiefgreifenden Problemen führen können. Das lässt auch für das widerständige und sozialrevolutionäre Potential nichts Gutes vermuten.

Der digitaltechnische Zugriff auf Gesellschaft und Subjekte schreitet in atemberaubendem Tempo voran. Es ist dringend geboten, dazu linke Positionen und gegebenenfalls Widerstandsformen zu entwickeln. Wir selbst fangen damit gerade erst an.

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