Ende rechter Gewaltserie in Dortmund-Marten?

Untersuchungshaft für Steven Feldmann

Am 29. November 2018 wurde der 24-jährige Neonazi Steven Feldmann festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Parallel zur Festnahme Feldmanns erhielten zwei Neonazis in der Dorstfelder Siepenmühle sogenannte Gefährderansprachen. Damit dürften Dennis J. und Robin Z. gemeint sein, die gemeinsam mit Feldmann als neonazistische Clique in Dortmund-Marten eine aggressive Raumnahme betrieben und den Stadtteil als „Nazikiez“ proklamiert hatten.

Am 29. November 2018 wurde der 24-jährige Neonazi Steven Feldmann festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Parallel zur Festnahme Feldmanns erhielten zwei Neonazis in der Dorstfelder Siepenmühle sogenannte Gefährderansprachen. Damit dürften Dennis J. und Robin Z. gemeint sein, die gemeinsam mit Feldmann als neonazistische Clique in Dortmund-Marten eine aggressive Raumnahme betrieben und den Stadtteil als „Nazikiez“ proklamiert hatten.

Steven Feldmann wurde im Umfeld der Borussenfront sozialisiert. Schon als Jugendlicher setzte er seine seit Kindesbeinen gereifte Ideologie mit Gewalt gegen politische Gegner*innen in die Tat um. Als Annäherung an die organisierte Neonazi-Szene war er ab 2016 Teil des Freundeskreis Rechts (FKR, vgl. #70, S. 29). Der FKR stellte seine wenigen Aktivitäten Anfang 2018 ein, und zwei seiner Mitglieder — Feldmann und Robin Z. — nutzten ihre Anbindung an die Dorstfelder Kader, um sich stärker bei Die Rechte einzubringen. Feldmann trainiert in einem neonazistischen Kreis Kampfsport, zu dem unter anderem Christoph Drewer und Nico Bergmann gehören, die als Coach und Kämpfer beim letzten Kampf der Nibelungen teilnahmen (vgl. S. 22 in dieser Ausgabe).

Eine Serie der Gewalt

Kam es in Dortmund in den vergangenen Jahren zu rechten Gewalttaten, war meist auch Feldmann beteiligt. Anlass für den Haftbefehl war schlussendlich ein Angriff auf einen Migranten im August 2018, den Feldmann antiziganistisch beleidigt, ihm das Handy geraubt und ihn mit Faustschlägen und Tritten verletzt hatte, sowie zwei weitere Taten. Feldmann war seit Jahren Teilnehmer fast jeder neonazistischen Demonstration und Kundgebung in Dortmund, nahm auch an Demonstrationen in anderen Städten teil, provozierte und attackierte immer wieder Menschen, die nicht in sein Weltbild passen. Im Oktober 2017 fuhr er mit etwa 30 Neonazis — unter anderem aus Dortmund, Gütersloh und Hamm — nach einem gemeinsamen Besäufnis nach Lippstadt zum Fußballspiel gegen Hamm, wo die Gruppe zunächst mit rechten Sprechchören und Flaggen in Erscheinung trat und anschließend versuchte, den Platz und den gegnerischen Block zu stürmen.

Im April 2018 griff Feldmann gemeinsam mit anderen Rechten bei einem Badetag am Dortmund-Ems-Kanal drei Schwarze Menschen mit Straßenpollern und Ästen an. Die Neonazis verfolgten die drei Fliehenden und schlugen und traten auf sie ein. Als der rechte Mob in Chemnitz tobte, war Feldmann ebenfalls vor Ort. Er und einige andere organisierte Dortmunder Neonazis bildeten eine Art Greiftrupp, der am Rande des Mobs koordiniert Journalist*innen und Nicht-Weiße jagte und angriff. Zuletzt öffentlich aufgetreten ist Feldmann im November 2018, als er gemeinsam mit anderen Dorstfelder Neonazis das Gedenken an die Reichs­pogromnacht störte.

Offene Bewährungsstrafen

Auffällig ist, dass ihm Repression völlig egal zu sein scheint, da er nach Angriffen mehrmals gelassen am Tatort blieb, bis die Polizei eintraf. Feldmann setzte bei seinen Angriffen wiederholt Waffen, unter anderem einen Teleskop-Schlagstock, ein. 2014 wurde er zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und drei Monaten auf Bewährung verurteilt. Damals umfasste sein Vorstrafenregister unter anderem Beleidigung, Bedrohung, Diebstahl, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Körperverletzung, gefährliche Körperverletzung, Nötigung, schwere räuberische Erpressung und Volksverhetzung. Im Mai 2017 erhielt er dann erneut eine zehnmonatige Bewährungsstrafe wegen Volksverhetzung, Körperverletzung und Beleidigung. Möglicherweise folgt der aktuellen Untersuchungshaft also eine Haftstrafe ohne Bewährung.

Raumkampf in Dortmund-Marten

Spätestens 2016 startete Feldmann gemeinsam mit Robin Z., Dennis J. und anderen in Dortmund-Marten einen neonazistischen Raumkampf. Dennis J. saß bereits eine längere Haftstrafe wegen eines Messerangriffs auf einen Schwarzen Menschen ab. Die drei Neonazis traten dabei oft als Trio auf. „Das ist unser Kiez“, proklamierten sie bei mehreren Angriffen. Durch Plakatieren und Stickern machten sie massiv rechte Propaganda in Marten und beschallten von einer Wohnung aus die Straße mit RechtsRock — bis der Vermieter sie wegen ihrer Gesinnung auf die Straße setzte. Offenbar zogen die drei daraufhin in eine der neonazistischen Wohngemeinschaften in Dorstfeld.

Bei derjenigen Demonstration in Marten, die wegen der Sprechchöre „Wer Deutschland liebt, ist Antisemit“ mediale Aufmerksamkeit bekam, stand Steven Feldmann auf einem Garagendach und zündete Pyrotechnik — ohne polizeiliche Konsequenzen. Das Martener-Trio ist auch verantwortlich für drei antisemitische Angriffe auf einen jüdischen Dortmunder Anfang des Jahres — der Gipfel einer tagtäglichen Schikanierung des Betroffenen über Monate. Noch kurz vor der Razzia war Feldmann an der Bedrohung, Beleidigung und Tritten gegen zwei als Linke wahrgenommene Passan­t*innen und zweier BVB-Fans wegen eines Aufnähers beteiligt.

Was ist von der Inhaftierung zu halten?

Die Journalistin Heike Kleffner sprach bei einem Vortrag 2012 in Dortmund über Gefängnisse als Kaderschmieden oder Ausstiegssprungbretter für Neonazis. Sie schloss aus der in Gefängnissen immanenten männlichen Dominanz und Gewalt sowie der/des dort häufig auftretenden Homophobie und Rassismus, dass Neonazis in Knästen oft auf ähnliche ideologische Haltungen und Strukturen treffen wie „draußen“. Neonazis können nicht selten auf stabile eigene Unterstützungsnetzwerke aus Familie, Freund*innen und anderen Neonazis vertrauen, die sie während ihrer Haftzeit weiterhin an die Szene und ihre Gesinnung binden. Ein Ausstieg ist laut Kleffner nur möglich, wenn die inhaftierten Neonazis die Haftzeit als Chance sehen, den Ausstieg eben dort zu beginnen und hierfür vor Ort eine feste Ansprechperson haben, die sie unterstützt. Davon ist bei Feldmann sicherlich nicht auszugehen.

Rechte Solidarität

Die von der Dortmunder Die Rechte ständig aktualisierte Homepage Dortmund­Echo rief noch am Morgen der Inhaftierung zur Solidarität mit Feldmann auf und kündigte Aktionen an. Neben an Feldmann gerichtete Briefe von „Kameraden“ aus ganz Deutschland zählen hierzu auch zwei rechte Solidaritätsdemonstrationen mit 150 bzw. 80 Neonazis sowie ein Infostand der Aktionsgruppe Dortmund West. Überregional erschienen Banner und Graffiti, in Budapest demonstrierten zwölf Neonazis vor der deutschen Botschaft. Es ist davon auszugehen, dass die Neonazi-Szene auch für etwaige Kosten, die aus der Festnahme, Verurteilung und Inhaftierung resultieren, aufkommt. Und sich nach der Entlassung Feldmanns um ihn kümmert. All das sind deutliche Signale nicht nur an die eigene Szene, dass rechte Täter*innen als Held*in­nen zu feiern sind und nicht allein gelassen werden, sondern vor allem an Feldmann, dabei zu bleiben. Ein unauffälliger Ausstieg ist für jemanden, den die rechte Szene zum Märtyrer stilisiert, nicht zu machen. Sollte eine Haftstrafe an die Untersuchungshaft anschließen, ist es weitaus wahrscheinlicher, dass Feldmann nach seiner Entlassung in der Szene-Hierarchie aufsteigen wird.

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