„Mission completed“

AfD zieht in den hessischen Landtag ein

Der Einzug der AfD in den hessischen Landtag stellte keine Überraschung dar. Vielmehr wurden die Prognosen und Trends im Wesentlichen bestätigt. Die AfD muss dabei als Wahlgewinnerin betrachtet werden. Das Personal, das nun in den hessischen Landtag einzieht, ist weitestgehend unerfahren und weist mehrere personelle Schnittstellen zur extremen Rechte auf.

Der Einzug der AfD in den hessischen Landtag stellte keine Überraschung dar. Vielmehr wurden die Prognosen und Trends im Wesentlichen bestätigt. Die AfD muss dabei als Wahlgewinnerin betrachtet werden. Das Personal, das nun in den hessischen Landtag einzieht, ist weitestgehend unerfahren und weist mehrere personelle Schnittstellen zur extremen Rechte auf.

Mit dem Einzug in den hessischen Landtag ist die AfD nun in allen Landesparlamenten vertreten. Nachdem sie zwei Wochen zuvor bereits in den bayerischen Landtag eingezogen war, erreichte sie bei der Wahl am 28. Oktober 2018 in Hessen 13,1 Prozent der Stimmen und kann somit 19 Abgeordnete in den Landtag entsenden. Im Gründungsjahr 2013 hatte es mit 4,1 Prozent noch nicht zum Einzug in den Landtag gereicht, im Vergleich zur Bundestagswahl 2017 verbesserte sich die AfD in Hessen aber lediglich um etwa ein Prozent.

Hinter dem Wahlergebnis verbergen sich große geografische Unterschiede: Überdurchschnittliche Ergebnisse erzielte die Partei vor allem im Osten Hessens, wo in neun Wahlkreisen Ergebnisse zwischen 15,6 und 18,2 Prozent erlangt wurden. Ihr höchstes Ergebnis fuhr sie mit 18,2 Prozent im Wahlkreis Fulda II ein. Hier liegt auch die Gemeinde Neuhof, die bereits bei vergangenen Wahlen die Hochburg der AfD war (siehe Lotta #72, S. 24) und in der die Partei nun erneut den landesweiten Spitzenwert erreichte, diesmal mit 24,3 Prozent.

Das zweitbeste Ergebnis erzielte die AfD in Hirzenhain (Landkreis Wetterau) mit 23,3 Prozent. Im Gegensatz zu Neuhof erlangte dort keine der anderen Parteien mehr Zweitstimmen, somit wurde die AfD sogar zur stärksten Kraft. AfD-Direktkandidat in Hirzenhain war der „neurechte“ Akteur Andreas Lichert (vgl. Lotta #68, S. 44). Lichert fehlten am Ende nur knapp zwei Prozent, sonst hätte die AfD auch die meisten Erststimmen auf sich vereinen können. Im gesamten Wahlkreis fiel das Ergebnis nicht ganz so eng aus, die hessische Landesministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten, Lucia Puttrich (CDU), erreichte einen Vorsprung von 12 Prozent der Erststimmen gegenüber Lichert. Bei den Zweitstimmen lag die CDU 9 Prozent vor der AfD.

Darüber hinaus erzielte die AfD in zwölf weiteren Gemeinden Ergebnisse jenseits der 20 und in zwölf Wahlkreisen jenseits der 15 Prozent. Am schwächsten schnitt sie in den Großstädten ab, dort erlangte sie etwa 10 Prozent. Es kann grob gelten: je kleiner die Gemeinde, desto besser das AfD-Ergebnis. Im Durchschnitt erreichte die AfD in großen und mittelgroßen Städten zusammen 12 Prozent, in Kleinstädten 14 Prozent und in den Dörfern 15 Prozent. Die schlechtesten Zweitstimmenergebnisse sind dennoch gut verteilt. Am wenigsten Stimmen fuhr sie mit 7,5 Prozent in der Universitätsstadt Marburg ein, gefolgt von Kiedrich (Rheingau-Taunus-Kreis). In der 4.080-Personen-Gemeinde erlangte die AfD nur 8,6 Prozent. Ebenso in der Gemeinde Mühltal bei Darmstadt, auch in Kronberg im Taunus, wo die FDP eines ihrer besten Ergebnisse einfuhr, reichte es für die AfD nur zu 8,9 Prozent. Auch im Stadtgebiet Frankfurt blieb die Partei einstellig, dort wählten sie 9 Prozent der Wähler_innen.

Das Ergebnis in Hessen liegt etwas unter dem Bundestrend, momentan werden der AfD, je nach Wahlforschungsinstitut, zwischen 14 und 18 Prozent bei der „Sonntagsfrage“ zugeschrieben. Das Ergebnis der Landtagswahl in Bayern, bei der die AfD 10,2 Prozent erreichte, ist kein geeigneter Vergleichswert, da in Bayern mit den Freien Wählern eine weitere Partei in direkter Konkurrenz zur AfD antrat. Auch für die im kommenden Jahr anstehenden Landtagswahlen in Thüringen, Brandenburg und Sachsen dürfte das Ergebnis kein Gradmesser sein, zu unterschiedlich ist die politische Landschaft in den Bundesländern. In den drei östlichen Ländern wird der AfD bis zu 20 Prozent und mehr prognostiziert, was sie in den betreffenden Landtagen zur zweitstärksten Fraktion anwachsen lassen könnte.

Wahlkampf mit lustlosem Spitzenkandidaten

Im Wahlkampf hatte die AfD in ganz Hessen mit diversen Veranstaltungen versucht, Wähler_innen zu erreichen. Zu den zentralen Veranstaltungen des Landesverbandes wurde gleich mehrfach Parteiprominenz wie Alice Weidel, Beatrix von Storch, Alexander Gauland oder auch Jörg Meuthen eingeladen. Auch Personen aus der „zweiten Reihe“ wie Andreas Kalbitz, Uwe Junge oder Leif-Erik Holm traten mehrfach auf.

Eine geplante Veranstaltung mit André Poggenburg fiel hingegen aus, nachdem das Verwaltungsgericht Darmstadt den Eilantrag des AfD-Kreisverbandes Darmstadt-Dieburg auf Überlassung der Mehrzweckhalle im Groß-Umstädter Stadtteil Wiebelsbach abgelehnt hatte, da es „keine Möglichkeiten [gebe], entsprechend adäquate Sicherheitsvorkehrungen zu treffen“. Eine Veranstaltung mit mehreren Kandidaten aus den Wahlkreisen Werra-Meißner und Hersfeld-Rotenburg, bei der auch der thüringische Landessprecher Björn Höcke auftrat, wurde vom Landesverband hingegen nicht beworben. Offenbar passte sie nicht in das Konzept, sich als gemäßigter Landesverband zu präsentieren.

Die AfD in Hessen hat aber nicht nur zugelegt, sondern insbesondere auf der Zielgeraden auch verloren. Zeitweise stand die Partei in Umfragen bei bis zu 16 Prozent. Doch gerade der Spitzenkandidat der Hessen-AfD, Rainer Rahn, machte zuletzt einen lustlosen und unmotivierten Eindruck. Auf der Frankfurter Buchmesse wirkte er im Gespräch mit der Jungen Freiheit teilweise gereizt, bei einer Sendung des Hessischen Rundfunks gab er gar an, das Konzept der Sendung „Scheiße“ zu finden und nur auf Wunsch des Landesvorstands teilzunehmen. Letztendlich bewirkte er sogar den Abbruch der Sendung. Zudem gab der Landesvorstand den Kandidat_innen die Empfehlung, nicht an einem „Wahlcheck“ des Hessischen Rundfunks teilzunehmen.

Unerfahrenes Personal

Neben Karl Hermann Bolldorf, der 18 Jahre lang CDU-Bürgermeister der Gemeinde Biedenkopf war, ist Rahn allerdings einer der wenigen, die bereits über nennenswerte Parlamentserfahrung verfügen. Die meisten derer, die nun für die AfD in den Landtag einziehen werden, haben wenig Erfahrung in Parlamenten gesammelt und waren bisher nur wenige Jahre auf Kommunal- oder Kreisebene tätig. Rahn allerdings ist seit 16 Jahren — in verschiedenen Fraktionskonstellationen — Mitglied der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung. Allerdings missfiel sein Auftreten im Wahlkampf auch der künftigen Fraktion, so dass er trotz seiner Erfahrung nicht für den Fraktionsvorsitz in Frage kommt und auch nicht in den „Gründungsvorstand“ berufen wurde, der für die Bildung der Fraktion zuständig ist.

Wie die Frankfurter Rundschau berichtete, soll nun der AfD-Landessprecher Robert Lambrou Fraktionsvorsitzender werden. Als Stellvertreter sind demnach der Co-Vorsitzende Klaus Herrmann sowie Volker Richter und Nikolaus Pethö im Gespräch. Herrmann und Pethö repräsentieren neben Dirk Gaw den Anteil der (ehemaligen) Polizisten in der Fraktion. Auffällig viele der Bewerber für die Liste zur Landtagswahl seien laut Pethö (ehemalige) Polizisten gewesen. Laut Lambrou will die AfD die „Lobby der Polizei“ sein.

Eine exponierte Rolle im Landtag wird auf jeden Fall Rolf Kahnt einnehmen. Da der hessische Landtag im Gegensatz zum Bundestag seine Satzung nicht ändern wird, wird Kahn als ältester Abgeordneter automatisch Alterspräsident. Der 73-Jährige hatte ebenso wie sein künftiger Fraktionskollege Arno Enners 2015 die „Erfurter Resolution“ des völkischen „Flügels“ um Björn Höcke unterschrieben und war im gleichen Jahr als damaliger Landessprecher mitverantwortlich dafür, dass der rechte Flügel innerhalb des Landesverbands den Richtungsstreit für sich entscheiden konnte.

Verstrickungen mit der extremen Rechten

Im Vorfeld der Wahl wurde vor allem und immer wieder der „neurechte“ Andreas Lichert benannt, wenn es um die Verstrickungen der hessischen AfD mit der extremen Rechten ging. Lichert hatte scheinbar schon vor der Wahl damit angefangen, seine Verhältnisse zu klären. So gab er den Vorsitz des Trägervereins des Instituts für Staatspolitik ab — und auf der Homepage der Titurel Stiftung ist er ebenso nicht mehr zu finden. Letztere hatte noch beim Hauskauf in Halle (vgl. Lotta #68, S. 44) eine wichtige Rolle gespielt, und Lichert war als deren Vertreter aufgetreten. Die Verbindung mit der Adam-Kuckhoff-Straße in Halle ist dennoch sichtbar. So ist Lichert Geschäftsführer von Mosaik-Kommunikation. Dieses Medienbüro gehört zur Lichert GmbH und hat seinen Sitz laut Homepage in der Adam-Kuckhoff-Straße in Halle

Lichert werden zudem Verbindungen zu (extrem) rechten Burschenschaften nachgesagt. Dies dürfte nicht zuletzt seinem Auftritt als Referent bei der Marburger Burschenschaft Germania geschuldet sein. Mit eben diesem Milieu ist auch Licherts zukünftiger Fraktionskollege Frank Grobe aus dem südhessischen Eltville verwoben. Grobe ist „Alter Herr“ der Teutonia Aachen, die im Dachverband Allgemeine Deutsche Burschenschaft organisiert ist. Hier ist er auch Redakteur der Verbandszeitschrift Der Burschenschafter. Des Weiteren ist Grobe im Vorstand der DB-nahen Gesellschaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung e.V. (GfbG), deren Geschäftsstelle bei Grobe in Eltville angegeben wird. Bevor die Teutonia Aachen aus der Deutschen Burschenschaft austrat, veröffentlichte Grobe auch in deren Verbandszeitschrift Burschenschaftliche Blätter zahlreiche Artikel und beteiligte sich 2010/11 an der Ausarbeitung eines Strategieprogramms der „Deutschen Burschenschaft“. Darüber hinaus veröffentlichte er für die Jahre 2010 und 2011 die Dokumentation „Gewalt gegen Korporationen“. Im „Gründungsvorstand“ der zukünftigen AfD-Fraktion fungiert Grobe als Parlamentarischer Geschäftsführer.

Den ersten Eklat gab es bereits wenige Tage nach der Landtagswahl. Alexandra Walter aus Rüsselsheim, die neben der Windkraftgegnerin Claudia Papst-Dippel die einzige Frau in der Fraktion ist, wurden einige Facebook-Kommentare zum Verhängnis. Sie hatte Beiträge veröffentlicht, in denen Kriegsverbrechen der Wehrmacht geleugnet und Sympathien für ein ehemaliges Mitglied der Waffen-SS geäußert wurden. Diesen habe sie „bei einer Vortragsveranstaltung hören dürfen. Ein toller Mensch, der viel zu erzählen hat.“ Die AfD versuchte zunächst, nicht viel Aufhebens um die Sache zu machen und gab an, das Ganze prüfen zu wollen. Anfang Dezember 2018 hieß es dann, Walter drohe ein Ordnungsverfahren.

Ausblick

In den vergangenen Jahren und insbesondere im Wahlkampf versuchte sich der hessische AfD-Landesverband immer wieder, als gemäßigt zu stilisieren. Das Wahlprogramm hingegen widersprach dieser Selbstverortung. Insbesondere die Themen Migrationspolitik, Islam und „Ausländerkriminalität“ zogen sich durch das komplette Programm. Außerdem fordert die AfD im Programm als Grundlage der Staatsbürgerschaft das „Abstammungsprinzip“.

Die künftige AfD-Fraktion wirkt auf den ersten Blick heterogen. Neben den erwähnten Abgeordneten werden einige unerfahrene Protagonisten im Landtag sitzen, die bisher kaum auffällig wurden oder sich im Reproduzieren der in der Partei üblichen Phrasen übten. Wie sich die AfD im Landtag dann letztendlich präsentieren wird und ob es gelingen wird, über die gesamte Legislaturperiode die Fraktion trotz der unterschiedlichen Charaktere zusammenzuhalten, bleibt abzuwarten.

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