Politisches Influencing
Die „Identitären“ bei „Instagram“
Selbstdarstellerisch, oftmals übertrieben und vor allem extrem beliebt — Instagram feiert Erfolge wie zuvor nur Facebook. Der 2010 gegründete Online-Dienst ermöglicht es seinen Nutzer*innen, Fotos und kurze Videos hochzuladen und diese mit Hashtags oder Kommentaren zu versehen. Gerade in der Zielgruppe der unter 30-Jährigen ist Instagram, das 15 Millionen deutsche Accounts aufweist, äußerst beliebt. Die „Identitären“ nutzen den Dienst mit großem Erfolg.
„Ich folge ihr auf Instagram“ hat die Aussage „Wir sind auf Facebook befreundet“ längst auf der Coolness-Skala überholt. Mit nur einem Klick werden ganze Tagesabläufe mehr oder weniger fremder Menschen in Bildformat auf die eigene Startseite gespült. „Folgt“ man Personen auf Instagram, informiert die App ohne große Mühen über die Aktivitäten und neuen Postings der Profilinhaber*innen. Smartphone sei Dank kann jederzeit und ganz spontan ein eigener Schnappschuss hochgeladen werden — zumindest soll dieser Eindruck vermittelt werden. Bilder vom Einkauf und dem frisch zubereiteten Essen jagen „Duckface-Selfies“ und Aufnahmen von der neuen großen Liebe. Mitten aus dem Leben der Nutzer*innen soll es sein und doch finden häufig nur gut inszenierte und stark bearbeitete Fotos ihren Weg in den jeweiligen Account. Dank der Filter-Option der App wird auch das langweiligste Selfie zum Hingucker.
Instagram ist eine Plattform der Selbstdarstellung und Selbstvermarktung, die von Extremen lebt und gleichzeitig das ganz normale Leben der Nutzer*innen einzufangen versucht. Was als kurzer Schnappschuss tituliert wird, hat in Wahrheit die letzte halbe Stunde der Instagram-affinen Person eingenommen und zeigt deshalb nur einen selbstgewählten Ausschnitt der Persönlichkeit. Es sind immer nur diese Einblicke, die den Follower*innen gewährt werden sollen. Es geht um bewusste Inszenierungen, die jedoch den Eindruck erwecken sollen, als Follower*in Anteil am Leben der Anderen zu haben.
Genau diesen Umstand macht sich die Identitäre Bewegung (IB) zunutze. Der Online-Dienst bietet ihrer Selbstinszenierung als „hippe Jugendbewegung“ dabei ungewollt Schützenhilfe. In Tradition der „Neuen Rechten“ stehend verwenden die „Identitären“ viel Energie darauf, der alten Leier einen neuen Anstrich zu geben. Für diese vermeintliche rechte Generalüberholung ist Instagram genau das passende Medium und es verwundert kaum, dass mehrere „identitäre“ KaderInnen ihre Profile rege bespielen.
Erklärtes Ziel der Neuen Rechten ist es, den Mainstream zu unterwandern, um so die eigenen Themen zu setzen und die gesellschaftliche Wirkmächtigkeit zu erhöhen. Sie beabsichtigen im „Kulturkampf von Rechts“ die Hegemonie zu gewinnen. Die „Identitären“ versuchen sich in vielfältigen Lebensentwürfen, Berufen, ja sogar Geschlechterbildern zu inszenieren und so ein breites Publikum anzusprechen und Gehör für ihre politischen Ziele zu finden. Instagram bietet für dieses Vorhaben eine nicht zu unterschätzende Plattform.
Rechtes „Influence Marketing“
Auf den ersten Blick unterscheidet sich das Instagram-Profil der IB-Aktivistin Melanie Schmitz kaum von dem einer anderen Mitt-Zwanzigerin, wären da nicht die mal mehr, mal weniger unterschwelligen politischen Botschaften. Sie zeigt sich beim Kochen, beim Kaffeetrinken am Morgen, beim verträumten Tanzen im Garten oder beim Turteln mit ihrer jeweiligen Liebschaft. Durch die geposteten Bilder und die dazugehörigen Kommentare lässt sie ihre Follower*innen an ihrem Leben, viel wichtiger aber: an ihren Stimmungen teilhaben. Die ausgedrückten Emotionen und alltäglichen Erlebnisse sollen dabei Nähe herstellen und die Botschaft vermitteln, nicht anders zu sein als die Follower*innen.
Um die eigenen Inhalte möglichst effektiv zu verkaufen, werden diese nicht nur monoton referiert, sondern in die Persönlichkeiten der AktivistInnen eingewoben. Diese, vor allem aus Marketing-Abteilungen von Wirtschaftsunternehmen bekannte Strategie des „Influence Marketing“ setzt auf Vertrauen und Sympathie, die eine zukünftige Kundschaft den Influencer*innen entgegenbringt und so zugänglich für die Vermarktung der eigenen Produkte macht. Die „Identitären“ machen sich diese Marketing-Strategie für ihre politischen Zwecke zunutze. Gerade weibliche Aktivistinnen verfolgen das Ziel, zu politischen Influencerinnen zu werden und dadurch insbesondere die geschlechterkonservativen Ansichten der „Identitären“ zu propagieren.
Kein „Gender Trouble“ auf Instagram
Auffällig häufig sind vor allem weibliche Aktivistinnen auf Propaganda-Bildern der IB zu sehen. Sie sollen dabei die „Schönheit des Eigenen“ demonstrieren und Lockmittel und Anreiz für männliche Personen sein, die mit den „Identitären“ liebäugeln. Zusätzlich nutzen sowohl die männlichen als auch weiblichen „Identitären“ ihre Profile, um Werbung für Merchandise-Artikel zu machen, sowie zur Generierung von finanziellen Mitteln über Spendenaufrufe. Die Kategorie Geschlecht ist ein maßgebliches Moment in der Herausbildung der eigenen Identität im „identitären“ Denken.
Die „natürliche“ Polarität von Mann und Frau und deren Fähigkeit gemeinsam Kinder zu bekommen, sind grundlegend und erzeugen eine „Essenz des Weiblichen“ (so die Politikwissenschaftlerin Judith Goetz) bzw. „Männlichen“. Dieser Umstand ist identitätsbestimmend und gegen die Verunsicherung und Angriffe auf die vermeintliche „Naturhaftigkeit“ zu verteidigen. Schuld am Untergang „soldatischer Männlichkeit“ und „natürlicher Weiblichkeit“ ist selbstredend der Feminismus. Die „Identitären“ fordern, dass sich Frauen erneut ihrer Weiblichkeit bewusstwerden müssten, um Stolz empfinden zu können.
Während auf der sozialen Ebene ein Wandel und eine Modernisierung des Geschlechterbildes durchaus — auch aus strategischen Gründen — anerkannt wird, halten die „Identitären“ an einer biologisch determinierten Unterschiedlichkeit von Mann und Frau fest. Daraus resultieren klare Rollenzuschreibungen. Frauen kommt dabei nach wie vor die Rolle der Mutter und Männern die des starken Beschützers zu. Für den ersehnten männlichen Kampfgeist steht beispielhaft das Instagram-Profil des Leipziger IB-Aktivisten Alexander Kleine. Er zeigt sich häufig in der freien Natur, trägt enganliegende Shirts, die die durchtrainierten Oberarme betonen sollen. Aufnahmen von ihm beim Holzhacken vervollständigen das Bild des martialischen Naturburschen. In perfekter Ergänzung inszeniert sich Ingrid Weiss, IB-Aktivistin und Partnerin von Kleine, als sorgende Mutter und herausragende Köchin — sowohl auf ihrem persönlichen Profil als auch dem ihres Projektes European Kitchen.
Neben dem Ideal der Mutter wird gerade von den „Identitären“ auch das der Kampfgefährtin an der Seite ihres männlichen Kameraden propagiert. Rechte Frauen, die sich selbstbewusst und eigenständig präsentieren und damit aus dem Schatten der Männer heraustreten, müssen sich immer wieder auf andere Art und Weise auf die grundlegenden ideologischen Überzeugungen beziehen. Diese Dynamik zwischen der Einhegung feministischer Versatzstücke in das Selbstbild von rechten Frauen und der starken ideologischen Rückbindung scheint grundlegend für die Zugehörigkeit von Frauen in der extremen Rechten, die nicht dem klassisch propagierten Bild des ‚Heimchen am Herd‘ entsprechen (wollen).
Auch dabei machen sich die „identitären“ Frauen Instagram zunutze. Die laut, aggressiv und kämpferisch auftretende Schmitz beispielsweise zeigt sich auf ihrem Profil auf zahlreichen Fotos verführerisch blickend, leicht bekleidet posierend oder lasziv auf dem Bett räkelnd. Mit der sexualisierten Darstellung ihrer Weiblichkeit und der Betonung vermeintlich ‚typisch weiblicher‘ Eigenschaften konterkariert sie ihre Vorwitzigkeit gegenüber den männlichen Kameraden. Ein stark geschminktes Selfie hier, eine Vogelrettungsaktion dort und zwischendrin einige Fotos des Liebsten, um auch die heterosexuelle Norm klar zu setzen. Die Weiblichkeitsbilder der „Identitären“ sind divers und so sind sowohl Frauen, die einem klassischen Ideal nacheifern und hinter den männlichen Kameraden zurücktreten, zu finden, als auch die stark und selbstbewusst auftretenden Aktivistinnen. Bei allen Unterschieden berufen sie sich jedoch alle auf ihre ‚weibliche Essenz‘ und betonen diese, wo es nur möglich ist.
Die Bildsprache des Mediums Instagram hilft dabei, diese Essenz in Form einer körperlichen Präsenz zu demonstrieren. Die Zurschaustellung von männlichen, häufig durchtrainierten und weiblichen, den gängigen Schönheitsidealen entsprechenden, Körpern steht symbolhaft für die Grundüberzeugung der biologischen Unterschiedlichkeit der Geschlechter und dem Idealbild, das „Identitäre“ von Männern und Frauen haben.
Politische Inhalte eingewoben ins Privatleben
Die Aktivistinnen versuchen durch die Einblicke in ihr alltägliches Leben Anknüpfungspunkte zu schaffen und mehr oder weniger subversiv die eigene politische Haltung einzubringen. Neben den ständig zur Schau getragenen Kleidungsstücken aus dem IB-internen Versand Phalanx Europa werden Bandshirts gut erkennbar präsentiert oder Bilder von rechter Literatur gepostet. Nur jedes fünfte Bild der Aktivistin Schmitz beispielsweise lässt auf ihre aktive Rolle bei der IB schließen, seit der Sperrung ihres alten Profils im Mai 2018 sind es noch deutlicher weniger. Die Botschaft, die Instagram-UserInnen wie Kleine, Schmitz oder auch Paula Winterfeldt transportieren möchten, lautet: „Ich bin ein ganz normaler junger Mensch, nur eben ,identitär‘“. Zielen andere Influencer*innen darauf ab, Produkte in ihren Instagram-Profilen zu vermarkten, so sind es bei den „Identitären“ die politischen Inhalte, die ins vermeintliche Privatleben eingewoben werden. Statt des Schriftzuges eines Unternehmens im Hintergrund sind es bei den „Identitären“ das Lamda-Symbol oder Bücher „neurechter“ TheroretikerInnen.
Ähnlich der Marketing-Strategie versuchen die Aktivistinnen über die geteilten Bilder eine Emotionalität und Verbindung mit den Follower*innen herzustellen. Es sind gerade gut inszenierte und ästhetisch ansprechende Bilder, die Aufmerksamkeit erzeugen. Hip und cool zu sein, spielt dabei eine größere Rolle als der tatsächliche Wahrheitsgehalt hinter den Fotos. Über die „persönliche“ Beziehung soll ein sanfter Einstieg in die Ideologie erzielt und gleichzeitig diese verharmlost werden. Die IB-AktivistInnen stellen sich dabei eben nicht als ent-emotionalisierte Schläger-Neonazis dar, sondern zeigen die gleichen Emotionen und Aktivitäten, wie viele andere junge Menschen sie kennen und teilen. Die „Identitären“ spielen mit der Wiedererkennung eigener Lebensrealitäten mit den ihren und verschleiern so die politische Intention.
Diesem Aspekt gilt es entgegenzuwirken und die politische Ideologie hinter der Fassade der Normalität zu dechiffrieren. Die Selbstinszenierung der „Identitären“ sollte daher nicht unkritisch übernommen und Bilder nicht kommentarlos reproduziert werden. Ein Blick hinter die Bilder, die Frage wie und warum sie in Szene gesetzt werden und was sie vermitteln sollen, ist im Umgang mit der bildstarken Selbstdarstellung der IB hilfreich und notwendig.