Professionalisierung rechter Gewalt

Kampfsportevents haben sich innerhalb extrem rechter Erlebniswelten als ein fester Bestandteil etabliert. Der „Kampf der Nibelungen“ (KdN) stellt dabei das zentrale Event dar. Innerhalb des KdN-Netzwerkes nehmen Neonazis aus NRW weiterhin eine wichtige Rolle ein.

„29.09.2018 Gemeinsames Box + K1 Training im Rheinland“. Es war kein Zufall, dass diese Ankündigung, die innerhalb der Neonazi-Szene in den Sozialen Netzwerken kursierte, mit Logo und im Design des KDN gelayoutet wurde. Denn das „Training“ fand zwei Wochen vor dem diesjährigen KdN statt und diente neben der Mobilisierung auch als Bühne für einen Videodreh des extrem rechten YouTube-Kanals „Der Dritte Blickwinkel“ (siehe S. 16 in dieser Ausgabe). Dessen Macher Frank Krämer aus dem Rhein-Sieg-Kreis war vor Ort und führte Interviews zum Thema Kampfsport und „Wehrhaftigkeit“. Stattgefunden hat das Training mit knapp 20 Personen in den Räumlichkeiten des Asgard Fightclubs im rheinland-pfälzischen Vettelschoss (Landkreis Neuwied). Dort konnten Neonazis aus dem Rheinland regelmäßig ein Kampfsporttraining besuchen, das von Trainer Jochen Grüber geleitet wurde. Mit dem Neonazi Alexander Kerper (Rhein-Sieg-Kreis) trat eine Person aus der Trainingsgruppe beim „Kampf der Nibelungen“ 2017 in Kirchhundem (Kreis Olpe) in den Ring. Nachdem im Herbst 2018 die Verbindungen des Fightclubs zur Neonazi-Szene im Rahmen eines Fernsehbeitrages des SWR thematisiert worden waren, trennte sich der Verein nach eigenen Angaben von Trainer Grüber und entfernte den Zusatz „Asgard“ aus dem Namen. Neu waren die Verbindungen allerdings nicht. Schließlich fand der KdN bereits in den Jahren 2013 und 2014 — damals noch als „Ring der Nibelungen“ in Vettelschoss statt.

Von West-…

Seit der ersten „Nibelungen“-Veranstaltung im Jahr 2013 ist nicht nur eine steigende Bedeutung von Kampf- und Kraftsport zu verzeichnen, innerhalb der extremen Rechten hat sich auch ein internationales Kampfsport-Netzwerk mit eigenen Bekleidungsmarken, Veranstaltungen und Strukturen herausgebildet (vgl. Schwerpunkt der Lotta #69). Der KdN hat sich in den letzten fünf Jahren dabei von einer rein szeneintern beworbenen Veranstaltung zu einem der größten neonazistischen Events in diesem Bereich in Westeuropa entwickelt. Für das diesjährige Event, das am 13. Oktober 2018 in Ostritz (Sachsen) mit rund 700 Personen über die Bühne ging, gab es erstmalig eine öffentliche Bekanntgabe des Veranstaltungsortes. Neu war auch die gemeinsame Ausrichtung mit der russischen Kampfsportmarke „White Rex“. Dessen Gründer und Aushängeschild Denis Nikitin nahm zwar regelmäßig als Kämpfer oder Redner an den KdN-Events teil, der KdN 2018 stellte aber die erste offizielle „White Rex“-Veranstaltung in Deutschland dar.

…nach „Mitteldeutschland“

Auch wenn der KdN in Sachsen stattgefunden hat, waren Neonazis aus NRW in verschiedenen Funktionen erneut maßgeblich in die Organisation eingebunden. Neben bekannten Gesichtern aus dem selbsternannten „KdN Team“ um die Dortmunder Alexander Deptolla, Christoph Drewer, Jim Koal und dem nach Thüringen verzogenen Franz Pauße ist dabei auch die 28-jährige Marina Liszczewski, ebenfalls aus Dortmund, zu nennen. Als Ordner fungierten unter anderem Robin Schmiemann (Dortmund) und Stefan Schröder (Bochum). Teil der Ordnerstruktur war auch der Bochumer Stefan Held. Der 34-jährige Held (Spitzname „Zahni“) gehört der neonazistischen „Bruderschaft“ der Hammerskin Nation an. So war es nicht verwunderlich, dass Held zusammen mit dem „Hammerskin“ Dennis Kiebitz (Landkreis Wolfenbüttel) über das Gelände flanierte. Seit dem ersten „Ring der Nibelungen“ sind die „Hammerskins“ maßgeblich in die Organisation des Events eingebunden. Auch 2018 fungierte einer der führenden Exponenten der deutschen Hammerskins, Malte Redeker aus Ludwigshafen, wieder als Ringrichter. Neben ihm war es der ehemalige Chef der in Spanien verbotenen „Hammerskins“, José Eduardo Chapela Herrero, genannt „Chappe“, der für seine Ringrichtertätigkeit aus Barcelona anreiste.

Im Ring

Die starke internationale Vernetzung der NS-Kampfsportszene zeigte sich auch beim KdN 2018. Kämpfer und Kämpferteams aus der Ukraine, Bulgarien, Tschechien, Griechenland, Frankreich und Österreich stiegen in den Ring. Dabei handelte es sich um Protagonisten, die unter anderem aus extrem rechten Hooligan-Szenen stammen oder auch Verbindungen in paramilitärische faschistische Strukturen wie das ukrainische Regiment Asow besitzen. Aus Deutschland nahmen Akteure aus der NS-Kampfsportszene aus dem gesamten Bundesgebiet teil. Neben bekannten Kämpfern wie David Mallow (Rostock), Kai Andres Zimmermann (Fürth) oder Jan Zrzodelny (Neuhofen/Rhein-Pfalz Kreis) absolvierte auch der bis dahin nicht in Erscheinung getretene Dortmunder Nico Bergmann einen Kampf. Als sein Trainer fungierte dabei Christoph Drewer. Andere Neonazis aus Dortmund waren als Zuschauer angereist, so auch Sven Kahlin. Der wegen Totschlags an den Punk Thomas „Schmuddel“ Schulz verurteilte Kahlin präsentierte sich in einem T-Shirt der „Hooligans Dortmund“ und verdeutlichte einmal mehr die engen Verbindungen der NS-Kampfsportszene in rechtsoffene Teile von Hooligangruppen.

Raus aus den Hinterhöfen?

Als ein fester Bestandteil des KdN-Netzwerkes hat sich die NS-Straight-Edge-Gruppe Wardon 21 etabliert, die beim diesjährigen KdN die vegane Essensversorgung übernahm. Im Mai 2018 richtete Wardon 21 einen Kongress unter dem Namen „Heureka“ aus, zu dem mehrere Personen aus der NS-Kampfsportszene eingeladen wurden. Auf dem Kongress sprach unter anderem auch Alexander Deptolla als Repräsentant des KdN. Großspurig kündigte dieser an, dass eine „Gründung einer eigenen Liga“ geplant sei und dass der „Kampf der Nibelungen“ bereit sei, „in den großen Hallen Deutschlands ausgetragen zu werden“. Dies zeigt, dass die sich zunehmend professionalisierende NS-Kampfsport-Szene aus den geheimen „Hinterhöfen“ heraus will. Das Gelände in Ostritz als sicherer Ort für extrem rechte Veranstaltungen bot sich hier an. Schließlich fand dort bereits am 20. April 2018 auf dem Neonazi-Spektakel „Schild & Schwert“ ein vom KdN ausgerichtetes Kampfsportturnier mit internationaler Beteiligung statt. Ein angekündigtes „Team Fight“-Turnier auf dem „2. Schild & Schwert“ im November 2018 konnte allerdings aufgrund fehlender Anmeldungen nicht umgesetzt werden.

Kein Ende

Die Verankerung von Kampfsportveranstaltungen als Teil rechter Erlebniswelten hat sich auch anderenorts gezeigt. So fand am 9. Juni 2018 im sächsischen Grünhain das Turnier „Tiwaz — Kampf der freien Männer“ statt, bei dem bis zu 250 Neonazis anwesend waren. Ein zweites „Tiwaz“-Turnier ist schon für 2019 angekündigt. Und auch international wird weiter an der Vernetzung der extremen Rechten über Kampfsport-Events gearbeitet. Für den 9. April 2019 wird für das „Propatria Fest“ in Griechenland geworben. Ausgerichtet von lokalen Akteuren des Propatria Fight Clubs und dem französischen NS-Kampfsportlabel Pride France. Neben White Rex werden auch „Tiwaz“ und der „Kampf der Nibelungen“ als Unterstützer und Mitausrichter dieses Treffens militanter Neonazi-Strukturen in Europa aufgeführt.