Herausgeber Sascha Krolzig präsentiert sein Blatt am 29. Juli 2017 in Themar.
Recherche Nord

„N.S. Heute“

Ein Schlaglicht auf das Zeitschriftenprojekt

Auf der diesjährigen Leipziger Buchmesse wollte sich der „Sturmzeichen-Verlag“ erstmals außerhalb extrem rechter Veranstaltungen präsentieren. Doch die Organisator\_innen untersagten dem Verlag die Teilnahme. Der von Sascha Krolzig betriebene Verlag fungiert in erster Linie als Herausgeber der Zeitschrift „N.S. Heute“. Das Magazin, das seit Frühjahr 2017 alle zwei Monate erscheint, versteht sich als spektrenübergreifende und parteiunabhängige Publikation von und für die militante Neonazi-Szene.

Auf der diesjährigen Leipziger Buchmesse wollte sich der „Sturmzeichen-Verlag“ erstmals außerhalb extrem rechter Veranstaltungen präsentieren. Doch die Organisator_innen untersagten dem Verlag die Teilnahme. Der von Sascha Krolzig betriebene Verlag fungiert in erster Linie als Herausgeber der Zeitschrift „N.S. Heute“. Das Magazin, das seit Frühjahr 2017 alle zwei Monate erscheint, versteht sich als spektrenübergreifende und parteiunabhängige Publikation von und für die militante Neonazi-Szene.

Als „Magazin von Kameraden für Kameraden“, das sich inhaltlich mit „weltanschaulichen Fundamenten“, „aktuellen Entwicklungen des Nationalen Widerstandes“ und einer „sinnvollen Freizeitgestaltung“ beschäftigen will, stellt sich N.S. Heute in der Erstausgabe vor. Sascha Krolzig selbst beschreibt in einem der Artikel einen Ausflug zum Hermannsdenkmal, ein Bericht von Sven Skoda beschäftigt sich mit dem Prozess gegen das Aktionsbüro Mittelrhein, in dem er selbst auf der Anklagebank sitzt (vgl. Lotta #50, #56, #67 und #73), in einem anderen Text wird der Dortmunder Stadtteil Dorstfeld als „Nazi-Kiez“ inszeniert. In plakativer Abgrenzung zur Identitären Bewegung propagiert der Autor Steffen Pelzman unter dem Titel „100% Rassismus 0% Chauvinismus“ klassisch rassistische Vorstellungen mit Bezügen zum Nationalsozialismus, und Angelika Willig, die auch als Autorin für die Junge Freiheit, die NPD-Zeitung Deutsche Stimme und das extrem rechte Öko-Magazin Umwelt & Aktiv schreibt, erneuert den NS-Mythos um Horst Wessel.

Schon vor dem Erscheinen der ersten Ausgabe fanden erste Vorstellungen der Zeitschrift unter anderem in Bielefeld, zum damaligen Zeitpunkt noch Wohnort Krolzigs, und in Dortmund statt. Um die Zeitschrift zu vermarkten, bauten Krolzig und sein Bielefelder Sidekick Tim Sauer ihren Tapeziertisch mit karierter Tischdecke bei extrem rechten Groß­events wie dem „Eichsfeldtag“ oder dem „Schild und Schwert“-Festival von Thorsten Heise in Ostritz auf. Auch bei Veranstaltungen der NPD wurde die Zeitschrift beworben und zum Verkauf angeboten.

Extrem rechte „Bewegungsgeschichte“

Obwohl Krolzig mittlerweile Bundesvorsitzender der Partei Die Rechte ist, finden sich in N.S. Heute kaum explizit parteipolitische Positionen. Sie richtet sich vielmehr an eine organisationen- und parteienübergreifende „Nationale Bewegung“. Hier kommt dem 1987 geborenen Krolzig seine langjährige Einbindung und Vernetzung in der militanten Neonazi-Szene zugute. So finden sich mit Dieter Riefling, Christian Worch oder Thomas Wulff alte Kader als Autoren oder Interviewpartner, die besonders dann zu Wort kommen, wenn es um die eigene Bewegungsgeschichte geht. Diesem Thema widmet sich die Zeitschrift immer wieder, sei es in einem Interview mit dem Rechtstorristen Karl-Heinz Hoffmann oder mit einem Artikel über die Demonstration gegen die „Wehrmachtsausstellung“ in München 1997. Im Sommer 2017 erschien anlässlich des 30. Todestags des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß eine Ausgabe, die sich ausschließlich mit der Entwicklung der Heß-Gedenkmärsche beschäftigt.

Eine besondere Bedeutung nimmt in diesem Zusammenhang die im September 2018 erschienene Ausgabe mit dem Schwerpunktthema „Blutzeugen der Neuzeit 1967 — 2008“ ein. In Anlehnung an die Mystifizierung in der Weimarer Republik umgekommener SA-Männer im NS werden darin Nazis, die seit 1967 ums Leben kamen, zu Märtyrern stilisiert.

Themen, Kampagnen, Projekte

Die Rubrik „Weltanschauung“ nimmt — obwohl zentral im Titel der Zeitschrift geführt — zumeist einen relativ geringen Umfang im Heft ein. Die Artikel tragen Titel wie „Volksgemeinschaft. Mittelpunkt nationalsozialistischer Weltanschauung“, „Zukunft des nordischen Menschentums“ oder „Alfred Rosenberg — Der Mythos des 20. Jahrhunderts“. Doch vor allem werden im Heft aktuelle Themen, Kampagnen und Projekte der extremen Rechten aufgegriffen und vorgestellt. So schreibt Krolzig über seine Besuche in Tommy Frencks Gasthaus „Goldener Löwe“, und Frida Dentiak, neben Krolzig Stammautorin des Blatts, stellt im Interview das Veranstaltungsprojekt Club H5 (vgl. LOTTA #72, S. 29f) vor. Mit einem Schwerpunkt zum Thema Europa beteiligte sich die Zeitschrift Anfang 2018 an der von Dortmunder Neonazis organisierten Kampagne „Europa erwache!“ Außerdem wird ausführlich über die Solidaritäts-Aktionen für die seit Mai 2018 inhaftierte Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck berichtet.

Auch zu bundesweiten Aufmärschen mobilisiert die Zeitschrift. Vor allem werden in fast jeder Ausgabe Demonstrationsberichte veröffentlicht, so unter anderem zum Rudolf-Heß-Marsch in Berlin 2017 und 2018, dem Aufmarsch zum 1. Mai 2018 in Erfurt oder den Demonstrationen unter dem Motto „Tag der deutschen Zukunft“ 2017 in Karlsruhe und 2018 in Goslar. Auch über die Beteiligung meist Dortmunder Neonazis an internationalen Events wie dem „Lukov-Marsch“ in Sofia oder dem „Tag der Ehre“ in Budapest wird berichtet.

Erlebniswelt rechts

Neben den Kategorien „Bewegung“ und „Weltanschauung“ gibt es den Bereich „Leben“. Der „Nationale Sozialismus“ soll schließlich alle Bereiche des Lebens durchdringen, auch die Freizeitgestaltung. Zahlreiche Artikel berichten über Musikveranstaltungen wie die Rechts-Rock-Festivals in Thüringen 2017, das „Schild & Schwert“-Festival 2018 oder den Kampf der Nibelungen 2017 (vgl. LOTTA #69). Interviews mit RechtsRock Musikern wie Michael Regener (Lunikoff), Julian Fritsch (Makks Damage) oder Jens Brucherseifer (Sturmwehr) werden durch Reiseberichte von Wanderungen an der Ostsee, in Südtirol, zur Wewelsburg oder auf dem Wappenweg rund um Bielefeld ergänzt.

Als Diplomjurist thematisiert Krolzig in fast jeder Ausgabe rechtliche Fragen, etwa zum Versammlungsrecht oder zum Straftatbestand Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Eine eigene Rubrik existiert noch für Rezensionen, neben Büchern und Zeitschriften werden in jeder Ausgabe Neuerscheinungen aus der Welt des RechtsRock besprochen.

Zielgruppe militante Neonaziszene

N.S. Heute hat es geschafft, eine zuvor in der extrem rechten Publikationslandschaft bestehende Lücke zu füllen. Mit einer Auflage von 1.500 Exemplaren (Eigenangabe) ist sie aber weit von der Verbreitung anderer extrem rechter Publikationen wie Zuerst oder dem Compact Magazin entfernt. Doch anders als diesen auch am Bahnhofskiosk erhältlichen Blättern geht es der Zeitschrift nicht darum, das extrem rechte Spektrum von PEGIDA-Anhängerinnen und Wutbürgern anzusprechen. Mit ihrer professionellen Aufmachung und dem Zusammenführen von Lifestyle und Ideologie richtet sich N.S. Heute ganz bewusst an die sich selbst als „Nationalsozialisten“ oder „Nationale Sozialisten“ verstehende militante Neonazi-Szene.

Ob Krolzig sein Ziel, von seiner Tätigkeit als Verleger leben zu können, mit dem Sturmzeichen Verlag erreichen kann, ist abzuwarten. Neben der Zeitschrift ist dort bisher lediglich ein Buch des N.S. Heute-Autors Arnulf Brahm erschienen. Wie praktisch, dass Krolzig seine Tätigkeit als Fest- und Trauerredner in seiner eigenen Zeitung gleich mit bewerben kann.

Weiterlesen

AfD-Vorzeigemalocher Guido Reil (r.)
Robert Rutkowski