Deutliches Statement
Der neue Vorstand der „Jungen Alternative“ in Hessen
Ende vergangenen Jahres wurde die Auflösung der hessischen „Jungen Alternative“ (JA) vom damaligen Landesvorstand in Aussicht gestellt, auch um einer möglichen Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu entgehen. Nur wenige Wochen später gab es eine Kehrtwende. Anstelle einer Auflösung führte die JA turnusmäßig Vorstandswahlen durch und präsentierte zwei neue Landesvorsitzende. Das mit der Wahl einhergehende Signal ist deutlich: Protagonist*innen der extremen Rechten sind in der JA Hessen willkommen.
Im November 2018 wurde seitens der Jungen Alternative Hessen ein außerordentlicher Landeskongress angekündigt, bei dem über die Auflösung des Landesverbandes abgestimmt werden sollte. Zuvor waren einige Landesverbände der Jugendorganisation in den Fokus des Verfassungsschutzes geraten. Nach Aushandlungen mit der hessischen AfD war im Dezember eine geplante Aberkennung als Parteijugend allerdings vom Tisch. Die Auflösung war somit nur noch formal Thema und wurde von der Tagesordnung gestrichen. Als Landesvorsitzende wurden anschließend Jens Mierdel und Michael Werl mit jeweils über 90 Prozent der Stimmen gewählt. Beide sind in der Vergangenheit durch Verbindungen zur extremen Rechten aufgefallen.
Jens Mierdel aus Neuhof (Landkreis Fulda) war bis 2015 bei der zu dieser Zeit recht präsenten Identitären Bewegung (IB) in Fulda aktiv, laut Frankfurter Rundschau soll er diese sogar kurzzeitig geleitet haben. Die Verbindungen zur IB beziehungsweise zu einzelnen IB-Protagonisten scheinen immer noch zu existieren, zumindest waren sie bei der AfD in Fulda im vergangenen Jahr erneut Thema, als Mierdel für einen der beiden Fuldarer Wahlkreise als Direktkandidat nominiert wurde (vgl. LOTTA #72, S. 24). Dennoch musste er sich trotz des Unvereinbarkeitsbeschlusses der AfD gegenüber der IB nie ernsthaft distanzieren. Dies unterstrich der Bundestagsabgeordnete und seit Januar 2019 Kreisvorsitzende der AfD in Fulda, Martin Hohmann. Er ließ durchblicken, dass es überhaupt keine Probleme mit der IB gäbe: „Im Gegenteil, im Gegenteil“.
Burschenschafter und IB-Aktivisten
Auch der ehemalige Republikaner Michael Werl aus Kassel war bereits vor seiner Zeit in der JA/AfD in der extremen Rechten präsent. Wie die Frankfurter Rundschau berichtete, soll Werl über zwei Jahre unter der Adresse der in der Deutschen Burschenschaft organisierten Burschenschaft Germania Kassel gemeldet gewesen sein. Mitglied der Germania, die zuletzt den extrem rechten Anwalt und Burschenschaftler Björn Clemens aus Düsseldorf zum Vortrag eingeladen hatte, will er allerdings nicht sein. Inhaltliche Gründe hat dies aber offenbar nicht. Werl beteuerte gegenüber der FAZ, bei der Germania keine extrem Rechten getroffen zu haben: „Die Leute, die ich da kennengelernt habe, waren alle korrekt, wertkonservativ und traditionell.“
Als einer der Stellvertreter im neuen JA-Vorstand wurde der Wiesbadener Patrick Pana gewählt. Bereits 2017 auf der Buchmesse schäkerte er mit Protagonisten der IB-Gruppe Kontrakultur Halle. Wenige Wochen später besuchte er die IfS-„Winterakademie“, wo sich das Spektrum rund um den Antaios-Verlag von Götz Kubitscheck, der IB und Ein Prozent die Klinke in die Hand gab. Am 3. März 2018 trat dann bei einer Demonstration in Kandel (Landkreis Germersheim/RLP) ein Block der IB auf, in dem Patrick Pana sowie der damalige Schatzmeister der JA-Wiesbaden, Sascha Sindl, mitliefen. Schließlich nahm Pana am 24. November 2018 auch an der Veranstaltung mit Alain de Benoist bei der Marburger DB-Burschenschaft Germania (vgl. LOTTA #73, S. 31) teil. Der zweite Stellvertreter ist Nils Andersen vom JA-Vorstand Frankfurt, der bisher nur wenig öffentlich in Erscheinung getreten ist. Ob er darauf spekuliert, parteiintern Karriere zu machen, wird sich herausstellen. Er würde damit einigen folgen, die vor ihm der Frankfurter JA vorstanden.
Sprungbrett für die Partei-Karriere
Ein Beispiel für einen solchen Aufstieg in der AfD ist Jan Hornuf. Vor über zwei Jahren war er lediglich einfaches Mitglied der JA in Frankfurt. Im April 2017 wurde er zum Beisitzer im Landesverband und im folgenden September zum stellvertretenden Vorsitzenden der JA Frankfurt gewählt. Im Oktober 2017 wurde er Schatzmeister des JA-Landesverbands und Anfang 2018 — ebenfalls als Schatzmeister — Mitglied des JA-Bundesvorstands. Hornuf ist mittlerweile nach Potsdam verzogen und dort als stellvertretender Schatzmeister im JA-Landesvorstand Brandenburg aktiv. Er beteiligte sich an Veranstaltungen des „Flügels“ und besuchte die IfS-„Winterakademie“ 2018. Beim „Trauermarsch“ am 1. September 2018 in Chemnitz stand Hornuf in der zweiten Reihe, direkt hinter Björn Höcke und dem brandenburgischen Landesvorsitzenden Andreas Kalbitz. Er scheint mittlerweile ein anerkannter Funktionär in der AfD zu sein.
Ebenfalls aus Frankfurt kommt Jonas Batteiger, seit der Neuwahl Schatzmeister und zuvor stellvertretender Vorsitzender der JA Hessen. Nach der Bundestagswahl war er von der AfD-Bundestagsabgeordneten Mariana Harder-Kühnel angestellt worden, mittlerweile besteht das Beschäftigungsverhältnis jedoch nicht mehr. Als Batteiger im Oktober 2018 im Frankfurter Stadtteil Bockenheim Ziel einer Flugblattaktion von Antifaschist*innen wurde, führte er eine Medienkampagne durch, in der er sich als Opfer stilisierte. Er könne nicht verstehen, wieso er mit der extremen Rechten in Verbindung gebracht werde. Unmittelbar im Anschluss an mehrere Presseartikel nahm er am 24. November 2018 am Treffen des völkischen „Flügels“ der AfD in Ostwestfalen teil. Zu der Veranstaltung, bei der unter anderen auch Gianluca Savoini von der italienischen rassistischen Partei Lega (vorher: Lega Nord) als Referent auftrat, reiste er mit Christine Anderson an. Anderson war Europawahlkandidatin der AfD aus Limburg und trat bereits als Rednerin bei PEGIDA-Veranstaltungen in Frankfurt und Wuppertal auf.
Die zweite Reihe
Von den Beisitzern ist noch Manuel Wurm hervorzuheben. Wurm kommt aus dem JA-Kreisverband Offenbacher Land. Dem Kreisverband konnte in den vergangenen Jahren via Facebook bei der Radikalisierung zugeschaut werden. Das Ganze gipfelte in einem Post am Todestag von Winston Churchill, in dem jener als „Kriegsverbrecher“ bezeichnet wurde, versehen mit dem Zusatz, dass durch seinen Tod die „Welt ein Stück gerechter“ geworden sei. Aufgefallen ist Wurm vor allem bei der Frankfurter Buchmesse 2017 (vgl. LOTTA #69, S. 29). Zusammen mit dem stellvertretenden Vorsitzenden der JA-Rheinland-Pfalz, Justin Salka, ging er Demonstrierende am Rand einer Veranstaltung des Antaios-Verlages an. Kurz nach seiner Wahl in den Landesvorstand wurde Wurm im Februar 2019 auch in den Bundesvorstand der AfD-Jugend gewählt.
Ebenfalls neu in den Landesvorstand gewählt wurde Elliott Murray. Dieser war bis dato nur einmal wahrnehmbar in Erscheinung getreten, als er gemeinsam mit einigen Personen der JA Hessen Flyer gegen Abtreibungen verteilte. Innerhalb weniger Wochen wurde Murray allerdings bundesweit bekannt; er hatte in der Chatgruppe „JA Hessen Intern“ die Todesstrafe für Politiker, „die ihr Volk verraten“, gefordert und dafür plädiert, Frauen das Wahlrecht zu entziehen, da diese „eh nichts im Beruf verloren“ hätten. Der Landesvorstand bestätigte auf Presseanfrage die Echtheit des Chats und legte Murray nahe, sein Amt niederzulegen und aus der JA auszutreten, was dann auch prompt erfolgte.
Die Ehemaligen
Murray reiht sich damit in eine Reihe von Funktionären des Landesverbands ein, die nach entsprechenden Vorfällen von der JA-Bildfläche verschwunden sind. So beteiligte sich das damalige Landesvorstandsmitglied Maximilian Kolb, der auch Mitglied der Marburger Burschenschaft Germania ist, im April 2017 an einem Angriff auf Fotograf*innen, die den Kongress der hessischen JA im Haus der DB-Burschenschaft dokumentieren wollten. Im anschließend neugewählten Vorstand war er dann nicht mehr vertreten.
Auch Toni Erdmann aus Fulda war Teil des amtierenden Landesvorstandes, auch noch zu dem Zeitpunkt, als er sich im Februar 2017 gegenüber der Notrufzentrale als Sprecher eines antifaschistischen Bündnisses ausgab und unter dessen Namen behauptete, seine Frau umgebracht zu haben. Mittlerweile ist er hierfür zu sechs Monaten auf Bewährung und einer Geldstrafe verurteilt worden. Das JA-Hessen-Gründungsmitglied Christian Kühner wurde in Frankfurt wegen gefährlicher Körperverletzung zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Dem ehemaligen Schatzmeister wurde vorgeworfen, im Oktober 2017 in der Frankfurter Fußgängerzone eine Person wegen ihres Kopftuches beschimpft und anschließend einem Mann mit einer Reizgaspistole ins Gesicht geschossen zu haben.
Männerbund
Letztendlich präsentierte sich der neu gewählte Landesvorstand als reiner Männerbund. Der AfD-Landtagsabgeordnete Erich Heidkamp weiß das zu erklären: „Das liegt an den Frauen. Wer sich nicht als Kandidatin meldet, kann eben nicht gewählt werden. [...] Also etwas mehr Initiative bitte, liebe Damen.“ Dennoch schien es notwendig, das entstandene Bild etwas zu beschönigen. So tauchte zwei Wochen nach der Wahl auf der Homepage der JA als „kooptierte Beisitzerin“ im Vorstand Mary Khan auf. Die Tochter des selbsternannten Propheten und „Islamkritikers“ Zahid Khan begab sich damit einmal mehr in die Rolle der einzigen Frau eines Vorstands. Bereits im Landesvorstand der hessischen AfD hatte sie es nur mit männlichen Vorstandsmitgliedern zu tun. Lediglich im JA-Bundesvorstand, in den sie kurz zuvor als stellvertretende Vorsitzende gewählt worden war, ist mit Lydia von Wangenheim als Beisitzerin eine weitere Frau aktiv. In der Vergangenheit waren aus dem Umfeld Khans vereinzelt Frauen in Ämter der JA auf Kreis- oder Landesebene gewählt worden. Bis auf Mary Khan schien es aber keine länger dort auszuhalten.
Bitte be(ob)achtet uns!
Der neue JA-Vorstand konterkariert das gewünschte, aber ohnehin schon fragile Bild eines gemäßigten Landesverbandes. Die Überschneidungen und Kontakte der JA mit der IB und extrem rechten Burschenschaften haben zwar kaum noch Skandalisierungspotential, sie unterstreichen aber deutlich das gemeinsame völkische Weltbild. Dass die JA Hessen in einer Grundsatzerklärung dennoch „extremistischen Bestrebungen […] eine klare Absage“ erteilt, ist bestenfalls Wortklauberei. Die Wahl entsprechender Personen in den Vorstand ist letztendlich nur konsequent und ein Signal an Protagonist_innen der extremen Rechten, dass sie in der JA willkommen sind. Doch nicht zuletzt diese Verquickungen mit extrem rechten Gruppen dürften dazu geführt haben, dass der Landesverband seit Ende März nun tatsächlich vom Verfassungsschutz beobachtet wird.