Für Volk und Heimat
Die „Deutsche Gildenschaft“ (DG)
Weitgehend unbemerkt von einer kritischen Öffentlichkeit existiert neben der „Deutschen Burschenschaft“ (DB) noch ein zweiter extrem rechts dominierter verbindungsstudentischer Dachverband im deutschsprachigen Raum: Die „Deutsche Gildenschaft“ (DG), deren Mitgliedsbünde sich „Deutsche Hochschulgilden“ (DHG) nennen. Im Gegensatz zur DB ist die DG kleiner, verschlossener, aber kein Männerbund: Seit 1958 nimmt sie auch Frauen auf.
Die DG bezieht sich, was ihre Herkunft angeht, auf die 1920 gegründete Deutsche Akademische Gildenschaft, die 1923 mit Gilden aus Deutschland, Österreich und einem Teil der Tschechoslowakei („Böhmen“) zur Großdeutschen Gildenschaft fusionierte. Aus ihren Reihen kamen mehrere NS-„Volkstums“-Vorkämpfer, etwa Theodor Oberländer.
In ihrer heutigen Form entstand die DG 1958 aus der Deutschen Akademischen Gildenschaft, dem Arbeitskreis Sudetendeutscher Studenten (ASST) und der Altherrenschaft Bündischer Studentenverbände. An ihrer Gründung war Ernst Anrich (1906-2001) beteiligt, der auf eine steile NS-Karriere zurückblicken konnte und von 1971 bis 1973 stellvertretender NPD-Vorsitzender war.
Die DG ist eine akademische Studentenverbindung, ist zugleich aber durch ein bündisches Selbstverständnis geprägt, verortet sich also auch in der jugendbewegten Szene außerhalb des akademischen Milieus. Deshalb bestehen personelle Überschneidungen zu bündisch-völkischen Organisationen, besonders zum Freibund und zum Deutschen Mädelwanderbund. Ähnlich wie der Freibund und andere bündische Vereinigungen ist die DG stark von Familienverbänden beeinflusst; völkisch orientierte Sippen stellen offenbar den Kern der DG. Die familiäre Bindung sorgt für einen Grundbestand an Mitgliedern und verhindert eine Abwendung vom Verband, die zugleich eine Abwendung von der Familie bedeuten würde.
Im Jahr 2017 hatte die DG lediglich drei aktive „Altgilden“ (Hamburg, Hannover, Passau) und drei „Junggilden“ (Darmstadt, Göttingen, München). Insgesamt dürfte sie nicht einmal 500 Mitglieder haben. Nur die Gildenschaften in Darmstadt und in Göttingen verfügen über ein eigenes Haus. Andere in den 1990er und 2000er Jahren noch aktive Bünde sind wieder erloschen (Mainz, Freiburg, Kiel) oder wurden ausgeschlossen (Karlsruhe).
Blick nach Osten
In der „Salzburger Erklärung“ der DG von 1992 heißt es: „Die deutsche Einheit wurde um den Preis des schmerzlichen Verzichtes auf die Ostgebiete und das Sudetenland erreicht. Volksgruppenrechte für die dort verbliebenen Deutschen sind nur in Ansätzen, Heimatrechte für die Vertriebenen überhaupt nicht verwirklicht.“ Aus ihrer Tradition heraus spielen die ehemaligen deutschen Ostgebiete und das Sudetenland für die DG eine besondere Rolle. Nicht zufällig finden sich GildenschafterInnen im Witikobund, in der Sudetendeutschen Landsmannschaft und in anderen Vertriebenenverbänden sowie im Verein für deutsche Kulturbeziehungen im Ausland (VDA) auf einflussreichen Posten. Die DG führt, nachdem es Kritik an ihren Zusammenkünften auf der bündischen Jugendburg Ludwigstein gab, ihre Bundestreffen im bayrischen Bad Kissingen durch — im dort vom Sudetendeutschen Sozial- und Bildungswerk betriebenen Heiligenhof. Der Jugendburg Ludwigstein fühlt sie sich freilich weiterhin verbunden und hat eine Patenschaft über ein Zimmer dort behalten.
Gildenschafter in der AfD
Mehrere Gildenschafter sind politisch in der AfD aktiv. Der AfD-Landtagsabgeordnete Martin Louis Schmidt aus Rheinland-Pfalz etwa ist Mitglied der Deutschen Hochschulgilde in Freiburg gewesen; in den 1990er Jahren zählte er zur Redaktion der „neurechten“ Wochenzeitung Junge Freiheit. Wie eine Recherche von Allgäu Rechtsaußen zeigen konnte, ist auch ein Bundestagsabgeordneter der AfD Gildenschafter: Peter Felser ist Mitglied der DHG Heinrich der Löwe zu München. Er sitzt seit 2017 für die AfD im Bundestag. Felser gab mit seinem damaligen Gildenbruder Götz Kubitschek im Jahr 2001 in dessen Verlag Antaios das Buch „Raki am Igman. Texte und Reportagen aus dem Bosnien-Einsatz der Bundeswehr“ heraus und war Mitglied im Freibund.
Mitglied im Kuratorium der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung e.V. ist Karlheinz Weißmann aus Bovenden bei Göttingen, ein Mitglied der DHG Schwarzer Herzog zu Braunschweig.
Akademisches Rückgrat der „Neuen Rechten“
Es ist ein Verdienst des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS), die Gründung der Jungen Freiheit (JF) 1986 in Freiburg als gildenschaftliches Projekt kritisch nachgezeichnet zu haben. Noch im Jahr 1994 waren vier von zehn JF-Redaktionsmitgliedern Gildenschafter, darunter Chefredakteur Dieter Stein und der damalige JF-Haushistoriker Karlheinz Weißmann.
Ähnliches gilt für das „neurechte“ Institut für Staatspolitik (IfS), das im Jahr 2000 aus dem JF-Umfeld gegründet wurde, wenngleich sich seine Wege inzwischen von denen der JF getrennt haben. Der IfS-Mitgründer, Publizist und Verleger Götz Kubitschek hat einen gildenschaftlichen Hintergrund, auch wenn er nicht mehr Mitglied sein soll. Kubitschek war allerdings bis 2002 Aktivensprecher der DG. Die Bücher aus Kubitscheks Antaios-Verlag werden von der Buchbinderin Irmgard Hanke aus Langhagen gebunden. Sie gilt als völkische Siedlerin in der Tradition der „Artamanen“ und ist Mitglied der DHG Theodor Storm zu Kiel.
Kaum beachtet, aber beachtlich
Sowohl bezüglich ihrer Inhalte als auch bezüglich der Aktivitäten ihrer Mitglieder muss die DG der extremen Rechten bzw. der anliegenden Grauzone zwischen der extremen Rechten und dem Konservatismus zugeordnet werden. Sie steht bis heute in einer deutlich völkisch-nationalistischen Tradition. Immer noch gültig ist das Urteil, das der Kenner Helmut Kellershohn im Jahr 2001 fällte: „Obwohl sich die Gildenschaft heute offiziell zur demokratischen Verfassung bekennt, leisten Mitglieder der DG weiterhin signifikante ideologische und personelle Vermittlerdienste im Übergangsfeld zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus.“
Eine der seltenen öffentlichen Debatten um sie gab es, als das DG-Mitglied Karl-Eckhard Hahn im Juli 2013 Regierungssprecher in Thüringen wurde. Ein Gutachten schlussfolgerte damals, ein Mitglied der DG sei auf diesem Posten „nicht tragbar“. Hahn hatte für allerlei rechte Blätter wie Phönix, Etappe oder Criticon Beiträge verfasst und war von 1995 bis 2003 stellvertretender „Schriftleiter“ der Blätter der Deutschen Gildenschaft. In der Ausgabe 1/2018 des — von seinem „Gildenbruder“ Weißmann betreuten — Magazins CATO erschien ein Beitrag von Hahn, ebenso im Sammelband „Festschrift für Karlheinz Weißmann zum sechzigsten Geburtstag“, 2019 herausgegeben von Dieter Stein. Hahn ist bis heute Pressesprecher der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag.
Insgesamt ist der Anteil von GildenschafterInnen in der extremen Rechten, insbesondere in der sogenannten „Neuen Rechten“ sowie am rechten Rand der Vertriebenenverbände, beachtlich. Allerdings ist es schwierig, dies öffentlich zu thematisieren: Im Gegensatz zur DB ist in der Öffentlichkeit kaum Wissen über die DG vorhanden, an das angeknüpft werden kann.