Korporierte im Netzwerk der extremen Rechten
Eine Einleitung in den Schwerpunkt
Noch vor gut zehn Jahren war die sogenannte „Neue Rechte“ ein Nischenthema, mit dem sich nur wenige Expert_innen auskannten. Heute gehört die Auseinandersetzung mit diesem Spektrum zum Standardrepertoire antifaschistischer Kritik. Burschenschafter und andere Korporierte haben eine wichtige Rolle bei der Verschiebung des politischen Klimas in Deutschland gespielt.
Die „Identitären“ rekrutieren sich in Deutschland vielerorts aus dem verbindungsstudentischen Milieu, Verbinder sind in der AfD und in der JA aktiv. Sie organisieren „auf“ ihren Häusern faschistische Veranstaltungen und publizieren in extrem rechten Zeitschriften und Verlagen, sie stehen den extrem rechten Organisationen als Kader bereit. Dass Burschenschafter und Verbinder extrem rechte Politik betreiben, ist weder neu noch überraschend. Sie blicken zurück auf eine lange Tradition rechten Terrors in Deutschland, sei es in den Freikorps in den 1920er Jahren oder im Bombenterror in Alto Adige (Südtirol), der noch heute von Burschenschaften als „Freiheitskampf“ begriffen wird. Die rechten Verbinder profitieren von der deutlich zu spürenden Verrohung, die das politische Klima in Deutschland bestimmt. Der Raum des Sagbaren hat sich verschoben — und das auch durch das Zutun der Korporierten. Und sie können ihre Politik nun viel offener und öffentlichkeitswirksamer ausleben, ohne großartige Konsequenzen aus ihren Dachverbänden zu befürchten. Diese verschweigen die rechten Tendenzen entweder und tun sie als Einzelfälle ab oder sie brüsten sich sogar damit. Andere Dachverbände wurden genau zum Zweck der völkischen Organisierung gegründet, wie die Deutsche Gildenschaft.
Das Thema Studentenverbindungen im Rechtsruck bringt auch die Auseinandersetzung um extrem Rechte in den Hörsälen wieder auf die Tagesordnung. Vielerorts beginnen Universitäten, sich mit der Frage von demokratischer Wissenschaft auseinanderzusetzen, weil sie das neue Auftreten der rechten Gruppen an den Unis, vor allem der „Identitären“, nicht mehr ignorieren können.
Der Schwerpunkt dieser LOTTA-Ausgabe gibt einen Einblick in die Vernetzung und Rolle der Verbinder innerhalb der extremen Rechten. Er ersetzt keine grundlegende Auseinandersetzung mit dem Thema männerbündische Verbindungen, sondern will ergänzend zu der bereits vielfach vorhandenen guten verbindungskritischen Literatur die aktuellen Entwicklungen beleuchten.