„Soldaten Adolf Hitlers“
Die korporationsstudentischen Verbände und der 30. Januar 1933
Der akademische Rechtsextremismus ist zwar ein aktuelles, aber kein neues Phänomen. Seine Ursprünge reichen, wie die der extremen Rechten insgesamt, zurück bis in die letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts, geistes- und ideengeschichtlich sogar bis in die Zeit der politischen Romantik und der beginnenden deutschen Nationalbewegung ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 haben rechtsextreme Vorfälle an den Universitäten und anderenorts immer wieder für Schlagzeilen im In- und Ausland gesorgt und Kritik, aber auch Besorgnis ausgelöst. Ursächlich hierfür waren nicht zuletzt das Wissen um die realen Auswirkungen und die nach wie vor spürbaren Folgen der extremen Rechten an der Macht.
Die Auflösung und Zerstörung der Weimarer Demokratie hatte spätestens mit dem Übergang zum Präsidialregime im März 1930 begonnen; mit der Ernennung Adolf Hitlers (NSDAP) zum Reichskanzler durch den parteilosen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg. Am 30. Januar 1933 mündete sie in die Errichtung einer völkisch-nationalistischen totalitären, einer nationalsozialistischen Diktatur. In der Folge wurden (politische) Gegner/innen und alle, die nicht ins Weltbild der Nationalsozialisten passten, brutal verfolgt, inhaftiert, interniert oder ermordet. Mit dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 begann das Deutsche Reich den Zweiten Weltkrieg. Der Vernichtungsfeldzug gegen die europäischen Jüdinnen und Juden mit Millionen von Toten, die Shoah, gilt bis heute zu Recht als präzedenzlos.
Immer wieder wurde gefragt, welchen Anteil und welche Schuld verschiedene gesellschaftliche Gruppen, Einzelpersonen sowie die deutsche Gesellschaft insgesamt an dieser Entwicklung hatten und welche Schlussfolgerungen daraus gezogen werden können. Ein wesentlicher Akteur auf universitärer Ebene war das traditionelle Korporationsstudententum, das 1929 mit 71.400 studentischen Mitgliedern mehr als die Hälfte der männlichen Studenten umfasste und mit seinen etwa 175.000 „Alten Herren“, die häufig einflussreiche Positionen in Staat und Gesellschaft innehatten, eine mächtige gesellschaftliche Interessenorganisation darstellte.
„Was wir ersehnt und erstrebt…“
1933 war die Mehrzahl der führenden Funktionäre des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbunds (NSDStB) Mitglied in einer studentischen Korporation. Auch unterhalb der Führungsebene waren Doppelmitgliedschaften nicht selten. Umgekehrt waren ab spätestens Mitte 1933 die meisten Korporationsstudenten zugleich Mitglied einer NS-Organisation; viele verbindungsstudentische Verbände hatten dies im „Wettlauf ins Lager der Sieger“, wie der Historiker Michael Grüttner in seiner Studie „Studenten im Dritten Reich“ schreibt, für ihre Mitglieder zur Pflicht gemacht.
Hitlers Ernennung zum Reichskanzler wurde von den meisten Korporationsstudenten enthusiastisch begrüßt. So wandten sich der Vorsitzende des Hauptausschusses der Deutschen Burschenschaft (DB), Max Droßbach (Germania Würzburg), Hans Heinrichs für die Vorsitzende Burschenschaft Franconia Münster und Werner Zintarra im Namen des Ausschusses für vaterländische Arbeit in einem flammenden Aufruf an die „Burschenschafter“: „Was wir seit Jahren ersehnt und erstrebt und wofür wir im Geiste der Burschenschafter von 1817 jahraus jahrein an uns und in uns gearbeitet haben, ist Tatsache geworden. Das deutsche Volk hat bei der soeben abgeschlossenen Wahl zu den gesetzgebenden Körperschaften zum erstenmal seit der Schmach von 1918 bekannt, daß höchstes und oberstes Gut nationale Einheit und nationaler Freiheitswille ist. […] Wir sprechen das aus, was uns Burschenschaftern selbstverständlicher Grundsatz unseres ganzen Lebens ist: Einsatz und Kampfbereitschaft für Freiheit und Ehre und für ein großes, alle deutschen Stämme umfassendes Vaterland.“ (Herv. i. Orig.)
Der Kösener Senioren-Convents-Verband (KSCV), der Miltenberger Ring (MR), der Naumburger Senioren-Convent (NSC) und der Rudolstädter Senioren-Convent (RSC) schlossen sich zur Nationalsozialistischen Gemeinschaft Corpsstudentischer Verbände zusammen und bekannten: „Wir wollen fest und unterschütterlich an unseren großen Führer Adolf Hitler und sein Werk glauben und ihm als seine treuesten Soldaten folgen, jeder einzelne Mann mit dem Wunsch, in der Persönlichkeit des Führers aufzugehen, jeder Einzelführer aber im steten Bemühen, sein Führertum durch doppelte Treue, doppelte Arbeit und doppelte Verantwortlichkeit zu beweisen.“
„Mit Gott für Hitler“
Der neue Führer der Deutschen Landsmannschaft (DL), deren Mitglieder heute im Coburger Convent der Landsmannschaften und Turnerschaften an deutschen Hochschulen (CC) organisiert sind, Johannes/Hans Meinshausen (Hasso-Guestfalia Marburg), erklärte 1933 im Anschluss an den Pfingstkongress in Coburg, die Gleichschaltung der DL sei „Befreiung der landsmannschaftlichen Idee von dem Schutt des gestürzten liberalistisch-demokratischen Systems und sieghafte Wiederauferstehung der Landsmannschaft im Geiste der durch sie von jeher gepflegten Wehrhaftigkeit und der von ihr stets ausgesprochenen Ablehnung jedes Standesdünkels“: „Soldaten Adolf Hitlers wollen wir sein, sonst nichts.“
Der Vorsitz des Akademischen Turnbunds (ATB), ATV Suevia Stuttgart, begrüßte in einem Brief an Hitler die „nationale Erhebung des deutschen Volkes aus vollem Herzen. Der Geist der Pflichterfüllung, der Treue, der Beharrlichkeit, die Pflege deutschen Volksbewußtsein, des wehrhaften Sinnes und der Rassereinheit sind Forderungen Jahns. Der Akademische Turnbund hat seine Mitglieder stets in diesem Geiste erzogen, er ist bestreibt gewesen, ihn in weitesten Kreise des deutschen Volkes zu tragen und bekennt sich auf neue zu seinen alten Idealen. Er gelobt der nationalen Regierung, mitzuhelfen, daß Gerechtigkeit, Sauberkeit und Ehrgefühl wieder im deutschen Vaterlande erstes Gebot werden, damit ihm Stolz und Freude nach glücklichem Aufstieg zur Freiheit beschieden sein möge.“
Der Kyffhäuser-Verband der Vereine Deutscher Studenten (VVDSt) wählte als neuen Wahlspruch den Slogan „Mit Gott für Hitler und deutschen nationalen Sozialismus“, etwas später „Mit Gott für Adolf Hitler und den deutschen nationalen Sozialismus!“, kurz darauf „Mit Gott für Adolf Hitler und das neue sozialistische Deutschland“, 1934 „Mit Gott für Adolf Hitler und ein nationalsozialistisches Deutschland“, 1935 schließlich „Mit Gott für Führer und Volk!“
Nachdem die deutschen Bischöfe auf der Fuldaer Bischofskonferenz ihre ablehnende Haltung gegenüber den Nationalsozialisten aufgegeben und sich für die „Treue gegenüber der rechtmäßigen Obrigkeit“ ausgesprochen hatten, hieß es in einem Aufruf des Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen (CV), der Beschluss der 61. Cartell-Versammlung, der die Zugehörigkeit von CVern zur NSDAP verboten hatte, sei hinfällig. Auch der Kartellverband der katholischen Studentenvereine Deutschlands (KV) hob seinen Unvereinbarkeitsbeschluss auf und ordnete sich in „freudiger Bejahung der nationalen Neugestaltung Deutschlands […] in die Gesamtheit aller aufbauwilligen Kräfte der Nation ein.“