Vom Hinterland in die Großstadt
„Der III. Weg“ weitet seine Aktivitäten auf Siegen aus
Nach seiner Gründung im Dezember 2015 konzentrierte sich der „Stützpunkt Sauerland-Süd“ der Neonazi-Partei „Der III. Weg“ hauptsächlich auf den ländlich geprägten sauerländischen Kreis Olpe. Mittlerweile liegt der Schwerpunkt der Aktivitäten im etwa 30 Kilometer entfernten Siegen (Kreis Siegen-Wittgenstein).
Julian Bender, „Gebietsleiter West“ des Der III. Weg und seit Jahren einer der umtriebigsten Neonazis im südlichen Westfalen, ließ es sich nicht nehmen, den kleinen juristischen Erfolg seiner Partei öffentlich zu zelebrieren. Kurz vor seinem „Tag der Heimattreue“ am 15. Juni 2019 in der Kreisstadt Olpe hatte Der III. Weg juristisch die Durchführung eines Kampfsporttrainings auf der öffentlichen Versammlung erstreiten können. Zunächst war dies durch die Kreispolizeibehörde untersagt worden. Bender sprach in seiner Eröffnungsrede von einer „schwächlichen BRD, in der man es ja nicht mehr gern hat, wenn ein Mensch sich zu verteidigen weiß“.
In einem „Selbstverteidigungskurs“ unterrichteten anschließend Mitglieder der parteieigenen AG Körper & Geist überwiegend Kinder teilnehmender Neonazis. Der Großteil der rund 40 Teilnehmenden des „Tags der Heimatreue“ kam nicht aus dem Sauerland, sondern von außerhalb: teilweise aus Thüringen und Sachsen, aber vor allem aus dem Westerwaldkreis und dem Landkreis Altenkirchen (beide Rheinland-Pfalz).
Neben Bender, der in Wenden (Kreis Olpe) wohnhaft ist, sprachen an dem Tag auch der Parteivorsitzende Klaus Armstroff (Rheinland-Pfalz), der „Gebietsleiter Mitte‘“ Matthias Fischer (Brandenburg) und der „Stützpunktleiter Pfalz“ Mario Matthes (Rheinland-Pfalz). Zudem trat der Liedermacher Studio Drei auf. Dahinter verbirgt sich der Neonazi Andreas Schüßler aus Bad Laasphe (Kreis Siegen-Wittgenstein), der nicht nur für die musikalische Begleitung sorgte, sondern an einem Stand auch selbst geschnitzte Neonazi-Symbolik verkaufte. Die Veranstaltung in Olpe, die entgegen Benders Wünschen nicht auf dem zentralen Kurkölner Platz, sondern auf einem abgelegenen Parkplatz stattfand, bildete im Jahr 2019 fast schon eine Ausnahme. Spätestens seit April 2019 meldete Der III. Weg vorrangig Veranstaltungen in Siegen an und hat seinen Aktionsradius damit auf eine Großstadt ausgeweitet.
Aktivierung der Siegerländer Neonazi-Szene
Im Kreis Siegen-Wittgenstein, insbesondere im ehemaligen Kreis Siegen (Siegerland), gab es in den 1990er und 2000er Jahren gefestigte und oft sehr aktive Neonazi-Strukturen. Seit der Auflösung der Freien Nationalisten Siegerland (FNSI) im Jahr 2012 trat aber in der Öffentlichkeit keine Gruppierung mehr in Erscheinung. Sascha Maurer, ehemaliger Führungskader der FNSI, wird mittlerweile dem Umfeld des lokalen AfD-Kreisverbandes zugerechnet. Andere FNSI-Akteure treten nur noch punktuell politisch in Erscheinung.
Der III. Weg versucht, diesen Platz zu besetzen, nicht anders sind die acht Kundgebungen und Infostände zu verstehen, die von April 2019 bis Dezember 2019 in Siegen durchgeführt wurden, zumeist am zentralen Kölner Tor. Hinzu kommen drei Kundgebungen im benachbarten Kreuztal. Die Anzahl der Teilnehmenden bewegte sich in den meisten Fällen im mittleren einstelligen Bereich, lediglich zu einer Kundgebung gegen den Siegener Christopher Street Day am 27. Juli 2019 gelang es, rund 20 Neonazis zu mobilisieren. Die Redebeiträge auf den Kundgebungen werden in der Regel von Bender, vereinzelt aber auch vom Parteikader Alexander Winnen aus Wilnsdorf (Kreis Siegen-Wittgenstein) gehalten.
An den Kundgebungen nahmen mit Oliver Talaga und Niclas S. auch Mitglieder der Siegener Bären (früher Bärensturm) teil, einer rechten Hooligan-Gruppierung aus dem Umfeld des Fußball-Regionalligisten Sportfreunde Siegen. Auch Winnen ist regelmäßig im Block der „Bären“ anzutreffen.
Ausbau der Netzwerke
In Burbach-Lippe (Kreis Siegen-Wittgenstein) an der Grenze zu Rheinland-Pfalz und dem Westerwald verfügt Der III. Weg über eine Immobilie, die in jüngerer Vergangenheit mehrfach für interne Vortragsveranstaltungen und Liederabende genutzt wurde. So referierte dort am 10. November 2018 mit Carsten Schweizer aus Altenkirchen (Westerwald) ein ehemaliges Mitglied der in den 90er Jahren aktiven Sauerländer Aktionsfront (SAF). Schweizer ist regelmäßig auf den Kundgebungen in Siegen und im Kreis Olpe zugegen. Am 8. April 2017 bedrohte er in einer Olper Kneipe Gäste mit einer Machete und einem Totschläger. Am Nachmittag desselben Tages hatte er am Infostand des Der III. Weges in der Olper Innenstadt mitgewirkt.
Von 2013 bis 2014 hatten Neonazis um den Nationalen Widerstand Westerwald bereits eine Immobilie in Freudenberg (Kreis Siegen-Wittgenstein) angemietet, die der Vernetzung im Dreiländereck NRW, Rheinland-Pfalz und Hessen diente (vgl. LOTTA #57). Damals schon mit dabei war Jan-Lukas Grech. Grech zog dann 2014 zunächst nach Ansbach in Bayern, lebte danach für einige Zeit in Schweden und kehrte anschließend zurück. In der Zeit seiner Abwesenheit scheint er unter anderem Kontakte in das militante Neonazi-Skinhead-Netzwerk der Hammerskin Nation geknüpft zu haben. So posiert er in Sozialen Netzwerken mit „Support“-Kleidung der „Hammerskins“.
Grech zählt seit 2019 zum engeren Kreis um Bender. Auf dem „Tag der Heimattreue“ trug er ein T-Shirt der parteieigenen AG Körper & Geist und leitete einzelne Übungen des „Selbstverteidigungskurses“ an. Neben Schweizer und Grech nahmen in den vergangenen Monaten noch weitere Neonazis aus dem Westerwald an Veranstaltungen des Der III. Weg in Siegen teil.
„Idealisten“ und „Überzeugungstäter“
Zwar meldet Der III. Weg aktuell wohl in keiner anderen deutschen Großstadt so viele Veranstaltungen an wie zur Zeit in Siegen, nur selten gelang es aber, über die eigenen Kader hinaus zu mobilisieren. Die Partei macht aus dieser Not eine Tugend. So äußerte sich Bender auf dem „Tag der Heimattreue“ über die Arbeit seines Stützpunktes, es sei schließlich „auch nicht unser Ziel, dass wir uns über Masse definieren wollen. […] Hier arbeiten Idealisten, Überzeugungstäter — im politischen Sinne — […] gegen die Propaganda der BRD.“
Im fünften Jahr seines Bestehens organisieren sich im „Stützpunkt Sauerland-Süd“ weiterhin nur eine Handvoll Neonazis, wobei hier auch personelle Fluktuationen zu verzeichnen sind. Neonazis wie Daniel Hüttemeister, Isabell Helbing oder Oliver Bothe, die vor allem in den Anfangsjahren die Arbeit des Stützpunktes mitgetragen haben, beteiligen sich nicht mehr an öffentlichen Aktionen. Grech, Winnen und Schüßler haben ihre Plätze eingenommen.
Ausgebaut wurden hingegen die Netzwerke, vor allem zu den Restbeständen der Siegerländer Neonazi-Szene und dem „Stützpunkt Westerwald/Taunus“ des Der III. Weg. In Siegen selbst geht mit der gestiegenen Präsenz der Partei ein zunehmend offensives Auftreten von Neonazis einher. Das zeigen nicht nur die Entwicklungen auf den Tribünen der Sportfreunde, sondern auch die momentane Häufung von Raummarkierungen im Stadtbild und rechter Gewalt.