„Tragende Säule“ der AfD
Die „Junge Alternative“ in Rheinland-Pfalz
Jobs, Ämter oder Mandate in Parlamenten: Die Mitgliedschaft in der „Jungen Alternative“ in Rheinland-Pfalz (JA RLP) bietet gute Karriereaussichten. Offenkundige Verbindungen nach noch weiter rechtsaußen stellen hierbei für die AfD kein Problem dar.
Sie gehen auf Wanderungen, besuchen rechte Demonstrationen und nehmen an Podiumsdiskussionen mit anderen Parteijugendverbänden in Schulen teil. Sich selbst sieht der rheinland-pfälzische Landesverband der Jungen Alternative als „tragende Säule“ seiner Mutterpartei. Im Nachgang des AfD-Landesparteitags am 16. November 2019 in Bingen schrieb der JA-Landesvorsitzende Alexander Jungbluth, dass „neben den neuen Vorständen […] sowohl der Wahlleiter als auch einer der Versammlungsleiter JA-Mitglieder“ gewesen seien. Die Bande zwischen JA und AfD in Rheinland-Pfalz sind eng geknüpft.
JA im AfD-Landesvorstand
Mit den „neuen Vorständen“ meint Jungbluth vier JA-Mitglieder, die nun im AfD-Landesvorstand vertreten sind. Neuer stellvertretender AfD-Landesvorsitzender ist Sebastian Münzenmaier (MdB) von 2013 bis 2014 JA-Landesvorsitzender. Während seiner Kandidatur für den Bundestag wurde er wegen Beihilfe zu einer gefährlichen Körperverletzung angeklagt und verurteilt. Er war beteiligt, als Hooligans des 1. FC Kaiserslautern Mainzer Fans angriffen. Für das Berufungsverfahren wurde seine Immunität als MdB aufgehoben, und er wurde Ende 2018 in zweiter Instanz verurteilt. Robin Classen, bis Anfang 2019 Schriftführer der JA RLP, hat dieses Amt nun für den AfD-Landesverband inne. Classen schreibt unter anderem für die „neurechten“ Projekte Arcadi und Blaue Narzisse. Für letzteres hatte er 2017 Philipp Stein interviewt, für dessen Jungeuropa Verlag er mit Dominique Venners „Für eine positive Kritik: Das Ende der alten Rechten“ einen Klassiker der „Neuen Rechten“ übersetzte. Zum stellvertretenden Schriftführer der Landes-AfD wurde Justin Cedrik Salka gewählt, der der Identitären Bewegung (IB) nahesteht und sogar Kontakte zu Neonazis haben soll (siehe S. 40).
Damian Lohr, 2014 bis 2018 Vorsitzender der JA RLP, wurde zum Beisitzer gewählt. Er verließ den Landesvorstand der JA RLP im Februar 2018, um den JA-Bundesvorsitz zu übernehmen. Bereits im Mai 2016 war er für die AfD in den Landtag eingezogen. Im November 2016 wollte er mit Blick auf den Landesjugendring festgestellt haben, „dass ein Großteil der Mitgliedsverbände dem linksradikalen Spektrum angehören“ und stellte dessen Förderwürdigkeit in Frage. Lohr ist Mitglied der im extrem rechten Dachverband Deutsche Burschenschaft (DB) organisierten Burschenschaft Germania Halle zu Mainz. Am 3. März 2018 lief er bei einer rassistischen Demonstration in Kandel am Fronttransparent des IB-Blocks mit.
Korporierte Alternative
Der vorherige stellvertretende AfD-Landesvorsitzende Joachim Paul musste im November 2019 nach seinem wenig glaubhaften Dementi des Vorwurfs, als Karl-Ludwig Sand für die NPD-Zeitschrift hier & jetzt geschrieben zu haben, auf den angestrebten Landesvorsitz verzichten und sich mit einem Beisitzer-Posten zufrieden geben. Dass Paul als „Alter Herr“ der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn angehört, ist hingegen schon lange bekannt. Korporierte mit parlamentarischen Mandaten sind zwar insgesamt nicht selten, doch in der JA sind in erster Linie Mitglieder extrem rechter Verbindungen zu finden. Die Raczeks stellten beim Burschentag 2011 einen Antrag, der Mitgliedern „nicht-deutscher Abstammung“ den Zutritt in eine DB-Burschenschaft verwehren sollte. Der folgende interne Konflikt führte zu einer Spaltung, in deren Folge dutzende Burschenschaften die DB verließen.
Seitdem kann eine Mitgliedschaft in der DB als Zustimmung zu den völkischen Einstellungen der Raczeks gesehen werden. Mit Alexander Jungbluth löste 2018 ein anderer „Alter Herr“ der Raczeks Lohr als JA-Landesvorsitzenden ab. Jungbluth ist zudem stellvertretender AfD-Fraktionsvorsitzender im Kreistag Mainz-Bingen und Spitzenkandidat seines Kreisverbandes für die Nominierung der AfD-Kandidat*innen zur nächsten Landtagswahl 2021.
Der JA-Landesvorstand
Als die JA RLP im April 2019 den aktuellen Landesvorstand wählte, gratulierte Andreas Schäfer vom AfD-KV Westerwaldkreis und Arbeitgeber von Salka, der bei ihm eine Ausbildung zum Hörakustiker macht, bei Facebook: „Herzliche Glückwünsche an die jungen Kameraden! Und allzeit Kampfesmut!“ Doch es wurden auch zwei Beisitzerinnen in den Vorstand gewählt — im Gegensatz zum abgelösten Landesvorstand, der auf seinen Vorstandsfotos ausschließlich Männer präsentiert hatte. Als Angelina Bissingers politische Themen sind auf der JA-RLP-Homepage „Zuwanderung, Asyl“ ausgewiesen, Kathrin Bruders Schwerpunkte sind „Kultur und Weiterbildung, Tourismus“. Bruder gibt zudem an, als „persönlicher Referent“ zu arbeiten. Für wen lässt sie jedoch offen.
Vom 2018 gewählten Landesvorstand sind bis heute neben Jungbluth und Salka noch Pascal Bär und Ingmar Schneider dabei. Der ehemalige Soldat Bär demonstrierte in Kandel und am 9. April 2018 bei einer Kundgebung unter dem Motto „Merkel muss weg“ in Mainz. Im März benannte er in sozialen Netzwerken Mitglieder der Die Linke, die an einer antifaschistischen Kundgebung teilgenommen hatten. In Ludwigshafen sitzt er seit der Kommunalwahl in RLP am 26. Mai 2019 im Stadtrat und wurde zum Fraktionsvorsitzenden gewählt. Schneider gab 2017 an, eine Stelle bei der AfD-Fraktion im Landtag angetreten zu haben. Bei der Kommunalwahl 2019 verpasste er den Einzug in den Mainzer Stadtrat. Nachdem er als Raczek Kontakt zur Germania Halle zu Mainz aufgenommen hatte, trat er ihr bei. Im Mai 2019 veranstaltete die Germania einen Vortrag mit dem Landtagsabgeordneten und im November 2019 zum AfD-RLP-Landesvorsitzenden gewählten Michael Frisch. Zehn Jahre zuvor war dort der inzwischen verstorbene Hans-Joachim (Hajo) Herrmann zu Gast, ein hochdekoriertes ehemaliges Mitglied aus Hitlers Luftwaffenführungsstab, der später Jura studierte und unter anderem Holocaustleugner vor Gericht verteidigte.
Komplettiert wird der Landesvorstand durch den Wirtschaftsingenieur Martin Fischer als Schatzmeister, den Lehramtsstudenten Kai-Janick Karpinski als Schriftführer und den Elektrotechnik-Studenten Mirco Kos als Beisitzer.
„Von Vertrauen geprägt“
Der AfD in RLP mangelt es nicht an Nachwuchs mit Rechtsaußenverbindungen. Das zeigt ein Blick in den JA-Landesverband, aus dem viele auch Ämter und Funktionen für die AfD übernehmen. Von zentraler Bedeutung dürfte die enge Vernetzung von JA und AfD mit den DB-Burschenschaften sein. „Alte Herren“ unterstützen den Nachwuchs bei ihrer Karriere, Verbindungen in die extreme Rechte stehen einem Aufstieg alles andere als im Weg.
Nachdem im Januar 2019 die JA durch das VS-Bundesamt als Verdachtsfall eingestuft worden war, stellte Jungbluth im April 2019 nach seiner Bestätigung als JA-Landesvorsitzender klar: „AfD und JA gehören insbesondere in Rheinland-Pfalz eng zusammen. Die gemeinsame Arbeit ist durchgehend von Vertrauen und Konstruktivität geprägt.“