Demaskiert - Die Bewegung der Pandemie-Leugner*innen
Eine Einleitung in den Schwerpunkt
Die Corona-Pandemie hat weltweit zu einem Ausnahmezustand geführt, dessen Folgen bislang noch nicht abzusehen sind. Die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie in Deutschland gaben den Anlass zur Entwicklung einer neuen Protestbewegung, die seit Frühjahr 2020 das Demonstrationsgeschehen hierzulande maßgeblich geprägt hat, zum Teil mit Massenaufläufen im fünfstelligen Bereich. Eine Beteiligung unterschiedlicher Milieus, der nicht geringe Anteil von Beteiligten im Alternativ- und Hippie-Style, das Zeigen von Friedenssymbolen und dem Grundgesetz erschien in der öffentlichen Diskussion zunächst vielen Beobachter*innen im Widerspruch zum rapide ansteigenden Anteil von Aktiven aus dem extrem rechten Spektrum zu stehen. Im Verlauf der Proteste wurde jedoch schnell erkennbar, dass Verschwörungserzählungen, Antisemitismus sowie demokratiefeindliche Weltbilder und Forderungen massiven Einfluss auf dieses Protestmilieu nahmen. Zugleich ist es der gesellschaftliche Ausnahmezustand an sich, den sich die extreme Rechte seit jeher herbeigesehnt hat — getreu dem Motto des NS-konformen Staatsrechtlers Carl Schmitt: „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet.“ Die gesamte extreme Rechte witterte in diesem neuen Protestgeschehen Morgenluft und versuchte in unterschiedlicher Art und Weise, Einfluss zu nehmen, was nicht ohne Auswirkungen blieb. So zählen die Massenaufmärsche der Pandemie-Leugner*innen im August 2020 in Berlin mit zu den bisher größten Veranstaltungen mit extrem rechter Beteiligung nach 1945 in Deutschland. Zudem radikalisierte sich das Protestgeschehen hinsichtlich gewaltförmiger Praxis: In Leipzig etwa wurden Gegendemonstrant*innen massiv angegriffen, die Antifa kristallisierte sich zur zentralen Feindbildmetapher der gesamten Pandemie-Leugner*innenszene heraus.
Der freie Journalist Lucius Teidelbaum gibt in seinem Beitrag einen Überblick über die Entwicklung der Pandemieleugner*innen-Bewegung.
Über die Ergebnisse eines Forschungsprojekts des Forschungsschwerpunktes Rechtsextremismus/Neonazismus (FORENA) der Hochschule Düsseldorf über Pandemie-Leugner*innen-Proteste in NRW berichtet der FORENA-MitarbeiterAlexander Häusler.
Auch die AfD als parlamentarischer Arm der extremen Rechten auf der Straße versucht, das Protestgeschehen und den Ausnahmezustand für sich nutzbar zu machen. Der freie Journalist Rainer Roeser informiert über das Spannungsfeld zwischen Instrumentalisierungsversuchen und Konflikten innerhalb der AfD.
Auf Bitte der LOTTA sprach die Historikerin Sabine Reimann mit Clemens Hötzel, Mitarbeiter von SABRA — Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit. Beratung bei Rassismus und Antisemitismus, über Antisemitismus im Zusammenhang mit der Pandemieleugner*innen-Bewegung.
Über ihre Erfahrungen aus neun Monaten Recherche und Gegenprotest zu Aktionen von Pandemie-Leugner*innen in Frankfurt am Main berichtet die Initiative Aufklärung statt Verschwörungsideologien.