An der Gabelung rechts
Die rheinland-pfälzische AfD orientiert sich neu
Die Konstituierung des im März 2021 neu gewählten Landtags markierte das Ende der RLP-AfD unter Uwe Junge. Dieser prägte in der Öffentlichkeit den Landesverband und war intern als kompromissloser Gegner des „Flügels“ gefürchtet. Sein Abgang zieht Veränderungen nach sich. Kurz nach der Landtagswahl sorgten schon erste Konflikte für Aufsehen.
Uwe Junge führte von 2015 bis 2019 den Landesverband der AfD in RLP an und fungierte bis 2021 als Fraktionsvorsitzender im Mainzer Landtag. Sein Nachfolger in beiden Funktionen ist nun Michael Frisch. Als informeller Chef der AfD im Land galt allerdings lange Zeit Joachim Paul. Wenn es um wichtige Entscheidungen im Landesverband ging, tauchte der „Alte Herr“ der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn an zentraler Stelle auf. Um ihm sammelten sich weitere Burschenschaftler wie der ehemalige Bundesvorsitzende der Jungen Alternative (JA) und Landtagsabgeordnete Damian Lohr von der Germania Halle zu Mainz oder der Landesvorsitzende der JA, Alexander Jungbluth (MdL), der ebenso Mitglied der Raczeks ist. Auch der Bundestagsabgeordnete Sebastian Münzenmaier (Mainz) gehörte bislang zu den Stichwortgebern in Rheinland-Pfalz.
In Darstellungen über die AfD wurde diesem Machtzentrum allzu gerne ein vermeintlich bürgerliches Lager um Uwe Junge gegenübergestellt. Dies greift aber zu kurz. Vielmehr hat der Landesverband ein tonangebendes Zentrum, das sich strategisch ausrichtet. Inhaltliche Positionierungen sind dabei zweitrangig. Beispielsweise bezeichnete Junge noch am 19. Juni 2021 im Internet die Kapitänsbinde in Regenbogenfarben eines Fußballspielers mit einem schwulenfeindlichen Schimpfwort. In der Folge äußerte Jungbluth, wer solche Beleidigungen verwende, „hat in der AfD keinen Platz!“ Bundessprecherin Alice Weidel legte Junge öffentlich den Parteiaustritt nahe. Junge löschte seine Aussage und entschuldigte sich. Ein „Alter Herr“ einer extrem rechten Burschenschaft, der den vermeintlich bürgerlich-konservativen Politiker wegen diskriminierenden Aussagen kritisiert?! Besser lässt sich strategisches Handeln einer Partei drei Monate vor der Bundestagswahl nicht beschreiben.
Ein Spalt im Exterieur
Ende März 2021, keine zwei Wochen nach der Landtagswahl, zeichnete ein Konflikt ein völlig anderes Bild. Bernd Schattner, stellvertretender Landesvorsitzender und vierter auf der rheinland-pfälzischen Bundestagswahlliste, forderte in einer internen Mail, noch vor dem geplanten Bundesparteitag im April den Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen abzuwählen. Damit positionierte sich Schattner deutlich im Richtungsstreit der AfD gegen den Bundesvorstand auf Seiten des als aufgelöst geltenden „Flügels“. Daraufhin forderte eine Gruppe um Joachim Paul Schattners Rücktritt. Doch der Landesvorstand distanzierte sich in einer dreizeiligen Pressemitteilung von Pauls Forderung. Anstatt Schattner zur Ordnung zu rufen, „missbilligt der Landesvorstand […] die Pressemitteilung von Joachim Paul“. Pro forma stellt sich der Landesverband noch hinter Jörg Meuthen und Tino Chrupalla, auch wenn es um letztgenannten gar nicht ging. Bemerkenswert, denn Paul ist nach wie vor selbst Mitglied des Landesvorstands. Einstimmig würde bedeuten, dass er sich der Missbilligung seiner eigenen Pressemitteilung angeschlossen hätte. Es scheint, als wäre seine Zeit als informeller Chef des Landesverbands vorbei.
Doch damit nicht genug. Knappe drei Wochen vor der Landtagswahl, schrieb Junge anlässlich Alexander Gaulands 80. Geburtstag auf Twitter: „ohne ihn hätten wir eine bürgerliche, konservative und wählbare Opposition. […] dennoch herzlichen Glückwunsch.“ Der Landesvorstand forderte Junge zu einer Stellungnahme auf und drohte Ordnungsmaßnahmen an. Wie diese sich vor dem Hintergrund der neuen Querelen um Junges diskriminierende Äußerungen entwickeln werden, ist offen. Doch Junge hat nichts mehr zu verlieren. Ende Mai veröffentliche er zusammen mit Peter Hain ein Buch „Rechts vs. Rechts“. Dort äußert Junge, die JA mit Damian Lohr, Justin Cedric Salka, Robin Classen und Alexander Jungbluth hätte den Landesverband längst übernommen. An der Spitze sieht er Sebastian Münzenmaier.
Der Hooligan im Bundestag
Sebastian Münzenmaier hatte 2019 Joachim Paul in seiner Funktion als stellvertretender Landesvorsitzender abgelöst. Bei der Bundestagswahl ist er rheinland-pfälzischer Spitzenkandidat, ebenso wie bereits 2017. Im Mai 2017 wurde er wegen Unterstützung eines Hooliganüberfalls auf Mainzer Fußballfans angeklagt (vgl. LOTTA #68). Trotzdem hielt ihn der Landesverband auf der Spitzenposition. Im Dezember 2018 wurde er schließlich in zweiter Instanz wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 16.200 Euro verurteilt.
Auf Münzenmaiers Blog veröffentlicht das „Team Münzenmaier“ täglich mehrere Artikel. Besonders häufig stehen dort die Corona-Schutzmaßnahmen am Pranger. Damit erreicht er das Spektrum der Pandemieleugner*innen, unabhängig davon, welche Positionen seine Partei vertritt. Im Flächenland Rheinland-Pfalz könnte das wichtige Stimmen bedeuten. Die AfD scheint auch räumlich in „Rheinland“ und „Pfalz“ zweigeteilt. Die westlichen Kreisverbände wie Trier, Vulkaneifel-Daun oder Ahrweiler erzielen deutlich unterdurchschnittliche Wahlergebnisse, haben wenig Personal und treten verhältnismäßig selten an die Öffentlichkeit. Anders sieht es in der Pfalz aus. Im Corona-Wahlkampf fanden hier Versammlungen auf öffentlichen Plätzen statt. Kreisverbände wie Pirmasens oder Ludwigshafen liefern der Partei die höchsten Wahlergebnisse im Land. Auch personell ist die AfD im Südosten des Landes besser aufgestellt. Zuletzt attackierte Andreas Mansky, Mitglied der AfD-Kreistagsfraktion Rhein-Pfalz, den Bürgermeister von Mutterstadt, Hans-Dieter Schneider (SPD). Mansky verweigerte einen Coronatest vor der Kreistagssitzung und begann zu randalieren. Von Schneider angesprochen, schlug Mansky diesem ins Gesicht.
Fortsetzung folgt
Ob sich die pfälzischen AfD-Verbände im Wahlkampf hinter Münzenmaier stellen, hängt von seiner Selbstinszenierung ab. Leutseliger Biedermann wie in seinen Videos oder rechter Krachmacher, den sein Blog verspricht? Mit letzterer verprellt er die westlichen Kreisverbände. Aber als Leisetreter wird er auch nicht den gesamten Landesverband hinter sich vereinen.
Die nächsten Monate werden zeigen, ob sich die zurückhaltenden Strategen durchsetzen. Der Landesvorsitzende und neue Fraktionsvorsitzende Michael Frisch wird die Konflikte der Bundesebene im Land nicht unter Kontrolle bekommen, und Uwe Junge hat sich aus allen Parteigremien verabschiedet. Das burschenschaftliche Netzwerk der AfD um Joachim Paul könnte vor die Wahl gestellt werden, ob sie sich hinter Münzenmaier versammeln. Der hat bereits als Fürsprecher die JA auf seiner Seite. Fest steht, dass es bei den anstehenden Ränkespielen inhaltlich keine mehr oder weniger rechts Stehenden gibt. Die einen wollen lediglich nicht die bürgerlich gemäßigte Maske fallen lassen.