Strohfeuer „neurechter“ Hipster

„Arcadi“ geht im „Zuerst!“-Magazin auf

„Wir wollen unterhalten, informieren und einen Kontrast zum Alltag bilden“, schrieb Herausgeber Yannick Noé 2017 im Vorwort der ersten Ausgabe des Magazins „Arcadi“. Man sei angetreten, ein „wertiges Kulturmagazin für junge Europäer“ herauszugeben. Etwas mehr als drei Jahre später ist das Blatt nach nur zehn Ausgaben am Ende und geht im Monatsblatt „Zuerst!“ auf.

„Wir wollen unterhalten, informieren und einen Kontrast zum Alltag bilden“, schrieb Herausgeber Yannick Noé 2017 im Vorwort der ersten Ausgabe des Magazins „Arcadi“. Man sei angetreten, ein „wertiges Kulturmagazin für junge Europäer“ herauszugeben. Etwas mehr als drei Jahre später ist das Blatt nach nur zehn Ausgaben am Ende und geht im Monatsblatt „Zuerst!“ auf.

Anfang 2021 beklagte sich Noé in einem Brief an die Abonnent*innen der Arcadi, dass es „in Zeiten von Internet und Netflix“ fast unmöglich sei, ein Print-Magazin kostendeckend zu vertreiben. Deshalb werde Arcadi „zum Jahreswechsel mit ZUERST! vereinigt.“ Weitergeführt wird der Brief vom Zuerst!-Chefredakteur Manuel Ochsenreiter: Bedauerlicherweise könne die Arcadi-Redaktion ihre Arbeit „nicht autark fortsetzen“, weshalb die „anspruchsvolle Leserschaft“ künftig mit dem „Nachrichtenmagazin“ aus dem Hause des extrem rechten Medienmoguls Dietmar Munier (Verlagsgruppe Lesen & Schenken GmbH) beliefert werde. De facto handelt es sich bei der Vereinigung um die Einstellung des Arcadi Magazins, das angetreten war, mittels eines „hippen“ Images junge Menschen jenseits des eigenen Milieus zu erreichen. Das ist offensichtlich kaum gelungen. Der hohe Aufwand bei kleiner Auflage wird sich nicht gerechnet haben. Des Weiteren lockten die Macher*innen vermutlich neue und der eigenen Karriere förderliche Tätigkeiten bei der AfD. Noé ist inzwischen der Verantwortliche im Sinne des Presserechts von Patria, dem Magazin der Jungen Alternative (JA). Auch der Shop der JA lief bis vor kurzem über die Arcadi Media UG, die aber mittlerweile in Auflösung ist.

Entwicklung

Nachdem schon seit 2016 eine Online-Präsenz von Arcadi bestand, erschien im Oktober 2017 die erste Printausgabe. Das Magazin war, und das blieb so bis zum Ende, nur im Abo oder über diverse Shops, aber nicht am Kiosk zu erwerben. Mit zuerst 6,00 und später 8,50 Euro für 80 Seiten war es verhältnismäßig teuer. Die Titelbilder und das Layout hielten bei weitem nicht, was man von einem „Lifestyle-Magazin“ erwartet. Analysiert man die Autor*innenschaft des Magazins, so entsteht das Bild eines kleinen, sich über die Ausgaben hinweg aufbauenden Stamms an Schreibenden, die von Anfang an über verschiedene Netzwerke miteinander verbunden waren. Zu nennen sind hier etwa die als extrem rechte „Schülerzeitung“ gestartete Blaue Narzisse, in der beispielsweise schon Sebastian Pella, Robin Classen und Justin Cedric Salka schrieben; die Identitäre Bewegung (IB) mit Stammschreiber Volker Zierke, dem ehemaligen Regionalleiter der IB in Schleswig-Holstein; und natürlich Personen aus den Reihen der JA beziehungsweise der AfD wie Maximilian Kneller, Anja Jacob, Robert Leon Pawlick oder Fredric Höfer. Dazu kamen auch Personen mit einer Vorgeschichte im Neonazismus, wie der ehemalige Bundesvorsitzende der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN, heute: Junge Nationalisten), Michael Schäfer, oder der ehemalige Kameradschafts-Aktivist Daniel Pommerenke.

Pure Ideologie

Zentraler Bezugspunkte waren die AfD und insbesondere die JA, für die Noé und viele Schreibenden tätig waren (vgl. LOTTA #72, S. 31 ff.). Wenig verwunderlich diente das Heft der Partei und ihren Akteur*innen als Plattform, etwa wenn der AfD-Bundestagsabgeordnete Jan Nolte interviewt wurde. Auch die Aktionen der „Identitären“ erhielten ihren Raum, so beispielsweise als diese mit einem gecharterten Schiff auf dem Mittelmeer erfolglos versuchten, Seenotrettungsaktionen zu behindern. Mit Artikeln wie „Den Sozialismus rehabilitieren?“ von Florian Sander über den Antidemokraten der Zwischenkriegszeit Arthur Moeller van den Bruck positionierte sich Arcadi wirtschaftspolitisch in der Nähe des „Flügels“ von Björn Höcke.

Stetig wiederkehrende Themen waren Sex und Gender. Seien es stereotype Vorstellungen von dem „Was Frauen von Männern wollen!“ oder von Schwanger- und Mutterschaft: Die Darstellung variierte zwischen konservativ und reaktionär bis hin zu „Sex sells“. Mittels gezwungen wirkenden Artikeln wie „Mate als rechtes Szenegetränk“ oder „Hosenträger? Ja! Aber wie?“ versuchte Arcadi sich hingegen als „Lifestyle-Magazin“ für Bart geölte rechte Hipster darzustellen.

Viel Werbung

Für Magazine der extremen Rechten ist es oft schwierig, Werbeanzeigen zu akquirieren, bei Arcadi fand sich hingegen viel Werbung, in Arcadi 1/2020 sogar auf 20 Prozent der Seiten. Auf fünf Seiten warb man für sich selbst, auf fast zwei Seiten warben Burschenschaften, je eine Seite nahmen die Kanzleien der AfD-zugehörigen Anwälte Enrico Komning und Dubravko Mandic sowie das Compact- und das Zuerst!-Magazin ein. Der Verein Einprozent sowie die von IB-Kadern gegründete Firma Okzident Media warben ebenfalls im Heft. Die AfD und das IB-nahe Medienprojekt Laut gedacht waren mit jeweils einer halben Seite vertreten. Während die zuvor genannte Werbung das eigene Spektrum repräsentierte, sind die in der ersten Ausgabe 2017 werbenden Firmen Greifvogel Wear und Sonnenkreuz Versand eindeutig dem neonazistischen Milieu zugehörig. Inhalt fand sich im Heft hingegen eher wenig. Großformatige Bilder, Seiten mit viel Freiflächen und eine sehr geringe Zeichenzahl kennzeichneten das Blatt.

Scheitern der „Kontrakultur“

Als Noé in der dritten Ausgabe verkündete, „Arcadi soll das Flaggschiff einer kontrakulturellen sowie künstlerischen Bewegung sein“, so benannte er tatsächlich einen wesentlichen und kontinuierlichen Schwerpunkt des Blattes. Als Türöffner sollten der RechtsRock-Musiker Sacha Korn und der Rapper Chris Ares, bürgerlich Christoph Aljoscha Zloch, dienen. Ares wurde interviewt, schrieb eine Kolumne, und was auch immer er tat, es war Arcadi eine Meldung wert. Die Arcadi Media UG, die auch als Arcadi Musik auftrat, sollte die erwarteten Erfolge von Chris Ares und dem Rapper „Prototyp“ aka Kai Alexander Naggert (vgl. LOTTA #75, S. 36 f.) vermarkten. Tatsächlich erschienen auf dem Label jedoch nur eine CD und einige Lieder als Downloads. Ende 2020 kündigte Ares an, sich von Arcadi Musik zu trennen. Wenig später erklärte er seinen Rückzug aus der Öffentlichkeit. Neben der Musik wollte Arcadi der „Kontrakultur“ über einen zweiten Bereich zum Durchbruch verhelfen, den Comics. Ab der ersten Ausgabe waren Comics beziehungsweise Rezensionen selbiger feste Bestandteile des Blattes. „Besonders stolz sind wir auf den ersten eigenen Arcadi Comic zu Karl Martell. Wenn uns großer Zuspruch ereilt, werden wir das Format weiter ausbauen und eigene Comichefte produzieren“, posaunte Arcadi, nachdem in der Ausgabe 2/2018 auf zwei Seiten das „germanische Heer“ von Martell die unter „Allahu Akbar“-Rufen angreifenden Mauren besiegt hatte. Die Comics wurden nicht realisiert. Michael Schäfer gründete Ende 2019 den auf Comics spezialisierten Hydra Verlag ohne erkennbare Unterstützung durch Arcadi. Dass die Akteur*innen der „Kontra-Kultur“ nicht die erhofften Erfolge erzielten beziehungsweise entweder im Nichts verschwanden oder sich in Richtung Neonazismus radikalisierten, dürfte ebenfalls zur Aufgabe des Projekts Arcadi beigetragen haben.

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