Polit-Netzwerk der Crash-Propheten

Die rechtslibertäre „Atlas Initiative“ aus Frankfurt

Die „Atlas Initiative“ strebt eine Gesellschaft an, in der eine absolut freie Marktwirtschaft ohne sozialen Ausgleich herrscht. Sie möchte die „traditionelle Kernfamilie“ stärken, richtet sich gegen „illegale Einwanderung“ und fordert „Meinungsfreiheit statt politischer Korrektheit“. Der Aufbau bundesweiter Strukturen soll helfen, ihre Vorstellungen durchsetzen.

Die „Atlas Initiative“ strebt eine Gesellschaft an, in der eine absolut freie Marktwirtschaft ohne sozialen Ausgleich herrscht. Sie möchte die „traditionelle Kernfamilie“ stärken, richtet sich gegen „illegale Einwanderung“ und fordert „Meinungsfreiheit statt politischer Korrektheit“. Der Aufbau bundesweiter Strukturen soll helfen, ihre Vorstellungen durchsetzen.

Die Atlas Initiative (AI) wurde 2019 in Frankfurt gegründet. Sie entspringt dem Wirtschafts- und Lobbynetzwerk um den im November 2021 verstorbenen Milliardär und rechten Geldgeber August von Finck Jr. Ihr Initiator und Vorsitzender ist Markus Krall, der als Geschäftsführer der Degussa Sonne/Mond Goldhandel GmbH und des dazugehörigen Museums Goldkammer in Frankfurt für Fincks Unternehmensgruppe tätig ist. (vgl. LOTTA #79, S. 44—46)

Der Name der Initiative bezieht sich auf den Roman „Atlas Shrugged“ (1957) der US-amerikanischen Philosophin Ayn Rand, welches zu einem Kultbuch des Rechtslibertarismus avancierte. Darin entwickelt sie die Theorie des „Objektivismus“, in der individueller Egoismus zur höchsten Tugend erhoben wird, die sich nur in einem absolut freien Markt entfalten könne. Jegliche staatliche Maßnahmen zur Regulierung der Wirtschaft und Umverteilung werden abgelehnt. Markus Krall vertritt ähnliche Postionen wie Rand. So brandmarkt er jegliche sozialstaatliche Maßnahmen als „sozialistisch“ und fordert, dass allen, die staatliche Gelder wie Bafög oder Sozialhilfe in Anspruch nehmen, das Wahlrecht entzogen wird. In seinem Bestseller „Die Bürgerliche Revolution“ (2020) spricht er von einer Indoktrination durch „Einheitsmedien“ und bevorstehenden „epochalen Wirtschaftskrisen“, die zu einer „kommunistischen Revolution“ von „Islamisten“ und „Antifa“ führen würden. Dagegen müssten sich wohlhabende BürgerInnen notfalls mit Gewalt wehren, also sich an die Macht putschen. Entsprechend ist die „Verteidigung des Rechts auf Privateigentum“ eine zentrale Forderung der AI.

Als „Crash-Prophet“, der stets den bevorstehenden Zusammenbruch von Wirtschaft und Staat beschwört, erkannte Krall auch in der Covid19-Pandemie eine Chance zur Agitation. „Ich kann dazu nur aufrufen, dass sich jeder Beamte fragt, ob er Befehle, die er bekommt, so befolgen kann“, so Krall im Juli 2020 in einem Vorstellungsvideo seiner Atlas Initiative in Bezug auf Polizeimaßnahmen bei verschwörungsideologischen Corona-Demonstrationen.

Die Struktur

Im aktuellen Vorstand der AI sitzt neben Markus Krall noch Hanns-Christian Salger, ein Rechtsanwalt der Kanzlei Bremenkamp Salger und Honorarprofessor an der Uni Frankfurt. 2014 trat er nach der Amtsenthebung des Landesschatzmeisters Peter Ziemann und des Landesvorsitzenden Volker Bartz unter dem ehemaligen Bundesvorsitzenden Bernd Lucke als Vorstandssprecher der AfD Frankfurt zurück. Ziemann hatte Migrant*innen als „Ungeziefer“ bezeichnet, Bartz hatte ihn verteidigt und sich fälschlicherweise als „Prof. Dr.“ ausgegeben. 2020 referierte Salger bei der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung zu Asylrecht. Wegen seinem Engagement für die Atlas Initiative hatte der AStA der Uni Frankfurt im September 2021 seine Entlassung gefordert, doch der Fachbereich Rechtswissenschaften und das Uni-Präsidium stellten sich hinter Salger.

Der Vorstand wird komplettiert durch Benjamin Mudlack und Juliane Ried sowie den Geschäftsführer Markus Ross, Autor der rechten Frankfurter Zeitschrift Tichy’s Einblick von Roland Tichy. Ried ist CSU-Mitglied und Vorsitzende des parteinahen Vereins Konservativer Aufbruch, der eine rechte Erneuerung der Partei anstrebt. Mudlack ist Autor des Lichtschlag Verlags von André Lichtschlag, dem Herausgeber der rechten Zeitschrift eigentümlich frei.

Auffällig ist die patriarchale Organisationsweise im Rechtslibertarismus, wo Führungsaufgaben fast ausschließlich von Männern übernommen werden. Auch Juliane Ried betont auf der AI-Webseite, dass sie sich trotz Studium zunächst um die Kindererziehung gekümmert habe, bevor sie anfing, im Büro ihres Mannes zu arbeiten.

Derzeit arbeitet die AI am Aufbau regionaler Strukturen im gesamten Bundesgebiet, wozu eine Unterteilung in 99 Sektionen vorgenommen wurde. Bislang sind aber nur 20 Sektionen mit örtlichen Verantwortlichen aktiv. Schwerpunkt ist Nordrhein-Westfalen mit den „Sektionsleitern“ Laslo Hunhold (Siegen/ Hagen/ Hamm/ Köln/ Aachen/ Bonn), Markus Hartmann (Düsseldorf/ Dortmund/ Mönchengladbach) und André Schiemann (Essen/ Gelsenkirchen). Den Sektionen Oldenburg und Wilhelmshaven stand der Ende März verstorbene Enno Samp vor, Pressesprecher der AfD-Delegation im Europaparlament und Gründer des Oldenburger Ablegers der rechtslibertären Friedrich A. von Hayek Gesellschaft (FHG). Krall ist bei der FHG im gesamten Bundesgebiet ein gern gesehener Gast. Seit 2017 übersetzte und vertrieb Samp die Kinderbuchreihe „Tuttle-Zwillinge“ des US-amerikanischen Politikberaters Connor Boyack, die Kinder gegen „political correctness” immunisieren und die Vorzüge eines ungezügelten Kapitalismus aufzeigen soll. Weitere Sektionsleiter sind Thomas Bach (Kiel), Franz Hofstetter (Rosenheim), Martin Macke (Würzburg/ Schweinfurt) und Daniel Bornholdt (Bremen/ Hamburg/ Celle).

Medien

Zur Bundestags- und Europawahl wird seit 2017 Denk-Mal über den vom ehemaligen FDP-Politiker Fritz Goergen geführten Polus Verlag herausgegeben. Goergen schreibt zudem für Tichy’s Einblick. Bei Denk-Mal handelt es sich im Wesentlichen um eine Zusammenstellung von Links zu rechten Medienberichten. Sie sollen eine liberale Demokratie am Abgrund vermitteln, in der man sich selbst schützen müsse: durch den Kauf von Sachwerten wie Gold zur „Vermögenssicherung“ und die Schaffung einer neuen Regierungsordnung. Redigiert wurde es auch vom Frankfurter Galeristen Thomas Punzmann. Der Rundbrief Adpunktum, ebenfalls eine Zusammenstellung überwiegend rechter Medienberichte zu Politik und Wirtschaft, erscheint regelmäßig.

Seit den „Lockdowns“ im April 2020 betreibt die AI ihren eigenen YouTube-Kanal, über den Propagandavideos, auch mit Bezug zur Covid19-Pandemie, geteilt werden, vornehmlich um ein „Gegengewicht zu den Mainstream-Medien“ zu bieten. Der Kanal verfügt mittlerweile über 40.000 Abonnent*innen.

Unbeachteter gesellschaftlicher Einfluss

Wie weit rechtslibertäre Vernetzung und Einfluss reichen, zeigt sich am Beispiel der Wallstreet Online AG (WO), welche den Online-Broker Smartbroker betreibt. Auf der Nachrichtenseite von WO werben Salger und Ross für die AI durch Meinungsbeiträge, in denen von straffreien „islamistischen Vergewaltigern“ und Angela Merkel als „(National-)Sozialistin“ schwadroniert wird. Smartbroker gab 2020 das rechte Finanzmagazin Smart Investor von Ralf Flierl kostenlos an Anleger*innen heraus. Hier kommen „Crash-Propheten“ wie Max Otte (Bundespräsidentschaftskandidat der AfD) oder Thorsten Schulte (vgl. LOTTA #71, S. 45 ff.) zu Wort. So können Rechtslibertäre neue Anhänger*innen gewinnen und ihren gesellschaftlichen Einfluss ausbauen.

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