„Abschiebehaft soll eine Blackbox bleiben“
Interview mit dem Bündnis „Abschiebegefängnis verhindern - in Düsseldorf und überall“
Woher kam die Initiative für das Bündnis?
Anfang des Jahres haben wir uns als offenes Bündnis gegründet. Die Initiative kam aus antirassistischen Gruppen in NRW, die zum Teil schon lange miteinander vernetzt sind, unter anderem den Leuten, die sich in Büren gegen die Abschiebehaft engagieren oder die Seebrücke-Gruppen. Wir wollen jedoch nicht nur den Bau eines Abschiebegewahrsams am Düsseldorfer Flughafen verhindern, sondern positionieren uns klar gegen jegliche Abschiebung, gegen die rassistische Praxis, die Menschen das Recht auf Bewegungsfreiheit, die Wahl des Wohnortes und Schutz vor Gewalt, Armut und Verfolgung verwehrt. Zum Start der Kampagne haben wir einen Aufruf verfasst, den zahlreiche Geflüchteteninitiativen, Gruppen und Organisationen unterschrieben haben.
Könnt ihr den Plan, einen „Abschiebegewahrsam“ zu bauen, in die aktuelle Abschiebepraxis einordnen?
Der Düsseldorfer Flughafen ist der zweitgrößte Abschiebeflughafen Deutschlands. Laut Flüchtlingsrat NRW wurden 2021 von NRW aus 2.903 Personen abgeschoben. Dazu muss aber gesagt werden, dass sich die Zahlen während der Pandemie wegen gestrichener Flüge und geschlossener Grenzen halbiert haben. Von 2015 an bis zum Beginn der Pandemie wurden von Deutschland aus jedes Jahr 20.000 bis 25.000 Menschen abgeschoben. Jetzt werden Abschiebungen europaweit wieder zunehmen, weitere Haftplätze sind folglich im Interesse der Abschiebebehörden. Das Bauvorhaben in NRW ist aktuell auch nicht das einzige: Am Flughafen Berlin-Brandenburg soll ein Abschiebezentrum entstehen, und letztes Jahr wurden zwei neue Abschiebehaftanstalten in Schleswig-Holstein und Bayern in Betrieb genommen. Generell vereinfacht ein sogenannter Ausreisegewahrsam den „Ausländer“- und Vollzugsbehörden die Abschiebung. Hierbei reicht anders als bei der Abschiebehaft für die Anordnung bereits, dass die Ausreisefrist mehr als 30 Tage abgelaufen ist oder die „Ausländer“behörde den Eindruck hat, ein Mensch würde seine „gesetzlichen Mitwirkungspflichten“ an seiner Abschiebung verletzen — Sachbearbeiter*innen haben damit einen größeren Ermessensspielraum. „Ausreisegewahrsam“ können Behörden auch ohne Fluchtgefahr anordnen, zudem können Frauen, Männer und Kinder zusammen untergebracht werden. Aber: „Ausreisegewahrsam“ muss laut Gesetz im Transitbereich oder in der Nähe eines Flughafens angesiedelt sein. Der bundesweit größte Abschiebeknast in Büren ist mit 150 Kilometern zu weit vom Flughafen Düsseldorf entfernt. Der neue „Ausreisegewahrsam“ würde organisatorisch zum Abschiebeknast in Büren gehören.
Was würde der „Ausreisegewahrsam“ konkret für die Betroffenen bedeuten?
„Ausreisegewahrsam“ darf maximal zehn Tage dauern und soll den Behörden die unmittelbare Durchführung der Abschiebung erleichtern. Der Transport der Menschen in den frühen Morgenstunden per Bus zum Flughafen entfiele, da sie bereits vor Ort wären. Ausgefallene und verspätete Flüge wären weniger problematisch, ebenso wie Verzögerungen bei der Anfahrt. Der Vollzug könnte reibungsloser abgewickelt werden. Das würde auch bedeuten, dass jegliche Kontrolle von außen wegfällt. Der Abschiebevorgang würde noch unsichtbarer werden. Übergriffe und Gewalt gegenüber den Eingesperrten würden gar nicht mehr nach außen dringen, genauso wenig wie die Geschehnisse während der Abschiebungen oder die Abschiebungen selbst. Gegen Abschiebungen gibt es immer wieder Proteste oder spontane Solidaritätsbekundungen am Flughafen. Diese sind unbequem und störend für die Verantwortlichen. In Zukunft könnte die Zeit fehlen für eine kritische Abschiebebeobachtung oder das Skandalisieren des Vollzugs. Dem Widerstand gegen eine Abschiebung wird auf diese Weise die Solidarität von außen entzogen. Abschiebehaft soll eine Blackbox bleiben.
Welche Rolle spielt die Stadt Düsseldorf? Der Flughafen gehört ihr ja immerhin zur Hälfte.
Die Öffentlichkeit wird von der Stadt Düsseldorf nicht informiert. Sämtliche Fragen landen im Nichts. Auch auf eine Anfrage der Ratsfraktion der Linken antwortete die Stadtverwaltung nur spärlich: Es würden Gespräche geführt mit dem zuständigen Ministerium, die Suche nach einem geeigneten Bauplatz beschränke sich auf das Flughafengelände. Die Bebauung eines landeseigenen Grundstücks in der Stadt Düsseldorf wird von dieser bisher abgelehnt. Daher wird das Flughafengelände fokussiert und mit der Flughafengesellschaft verhandelt.
Was erwartet ihr von der neuen Landesregierung?
Die Grünen in NRW hatten sich vor der Wahl gegen Abschiebungen beziehungsweise den neuen Abschiebeknast positioniert. Sie halten Abschiebungen aber dennoch für ein „letztes Mittel der Wahl“ und setzen auch auf „freiwillige“ Ausreisen beziehungsweise wollen den Rechtsweg einhalten. Bereits eine ausreichende und unabhängige Rechtsberatung ist aber in der Realität ein Problem, besonders in Abschiebehaft. Spannend wird, wie sich die neue Landesregierung dazu positioniert und ob sie an den Entscheidungen der alten festhalten wird — besonders, weil die CDU das Projekt vorantreiben will. Vermutlich wird es sein wie überall, wo Die Grünen in der Regierung sind: Sie werden kein Sand im Getriebe sein, wir kennen das aus Hessen.
Wie realistisch ist euer Ziel das „Abschiebegefängnis“ zu verhindern und was sind eure nächsten Schritte?
Noch ist das Ganze nur gedacht und nicht im Bau, das ist unsere Chance. Nach unserem Kenntnisstand sind die Pläne noch nicht sehr weit vorangeschritten, der Platz auf dem Flughafen ist begrenzt. Wichtig ist, dass das geplante Gefängnis zwar ein kleines, aber eben bedeutsames Rädchen der rassistischen Abschiebemaschinerie wäre. 25 Plätze klingen vielleicht erst mal wenig, bedenkt man aber die maximale Haftdauer von 10 Tagen, könnten dort pro Jahr knapp 1.000 Personen eingesperrt werden. Die Erfahrungen aus Hamburg zeigen, dass die Haftplätze quasi dauerhaft belegt sind. Die Entwicklungen in Düsseldorf sind auch von bundesweiter Bedeutung. Um die Planungen für das Abschiebegefängnis zu stoppen, möchten wir das Thema bundesweit bekannt machen und mit vielen Menschen auf die Straße gehen. Darüber hinaus möchten wir grundsätzlich über die Praxis von Abschiebehaft informieren. Dazu soll es zum Beispiel eine Plakatkampagne geben. Sollte der Bau trotz allen Widerstands realisiert werden, braucht es Menschen, die die Inhaftierten ganz praktisch unterstützen. Die vor Ort sind und von außen Hilfe nach innen organisieren, und um nach außen zu tragen, was drinnen passiert.
Danke für das Interview.