Jens Becker und David Ekwe-Ebobisse werben für ihr Lebensmittelgeschäft.
Screenshot Youtube

Rohkost-Guru und „Reichsbürger“-Ideologe

„Mister Raw“ und das „Königreich Deutschland“ in Hessen

Für die „Reichsbürger“ des „Königreichs Deutschland“ bietet der Anstieg irrationaler Weltanschauungen im Zuge der Corona-Krise eine Chance, neue Mitglieder zu gewinnen und neue Wohnprojekte für Pandemieleugner\*innen zu schaffen. Mit der Hilfe eines Frankfurter Ernährungsberaters entstand im Mai 2022 in Hasselroth erstmals solch ein Projekt in Hessen.

Für die „Reichsbürger“ des „Königreichs Deutschland“ bietet der Anstieg irrationaler Weltanschauungen im Zuge der Corona-Krise eine Chance, neue Mitglieder zu gewinnen und neue Wohnprojekte für Pandemieleugner*innen zu schaffen. Mit der Hilfe eines Frankfurter Ernährungsberaters entstand im Mai 2022 in Hasselroth erstmals solch ein Projekt in Hessen.

„Es gibt bald eine neue Welt Leute,“ sagt David Ekwe-Ebobisse („Mister Raw“) seinen Zuschauer*innen auf YouTube bei der Vorstellung eines „nachhaltigen“ Unternehmens im März 2022, in das er angeblich investiere. Er suggeriert, dass er nicht nur vital, sondern auch wohlhabend sei und man es mit seinem Rat auch werden könne. Dabei hat der vegane Ernährungsberater und Reichsideologe bereits ein Geschäft in den Sand gesetzt: 2021 sah er sich gezwungen, seine Gastronomie in Frankfurt zu schließen. Zur gleichen Zeit bekannte sich Ekwe-Ebobisse zum Königreich Deutschland (KRD).

Die organisationsstarke „Reichsbürger“-Sekte

2009 gründete Peter Fitzek den Verein NeuDeutschland in Wittenberg, um seine Reichsideologie zu verbreiten. Unter anderem wurde gefordert, die Grenzen des Deutschen Reiches von 1937 wiederherzustellen. 2012 ging hieraus das KRD hervor. Fitzek ließ sich in einer skurrilen Zeremonie zum König krönen. Seitdem nennt er sich hochtrabend „Peter I.“.

Fitzek versucht, eine Parallelgesellschaft mit eigenen Ausweisen und Betrieben wie der mit Ebay vergleichbaren Verkaufsplattform Kauf das Richtige (KadaRi), aber auch einer eigenen Krankenkasse, Rentenversicherung und Bank, die sogenannte Gemeinwohlkasse (GWK), aufzubauen. Über die GWK sollen Kredite für Betriebsgründungen vergeben werden. Allen Angeboten ist gemein, dass man einzahlen kann, aber keine Auszahlung erhält. Das Landgericht Dessau-Roßlau stellte 2017 fest, dass Fitzek Anleger*innen um etwa 1,6 Millionen Euro geprellt hat. Wegen dieser und einer Vielzahl anderer Vergehen wird Fitzek immer wieder verurteilt und muss kurze Haftstrafen verbüßen.

Anhänger*innen gewinnt er mit dem Versprechen, dass man als Angehörige*r des KRD keine Steuern zahlen müsse. Viele Selbstständige melden sich daher im KRD an und vertreiben über die Plattform KadaRi ihre Waren. Seit der Corona-Pandemie wirbt das KRD vor allem bei Pandemieleugner*innen um neue Mitglieder: Im KRD werden Schutzmasken, Tests und Impfungen strikt abgelehnt.

„Weltgesundheitsformel“

und „Gottkost“

Ekwe-Ebobisse veröffentlichte 2014 eine dreibändige Buchreihe unter dem Titel „Die Weltgesundheitsformel“. Die Reihe ist als Dialog verfasst: zwischen ihm als erleuchteten, allwissenden Welterklärer und einer unwissenden Person, die er nach und nach in vermeintlich geheimes Wissen einweiht und so zur Erleuchtung führt.

Er zeichnet eine Welt, die im Wesentlichen durch die Finanzbranche und Lebensmittelindustrie gelenkt werde. In antisemitischer Sprache spielt er immer wieder auf vermeintliche mächtige Kreise an, die die Weltgeschicke lenken würden, wie etwa „satanische Bruderschaften, elitäre Geheimbünde, der Orden der Illuminati und Freimaurer“. Er spricht hinsichtlich der Finanzbranche von einer „Heuschreckenplage“, die Lebensmittelindustrie nennt er „Lebensmittelmafia“ und er relativiert die Shoah, indem er Massentierhaltung als „Tier-KZ“s beschreibt. Als Gegenbewegung dazu preist er vegane Ernährung, die „Teil einer ganzheitlichen Friedensbewegung und Bewusstseinserweiterung des Menschen“ sei. Rohkost sei eine „Verjüngungskur“ für den Körper, durch die normale Alterungsprozesse verhindert werden könnten. Ekwe-Ebobisse verspricht „absolute Gesundheit“ und behauptet, dass man so auch Krebs heilen könne. Fleischkonsum hingegen sei Ausgangspunkt der meisten Menschheitsprobleme. Tierische Proteine seien Gifte, die langsam töten.

In anderen Schriften und Videos verspricht er, dass vegane Ernährung Down-Syndrom oder Autismus „heilen“ könne. Er bezeichnet sie als „Gottkost“, die zur Erleuchtung führe. Wer hingegen Fleisch esse, ordne sich „dem Satanismus“ unter, wozu auch „Kinder aufessen“ gehöre. Laut ihm steht eine Apokalypse bevor, auf die man sich vorbereiten müsse.

Das Geschäftspaar

Ekwe-Ebobisses Geschäftspartnerin ist seine Ehefrau Elisa Barrui. Videos zu Ernährung, Politik und Lifestyle werden in ihrer gemeinsamen Wohnung im Stadtteil Seckbach produziert. Barrui tritt in zahlreichen Videos auf, ebenso die beiden Kinder. Sie vermarkten sich als glückliche und gesundheitsbewusste Familie, während sie Nahrungsergänzungsmittel und weitere Produkte, die man über ihren Onlineshop kaufen kann, mit falschen Heilsversprechen bewerben. Geworben wird über zahlreiche Social-Media-Kanäle.

Im Juni 2014 eröffneten sie im Sandweg in Frankfurt ihre erste Gastronomie, die vegane Smoothie-Bar Wir essen Blumen. 2016 erweiterten sie ihr Angebot um eine kleine Speisekarte und benannten sich in Greenfoody um. 2018 zogen sie mit ihrem Konzept in die Berger Straße und nannten sich fortan Rohkosteria. Hier konnte man neben Essen und Getränken auch eine Ernährungsberatung mit Ekwe-Ebobisse buchen. Gleichzeitig tritt der als Referent auf, etwa bei der esoterischen Rohvolution-Messe in Speyer 2018. Im Oktober 2018 wurde eine zweite Filiale der Rohkosteria im Franchise-Konzept von neuen Betreibern in Mannheim eröffnet, die aber kaum ein Jahr später geschlossen wurde. Die Frankfurter Rohkosteria musste schließlich 2021 ihre Türen schließen. Seit Pandemiebeginn wurden Hygienemaßnahmen kritisiert und vom Übergang in ein „neues Zeitalter“ fantasiert. In Videos berichtet Ekwe-Ebobisse von Problemen mit dem Finanzamt.

Anfang 2021 kündigte er die Wiedereröffnung der Rohkosteria in einem von ihm und vom Ehepaar Matthias und Simone Eckert gegründeten „Gesundheitszentrum“ im bayerischen Oberelsbach an. Diese erfolgte bisher nicht, stattdessen wird Catering angeboten.

Die Nachwuchs-Gurus

Angemeldet ist der „Dr. Raw“-Onlineshop zwar am Hauptsitz des KRD in Wittenberg, allerdings vertreibt auch die im März 2022 eingetragene Stecker Logistik UG in Wächtersbach seine Produkte. Diese wird von Moritz Stecker (@rawlution_) geführt. Stecker wurde bereits als 17-Jähriger von Ekwe-Ebobisse zu vermeintlichen Heilkuren interviewt, durch die „Parasiten“ aus dem Körper entfernt würden. Auch mit anderen Minderjährigen führte dieser ähnliche Interviews. Stecker betätigt sich seitdem als Zögling von Ekwe-Ebobisse im esoterischen Ernährungsberatungsgeschäft und war im Mai 2021 als Referent für den Kongress „Bewusst Leben“ von Jassin Rosstem in Siegburg angekündigt, wo er über die „Faszination der Aromen“ und ätherische Öle sprechen sollte. Rosstem behauptet, sich durch eine Ernährungsumstellung von Krebs geheilt zu haben. Auch Ekwe-Ebobisse war als Redner für den Kongress angekündigt.

Stecker ist nicht der einzige Nachwuchs-Ernährungsguru, den Ekwe-Ebobisse um sich schart. Seine junge Mitarbeiterin Anna Bischmann (@annahealthyliving) aus Idstein schreibt etwa Texte für seine Social-Media-Kanäle. Bischmann preist ebenso in sozialen Medien die vermeintlichen Vorzüge von Rohkost an und behauptet, man könne sich durch Gedanken selbst heilen.

Der politische Akteur

Neben seiner gastronomischen Tätigkeit engagierte sich Ekwe-Ebobisse bei der V-Partei. Bei der Parteigründung 2016 wurde er zum Vizevorsitzenden gewählt. Von diesem Posten trat er jedoch bereits nach drei Monaten zurück, da er in einem Video Massentierhaltung als schlimmeres Verbrechen als den Holocaust bezeichnet hatte. Die Partei distanzierte sich daraufhin von seinen antisemitischen Ausführungen. Als sich die Schließung der Rohkosteria bereits anbahnte, kündigte er Ende 2020 an, sich dem KRD anschließen zu wollen. Fitzek nutzte seinen Beitritt als Werbung. In seinen Videos wirbt Ekwe-Ebobisse seitdem für das KRD, behauptet, die Bundesrepublik sei eine „Firma“, zeigt stolz seinen „Ausweis“ und preist die Steuerfreiheit an, die er dadurch genieße.

Netz der Selbstständigen

Auch weitere Selbstständige aus der esoterischen Szene bekennen sich zum KRD in Hessen. So etwa die „Heilerin“ Julia von Niebelschütz aus Taunusstein. Sie bezieht sich in ihrer Arbeit auf die „fünf biologischen Naturgesetze“ des antisemitischen Theoretikers Ryke Geerd Hamer (s. LOTTA #59, S. 30 f.). Eine weitere Akteurin ist Manuela Kuhar. Bis 2019 betrieb sie das Massage-Studio Jivaka Castle in Kirchhain-Burgholz. Heute arbeitet sie laut Recherchen von AnonLeaks im Bereich „Redaktion und Öffentlichkeitsarbeit“ für das KRD. In dieser Funktion interviewte sie Becker und Ekwe-Ebobisse im August 2021. Über ihre Webseite bietet sie Coachings und Massagen an.

Regionalleiter des KRD für das Rhein-Main-Gebiet ist der studierte Bauingenieur Jens Becker. Wie Kuhar hilft er, Kanäle des KRD bei Telegram zu verwalten, und beantwortet Fragen von Interessierten. Über seine Firma EMX-Exchange bietet er pseudowissenschaftliche Behandlungsmethoden bis hin zu alten Feuerlöschern an. Auch Seminare werden angeboten, etwa zum Thema Kryptowährungen oder zu „Russischer Lichtnahrung“ mit Cornelia Cegar, um sich „unabhängiger von physischer Nahrung“ zu machen. Becker betrieb zudem bis März 2022 die Plattform Comeinspirit für die Vernetzung von Esoteriker*innen im Raum Darmstadt.

„Die brauchen wir hier nicht“

Becker und Ekwe-Ebobisse suchten schon länger nach einem Raum, um ihren Traum von einem Lebensmittelgeschäft samt GWK umzusetzen. Zunächst wurde seit Januar 2021 über die Anmietung von Räumen in Frankfurt diskutiert, was sich allerdings nicht konkretisierte. Kuhar monierte, eine Stadt sei für ein solches Projekt nicht geeignet, man solle lieber im ländlichen Raum suchen. Im Sommer 2021 erkundigte sich der Aschaffenburger KRD-Tarnverein FairTeilen e.V. um Marco Ginzel und Miriam Stajanovic bei hessischen Kommunen nach geeigneten Grundstücken für die Gründung eines „ökologischen Gemeinwohldorfes“. Dies ist Teil der „Dorf­projekt“-Kampagne des KRD, um autarke Strukturen in ländlichen Räumen zu schaffen.

Schließlich wurde im März 2022 die Eröffnung des Projektzentrums Hasselroth samt Lebensmittelladen Paradiesgarten für „Staatsangehörige des KRD“ in Hasselroth-Neunhaßlau angekündigt. Geworben wurde mit dem Versprechen, dass man hier „dauerhaft maskenfrei, testfrei und ohne Impfzwang“ einkaufen könne. Geplant war eine Eröffnungsfeier mit Seminaren von Becker, Ekwe-Ebobisse, Ginzel und dem Frankfurter Antiquitätenhändler und Wirtschaftsberater Johannes Schweppenhäuser. Bei der Bewerbung half Anna Bischmann.

Nachdem Antifaschst*innen auf das Projekt hinwiesen, regte sich Widerstand im Ort: „Die brauchen wir hier nicht“, sagte der Bürgermeister bei einer Kundgebung gegen das Projektzentrum. Daraufhin wurde die Eröffnungsfeier abgesagt, auch das geplante Lebensmittelgeschäft wurde vorerst aufgegeben. Stattdessen wurde das Haus von einer unbekannten Anzahl an Personen als Wohnprojekt bezogen. Die Vermieterin behauptet, nichts über den politischen Hintergrund ihrer Mieter*innen gewusst zu haben und den Mietvertrag aufkündigen zu wollen. Ob aus dem Wohnprojekt ein neues politisches Zentrum für die Reichsbürgerbewegung in Hessen erwachsen wird, bleibt abzuwarten.

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Roland Geisheimer | attenzione