Rufe aus der Vergangenheit
Hall betont die zentrale Rolle, die Frauen immer wieder bei Aufständen auf Schiffen während der Überfahrt übernahmen, und beleuchtet ihre Führungsrollen bei wenig bekannten Aufständen in den englischen Kolonien in Nordamerika im 18. Jahrhundert, aus denen die heutigen USA hervorgingen. Dabei gelingt es ihr geschickt, auch ihre eigene Familiengeschichte einzubauen und die Auswirkungen von Versklavung und gesellschaftlicher Diskriminierung aufzuzeigen, insbesondere wenn ersteres nur wenige Generationen zurückliegt. Angesichts neu entfachter politischer Debatten über Reparationen an die Nachkommen von Versklavten als Mittel des sozialen Ausgleichs ist das ein besonders relevanter Aspekt. Rechercheinteressierten wird gefallen, wie Hall die kleinteilige und lange Forschungsarbeit in Archiven darstellt, sowie die Hürden, die sie überwinden musste, um an Informationen zu kommen. Ein besonders zu betonender Aspekt ist, dass es Hall gelingt, die Verflechtungen des transatlantischen Sklavenhandels zwischen Nordamerika, Europa und Afrika anhand konkreter Geschichten auf allen drei Kontinenten und dem Atlantik greifbar zu machen. Ebenso den kontinuierlichen Widerstand derjenigen, die darunter litten. Auch die Zeichnungen des Künstlers Hugo Martínez tragen hierzu bei und schaffen den atmosphärischen Rahmen, der zwischen Verzweiflung und hoffnungsvoller Aufbruchsstimmung pendelt. Hervorzuheben ist, dass die Graphic Novel die Relevanz der Vergangenheit für die Gegenwart eindringlich zu vermitteln weiß. Sie gehört nicht nur deshalb in jedes gut sortierte Bücherregal.
Rebecca Hall/ Hugo Martínez: Rufe aus der Vergangenheit — Von Frauen geführte Versklavtenaufstände Unrast Verlag, Münster 2022 208 Seiten, 18 Euro