„Wie geht’s weiter, NPD?“
Von einer Wahlpartei zum „Netzwerker und Dienstleister des patriotischen Protests“?
Am 14. und 15. Mai 2022 fand im hessischen Altenstadt der Bundesparteitag der NPD statt. Er sollte die Weichen für eine Neuausrichtung der Partei stellen: bei der Strategie und auch beim Namen. Mit dem neuen Namen wurde es am Ende nichts, aber die Spaltung der Partei zeigte sich deutlich.
„Nachgefragt — Wie geht’s weiter, NPD?“: So der Titel einer von der Partei im Vorfeld des Parteitags initiierten Debatte auf YouTube, bei der Partei-Funktionäre ihre Vorstellungen präsentieren durften. Auch Beiträge in der Parteizeitung Deutsche Stimme sollten die innerparteiliche Diskussion befeuern. Für Mitglieder wurden — teils regionale und digitale — Konferenzen organisiert, um das neue Konzept in die Partei zu tragen. Der Zeitpunkt, wieder grundsätzliche Debatten über die Ausrichtung der NPD zu führen, kann kaum verwundern: Die 1964 gegründete Partei befindet sich mal wieder im Niedergang. Selbst in ihren ehemaligen Hochburgen Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern erreichte sie bei den letzten Landtagswahlen nicht einmal 1 Prozent der abgegebenen Stimmen. Damit hat sie keinen Anspruch mehr auf eine staatliche Teilfinanzierung. Die AfD hat den elektoralen Niedergang der NPD seit 2013 weiter beschleunigt. Seit 2016 verfügt die NPD jenseits der kommunalen Ebene über keine Abgeordneten mehr in Parlamenten.
Schon im Vorfeld des Parteitages zeigte sich, dass die Spannung zwischen den Parteilagern groß zu sein scheint. Unter dem Titel „Grundvoraussetzung: Neuer Name“ veröffentlichte der Bundesvorstand der Jungen Nationalisten eine Erklärung, in der es heißt: „Wir […] unterstützen einen aufrichtigen Neuaufstellungsversuch der Mutterpartei und sind bereit, sie an den Puls der Zeit zu rücken. Ein weiteres Dahindümpeln wird es aber nur ohne uns geben.“ Der NPD-Bundesvorsitzende Frank Franz hatte seine erneute Kandidatur an die Ergebnisse der Abstimmung zu Strategie und Namen gebunden. Dennoch konnten er und der Parteivorstand nicht die nötige 2/3-Mehrheit hinter sich bringen. Es fehlten drei Stimmen, so dass die NPD vorerst die NPD bleibt und nicht als Die Heimat auftreten wird. Franz bleibt dennoch Vorsitzender. Trotz seiner vorherigen Ankündigung stellte er sich wieder zur Wahl und wurde bestätigt. Ein großer Teil des Vorstandes wäre ohne ihn als Vorsitzenden nicht mehr angetreten, was ihn erneut zur Kandidatur bewegt habe, so Franz. Und auch die JN zeigte sich nun deutlich versöhnlicher: „Im Übrigen sind im neuen Parteivorstand keine Namens-Nostalgiker mehr zu finden. Die Arbeit hat begonnen, der Weg vorwärts ist glasklar. Und die NPD — bald ‚Die Heimat‘ — soll sich der Unterstützung ihrer Jugendorganisation gewiss sein.“
Spaltung der Partei
Die innere Zerstrittenheit der Partei war auch während des Parteitages zu erkennen. Nach der gescheiterten Abstimmung sprach Franz von einer „überwiegend destruktiven Minderheit“, an der die Umbenennung gescheitert sei. Er habe von seinen Gegenspielern keinen einzigen „vernünftigen Gegenvorschlag“ wahrgenommen. Diesen sei es nur darum gegangen, „alte Rechnungen zu begleichen“. Personell kulminierten die Gegner auf dem Parteitag in Lennart Schwarzbach, dem Landesvorsitzenden der NPD in Hamburg, einem Gegner der Umbenennung, der gegen Franz für das Amt des Parteivorsitzenden kandidierte. Er unterlag deutlich. Im Nachgang äußerte er sich dahingehend, dass die „NPD-Abschaffung“ verhindert worden sei. Die Vorstellung aber, „einen Vorsitzenden zu haben, der die NPD abwickeln möchte“, sei „dem politischen Erfolg sicher weniger dienlich“. Die NPD-Funktionärin Ricarda Walter aus Rheinland-Pfalz sprach mit Bezug auf den Parteitag von „zwei Blöcken“, innerhalb derer sie „aber auch noch mehrere Gruppierungen“ festgestellt habe. Walter: „Man hatte das Gefühl, niemand hatte einen Plan in der Tasche. Am Ende blieb alles beim Alten […] Einziger Unterschied ist nun, daß wir von einer Geschlossenheit erstmal nicht mehr reden müssen. Da sind wir weit entfernt.“
Strategie und Zukunft der Partei
Für Frank Franz und andere NPD-Funktionäre hat die NPD vor allem auch wegen ihrer gewachsenen und bestehenden Strukturen eine Zukunft. Die Parteispitze verwies in ihren Stellungnahmen auf die geschulten Kader, die Immobilien und Parteijuristen, die eine wichtige Ressource für die „nationale Bewegung“ darstellen würden. Franz selbst verwies auch auf die gute finanzielle Situation der Partei, die allein auf einem Hauptkonto über eine halbe Millionen Euro Vermögen zur Verfügung hätte. Strategisch hat sich die Partei aber von Wahlerfolgen bereits verabschiedet. Der ehemalige NPD-Landtagsabgeordnete Jürgen Gansel brachte dies bereits im Vorfeld des Parteitages zum Ausdruck: „Das muss ganz illusionsfrei zu der Einschätzung führen, dass die NPD als Wahlpartei fürs Erste gestorben ist. Das kann aber den Weg für eine strategische Neuausrichtung als völkische Graswurzelbewegung im ländlichen Raum freimachen.“ Dabei scheint bei einigen NPD-Funktionären die „neurechte“ Organisation Ein Prozent, bei der auch ehemalige NPD-Funktionäre untergekommen sind, als Vorbild zu gelten. So schrieb Ronny Zasowk, die NPD „sollte sich künftig als Netzwerker und Dienstleister des patriotischen Protests sehen“, also eine Funktion, die schon vor Jahren von Ein Prozent angestrebt wurde. Die Rückkehr zur lokalen Verankerung scheint dabei aber sicher.
Passend dazu kehrte mit Patrick Wieschke aus Thüringen ein Neonazi in den Bundesvorstand zurück, der äußerst erfolgreich Lokalpolitik betreibt. Wieschke hat im thüringischen Eisenach eine Immobilie zur Verfügung, in der Konzerte stattfinden, junge Neonazis Kampfsport trainieren sowie Disco-Partys und soziale Veranstaltungen für „Deutsche“ stattfinden. Die Eisenacher Bevölkerung dankte es ihm 2019 bei der Stadtratswahl mit 10,2 Prozent der Stimmen. Aktuell dürfte die NPD nirgendwo ein ähnliches Ergebnis einfahren können. Wieschke wirkte auch in zentraler Rolle bei den Eisenacher Pandemie-Leugner:innen-Protesten mit, die bis zu 3.000 Menschen auf die Straße brachten. Bezugnehmend auf einen von ihm gehaltenen Vortrag Anfang Juni auf dem Landesparteitag der NPD Bayern schrieb er: „Am Beispiel meiner Heimat Eisenach habe ich heute […] das neue Konzept des Parteivorstandes plastisch und greifbar darzustellen versucht. Die Säulen des Konzeptes wie Regionalisierung, Dienstleister des Widerstandes, Netzwerker, Anti-Parteienbewegung und gelebte Heterogenität müssen mit Leben gefüllt werden. Wir erfinden die Partei neu und auf dem nächsten Parteitag soll das auch in einem neuen Namen münden.“
Da Franz und auch die JN klar gemacht haben, dass man weiterhin die Partei nach dem gefassten Plan umbauen will und auch eine Namensänderung nicht vom Tisch ist, werden die Konflikte die Partei wohl weiterhin begleiten. Der Umbau zur lokal agierenden extrem rechten NGO soll weiter vorangetrieben werden. Städte wie Eisenach, wo die NPD zwischen Disco-Partys und der Unterstützung der militanten Neonazi-Szene agiert, scheinen als Vorbild zu dienen.