Rechtsterrorismus in der alten Bundesrepublik
So geht es nicht zuletzt um die mitunter aufeinander bezogenen, manchmal konkurrierenden rechten Terrorstrategien und -dynamiken (etwa Robert Wolff zur Hepp-Kexel-Gruppe als „antiimperialistischer“ extrem rechter Avantgarde). Die Beiträge arbeiten u.a. mit Neubewertungen ‚alter‘ Quellen und den langen Linien ihrer (Nicht-)Betrachtung in staatlichem Ermittlungshandeln zu den „Botschaftstaten“ rechten Terrors (Ulrich Chaussy zum Anschlag auf das Münchener Oktoberfest, Uffa Jensen zum antisemitischen Mord an Shlomo Lewin und Frida Poeschke). Eike Sanders und Thomas Porena erschließen uns mit ihrer Analyse zum Täternetzwerk der Gruppe Ludwig Recherchewissen zu den Anschlägen und Morden in München und Norditalien. Auswertungen von Prozessakten (Hendrik Puls u.a. über den Anschlag auf die Nürnberger Diskothek Twenty Five) ermöglichen schließlich Schlüsse zur politischen Einbettung sogenannter Einzeltäter, geben mit Florian Schuberts Beitrag zu den Deutschen Aktionsgruppen außerdem den Blick auf die Radikalisierung höchst diverser Gewaltgruppenzusammenhänge frei.
Das Exemplarische rückt dabei insbesondere dort zusammen, wo sich die Beiträge miteinander auf einer überblickenden Analyse-Ebene verzahnen. So zeichnet sich etwa in der Gesamtschau ab, wo Strukturen und Akteure rechten Terrors in der alten BRD Entwicklungsprozesse vorzeichneten und vorwegnahmen. Zugleich wird einmal mehr deutlich, dass wissenschaftlich forschende Perspektiven auf die extreme Rechte ohne die Dokumentations- und Wissensbestände antifaschistischer Archive nicht zu beschreiten wären. Ohne sie bliebe uns nur der Blick durch die Brille staatlicher Strukturen.
Hendrik Puls & Fabian Virchow (Hrsg.): Rechtsterrorismus in der alten Bundesrepublik. Historische und sozialwissenschaftliche Perspektiven. Springer VS, Wiesbaden 2023, 243 Seiten, 49,99 Euro.