„Von der Wiege bis zur Bahre“
Eine dieser Organisationen war die 1990 gegründete und 2009 verbotene Heimatreue Deutsche Jugend e. V. (HDJ). Rebecca Folke legt nun mit „Von der Wiege bis zur Bahre“ die erste erziehungswissenschaftliche Publikation vor, die sich systematisch mit den Erziehungselementen und einer möglichen Kindeswohlgefährdung durch die HDJ auseinandersetzt. Kenntnisreich verortet sie die HDJ in der Geschichte und den Strukturen der extremen Rechten und stellt deren Aktivitäten dar. Das Kernstück ihrer Analyse bildet die Auswertung der HDJ-Publikation Der Funkenflug und des HDJ-Jahreskalenders Unser Leben. Dabei kommt sie zu dem Ergebnis, dass „im Fall der HDJ davon ausgegangen werden [kann], dass dort strukturell und systematisch die Grundrechte der Kinder verletzt und das Kindeswohl gefährdet wurde“.
Mit dem Verbot der HDJ endeten aber keineswegs die pädagogischen Aktivitäten ihrer Mitglieder, viele fanden sich in anderen völkisch-nationalistischen Jugendbünden wieder, organisierten sich in Strukturen der JN oder setzten ihrer Aktivitäten in „privaten“ Kontexten fort. Das Ergebnis dieser Erziehung im Geiste des NS lässt sich anschaulich am Beispiel der völkischen Familienbanden in OWL beobachten, wo mittlerweile in der HDJ sozialisierte Kinder als militante Neonazis durch Gewalttaten in Erscheinung treten (vgl. LOTTA #88, S. 28). Die Auseinandersetzung mit extrem rechter Erziehung und neonazistischen Familienbünden ist also sowohl aus sozialpädagogischer als auch antifaschistischer Perspektive nach wie vor vonnöten. Hierzu bietet die vorliegende Publikation eine hervorragende Grundlage.
Rebecca Folke
„Von der Wiege bis zur Bahre“. Kindeswohlgefährdung im völkisch-neonazistischen Spektrum
Unrast Verlag, Münster 2023
128 Seiten, 16 Euro