Der rechte Rand der DDR-Aufarbeitung
Da ist zunächst die Kontroversität der einzelnen Beiträge im „Dialog“ miteinander. Entgegen der Vorwürfe aus den Reihen seines „Gegenstands“ geben die Herausgeberinnen Klaus Bästlein, Enrico Heitzer und Anetta Kahane in ihrem Buch unterschiedlichen Perspektiven Raum. Zweitens offenbart der Band, dass die Autorinnen durchaus in Parteilichkeit zu den von ihnen beschriebenen Themen und Schwerpunkten stehen (möchten). Akademisch geschulte Lesegewohnheiten finden sich entsprechend auf die Probe gestellt: Bauchgefühl und das Handwerkszeug der Text- und Quellenkritik sind nötig. Das Tableau der Auswertungen und Darstellungen zu Akteuren und Strukturen der DDR-Aufarbeitungsszene ist dabei nicht zuletzt — drittens — (voraussetzungs)reich und kleinteilig bestückt: ob es um die Vita und geschichtspolitische Mission eines Hubertus Knabe und der Gedenkstätte Hohenschönhausen geht, um die Geschichtsdarstellung in Ausstellung und pädagogischer Arbeit des Menschenrechtszentrums Cottbus oder um die ideologischen Bezüge von Vertreter*innen von Opferverbänden zu extrem rechten Diskursakteuren wie der Jungen Freiheit.
Die Schlussfolgerungen sind komplex. So kommt ein Großteil der Autor*innen zu dem Ergebnis, dass der rechte Rand der DDR-Aufarbeitung seine Opfererzählung im Kern vor allem dann machtvoll ins Werk zu setzen vermag, wenn sie über die Gleichsetzung der Gewaltstrukturen und -praxen in der DDR mit den Verbrechen des historischen NS konstruiert werden: als Beispiel der Schuldumkehr, -abwehr und „Waagschalenmentalität“ — auch über die rechten Ränder der neuen und alten Bundesrepublik hinaus. Fazit: Wer eine(!) einfache Antwort erwartet hat, kann nur enttäuscht werden.
Klaus Bästlein, Enrico Heitzer & Anetta Kahane (Hrsg.): Vom rechten Rand der DDR-Aufarbeitung Metropol Verlag, Berlin 2023, 272 Seiten, 22 Euro.