Joachim Paul (links) beim Burschentag in Eisenach im Juni 2023 zusammen mit korporierten Aktivisten der Revolte Rheinland und der Jungen Alternative.

Sand im Getriebe

Joachim Pauls neuster Anlauf endet in einer Sackgasse

Die extrem rechten Strategen in der rheinland-pfälzischen AfD arbeiten zusammen — sollte man meinen. Doch Joachim Pauls Weg in der AfD Rheinland-Pfalz (RLP) scheint vorbei zu sein. Ein Artikel über seine Bemühungen, sich ein aktivistisches Parteiumfeld aufzubauen, die letztlich scheiterten.

Ende des Jahres gingen drei Interna der Alternative für Deutschland (AfD) aus Rheinland-Pfalz durch die Medien. Ende November verließ der 66-jährige Michael Frisch die Fraktion im Mainzer Landtag, nachdem der AfD-Landesvorsitzende Jan Bollinger ihn an der Fraktionsspitze abgelöst hatte. Mitte Dezember setzte der Bundesvorstand auf Drängen des Landesverbandes die Revolte Rheinland (RR) auf die Unvereinbarkeitsliste (vgl. S. 34 f.). Und kurz vor Weihnachten schrieb die Allgemeine Zeitung (AZ), dass bereits am 8. Dezember eine Ämtersperre gegen Joachim Paul verhängt worden sei. Hintergrund ist, dass Paul ein rassistisches Handzeichen präsentiert habe.

Stichwortgeber, Blender und Netzwerker

In Rheinland-Pfalz gibt es unter den prominenten AfD-Funktionären zum einen die Stichwortgeber. Sie sind in der extremen Rechten gut vernetzt, wie beispielsweise der viel beschriebene Kreis um Sebastian Münzenmaier (MdB). Zum anderen gibt es die Blender, wie die Landtagsabgeordneten Michael Frisch oder Jan Bollinger. Schon der frühere Landeschef Uwe Junge sprach nach seinem Abgang in seinem Buch „Rechts gegen Rechts“ im Mai 2021 davon, das Netzwerk um Münzenmaier habe „längst die Kontrolle im Landesverband übernommen“ (vgl. LOTTA #83, S. 30f.). Zu denen, die in der extremen Rechten gut vernetzt sind, gehört auch Joachim Paul aus Koblenz. Bisher besetzte er immer markante Positionen in der Partei. Dennoch gehörte er nie zu dem Kreis, der im Landverband die Entscheidungen trifft.

Möglicherweise hatte er sich mit seinen früheren Verfehlungen (Vgl. LOTTA #81, S. 28 f.) bereits verbrannt. Mit seiner damaligen Positionierung als Beisitzer im Bundesvorstand, Andreas Kalbitz wegen dessen Vergangenheit in der Neonazi-Szene aus der Partei auszuschließen, hatte er sich offenbar verhoben. Nach der Landtagswahl 2021 wurde es verhältnismäßig ruhig um ihn. Im Landtag setzte er dann auf Themen wie Digitalausbau, E-Sport und Künstliche Intelligenz, wollte den öffentlich-rechtlichen Rundfunk reformieren und wurde als „Medienpolitiker“ betitelt. Zudem bestellte er den Al-Quaida-Aussteiger und V-Mann des Verfassungsschutzes Irfan Peci als Experten für eine Einschätzung der AfD-Fraktion zu Islamismus innerhalb des Moscheenverbandes DITIB ein. Außerhalb der Partei war Paul in dieser Zeit hauptsächlich durch einzelne Veröffentlichungen in (extrem) rechten Zeitschriften wie Zuerst!, Compact oder der Jungen Freiheit sichtbar.

In Bitterfeld (Sachsen-Anhalt) trat er als Redner auf einer Kundgebung im Dezember 2021 gegen eine angeblich drohende Impfpflicht auf, und in Koblenz begleitete er die Demonstrationen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen. Zusammen mit „anderen Burschenschaftern“ habe er „selbstverständlich“ an der Seite der Bürger gestanden, wie Paul, „Alter Herr“ der Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn, in den Burschenschaftlichen Blättern schrieb. Bei den „anderen Burschenschaftern“ könnte es sich um diejenigen handeln, die ab Sommer 2021 als Teil von Revolte Rheinland auftraten.

Auseinanderleben und Ämtersperre

2022 wurde das Jahr, in dem sich AfD und Paul auseinanderlebten. Zunächst verlor Frisch, zu dem Paul immer den Kontakt gehalten hatte, im Februar 2022 das Vertrauen des Landesvorstands — und Paul damit einen Bezugspunkt. Letztendlich wurde er weder in den Landesvorstand noch in den Bundesvorstand wiedergewählt. In der frei gewordenen Zeit vertiefte er seine Kontakte in die extreme Rechte aus dem burschenschaftlichen Milieu und der „Neuen Rechten“, also ins vielzitierte „Vorfeld“ der AfD. Schon als Paul 2016 erstmals in den Landtag einzog, setzte Benno Wurzinger in der österreichischen Zeitschrift Aula seine Hoffnung in ihn. In Paul sah er einen „würdigen Vertreter“ der Deutschen Burschenschaft in einem Landesparlament. Paul ist selbst Autor und Unterstützer des Freilich-Magazins, das als Nachfolgezeitschrift der Aula gilt.

Im Februar 2023 eröffnete Paul das Wahlkreisbüro des AfD-Kreisverbands Koblenz, das sich zu einem Veranstaltungsort und Treffpunkt der extremen Rechten entwickelte. Im März durfte beispielsweise dort Erik Ahrens das rechte Projekt GegenUni vorstellen. Die GegenUni bietet der zahlungskräftigen „widerständigen Elite“ Onlineseminare an. Joachim Paul dozierte dort über das „Nibelungenlied“. Im Juli präsentierte er die Dokumentation „Quo Vadis: Brennpunkte in Rheinland-Pfalz“, die er zusammen mit Irfan Peci erstellt hatte. Als Gastreferent reiste mit Martin Sellner der „Kopf der österreichischen Identitären Bewegung“ an. Die Gemengelage, die in Pauls Wahlkreisbüro zusammenkommt, wurde auch bei einem Vortrag am 19. Oktober von Andreas Karsten, Chefredakteur der extrem rechten Monatszeitschrift Zuerst!, deutlich, zu dem Angehörige des AfD-Kreisverbands, der Revolte Rheinland und offene Neonazis anreisten. Für den 19. Dezember kündigte Paul an, das Koblenzer Wahlkreisbüro feierlich in „Quartier Hans Kirschstein“ umzutaufen. Schon seit langem versucht er, seine Besessenheit vom WK1-Flieger Hans Kirschstein durch Straßenumbenennungen oder organisierte Trauerfahrten nach Laon-Bousson (Champagne, Frankreich) auszuleben. Am Tag zuvor, am 18. Dezember, beschloss der Bundesvorstand der AfD den Unvereinbarkeitsbeschluss mit der RR. Und am Tag nach der Veranstaltung wurde öffentlich, dass der AfD-Landesvorstand bereits am 8. Dezember „auf Druck des Bundesvorstands“ gegen Paul eine zweijährige Ämtersperre verhängt hatte.

„Genug Schaden angerichtet“

Selbstverständlich ist der Vorwurf, Paul habe ein rassistisches Handzeichen präsentiert, ebenso vorgeschoben wie seine Erklärung, er habe lediglich „alles ok“ zeigen wollen. Das Okay-Zeichen als „White Power“-Symbolik ist längst in der deutschen Rechten angekommen und wird häufig auch in AfD-Zusammenhängen gezeigt. Eben weil die Verwendung doppeldeutig ist, muss die Ämtersperre gegen Paul als Versuch gewertet werden, ihn und sein „Vorfeld“ abzusägen. Offen bleibt die Frage nach den Gründen. Eigentlich steht Paul dem politischen Kurs des Landesverbandes nicht im Wege. Dennoch treten er und der Kreis um Münzenmaier kaum zusammen in Erscheinung. Möglicherweise sieht der Kreis um Münzenmaier Joachim Paul als Konkurrenz an. Auf sezession.de spricht Martin Sellner auch von Gerüchten, die Revolte Rheinland wollte in die AfD und die JA eintreten.

Mit einer Ämtersperre dürften sich die Ambitionen von Paul sowohl für die Landtagswahl als auch die Bundestagswahl im Jahr 2025 erledigt haben. Im Norden von RLP scheint das zumindest in Teilen der AfD auf Genugtuung zu stoßen. Ein „namhafter AfD-Politiker“ äußerte sich gegenüber der AZ dahingehend, Paul habe „bei uns im Norden schon genug Schaden angerichtet“. Der aktuelle AfD-Bundestagsabgeordnete aus dem nördlichen RLP, Andreas Bleck aus Neuwied, dürfte sich jedenfalls über die aktuelle Entwicklung freuen. Wenn die Sperre standhält, kann er seinen Listenplatz und sein Mandat zumindest nicht an Joachim Paul verlieren.

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