„Rumble in the Jungle“
Ein politisierter Boxkampf vor 50 Jahren
Noch nie zuvor stand Afrika im internationalen Blickpunkt als Austragungsort eines Box-Großevents. Alis Manager Don King, eine höchst umstrittene Persönlichkeit (zweifach verurteilt wegen Tötungsdelikten), hatte mit Zaires damaligem Diktator Mobutu Sese Seko einen Deal um die Austragung ausgehandelt, bei dem sehr viel Geld floss, weil Mobutu sich großes Ansehen versprach. Er war durch einen Putsch gegen Patrice Lumumba — einer der Vorkämpfer der afrikanischen Unabhängigkeitsbewegung — zur Macht gekommen und inszenierte sich mit westlicher Unterstützung als „Retter des Kongo vor dem drohenden Kommunismus“.
Der damals 24-jährige Schwergewichtsweltmeister George Foreman galt als „Kampfmaschine“. Mit Ken Norton und Joe Frasier hatte er diejenigen durch K.O. besiegt, mit denen Mohammed Ali erhebliche Probleme hatte. Foreman galt als unbesiegbar. In den Wettquoten lag er weit vorne. Der 34-järige Ali hingegen hatte den Titel des Schwergewichtsweltmeisters aus politischen Gründen verloren. Er verweigerte den Wehrdienst in Vietnam. Unvergessen seine Begründung: „Nein, ich werde nicht 10.000 Meilen von zu Hause entfernt helfen, eine andere arme Nation zu ermorden und niederzubrennen, nur um die Vorherrschaft weißer Sklavenherren über die dunkleren Völker der Welt sichern zu helfen. (…) Kein Vietcong nannte mich jemals Ni**er“.
Der Fight
Beim Aufeinandertreffen in Kinshasa gewann Ali durch ein K.O. zum Ende der achten Runde und ging damit in die Annalen der Boxgeschichte ein. Wie schaffte er das? Erstens versuchte er, durch seine sprichwörtlich große Klappe Foreman zu reizen und zu irritieren — schon vor dem Kampf provozierte ihn Ali fortwährend mit lustigen und abfälligen Sprüchen und Reimen. Auch während des Kampfes redete er permanent auf ihn ein. Während Foreman unbändig auf ihn eindrosch, provozierte ihn Ali hörbar mit Sätzen wie: „Ist das alles, George? Ich habe mehr erwartet! Meine Großmutter schlägt härter. Ist das alles, was du draufhast?“ Foreman verausgabte sich in den acht Runden, in denen er ständig vorwärts preschte.
Zweitens wendete Ali eine Taktik an, die als „rope-a-dope“ („Seildoping“) in die Geschichte der Boxtechnik einging: Entgegen seinem üblich tänzerischen Auftreten und blitzartigen Zuschlagen („Fly like a butterfley, sting like a bee!“) ließ sich Ali von Foreman bereitwillig in die Seile treiben, genau dahin, wo der ihn haben wollte. Doch entgegen der Wahrnehmung Vieler stand Ali nicht bloß in den Seilen und ließ sich von Foreman weichklopfen — im Gegenteil: Ali federte in den Seilen die Wucht von Foremans Schlägen ab und setzte mit Jabs und mit seiner Geraden durchaus Konter, die Wirkung zeigten. Zwei schnelle Links-rechts-Kombinationen von Ali und häufige Kopftreffer streckten dann Foreman Ende der achten Runde nieder. Der bis dahin Ungeschlagene ging erstmals in einem Kampf zu Boden.
Der Kampf wurde zu einem antikolonialen Ereignis politisch hochstilisiert. Foreman beging den unbedachten und verhängnisvollen Fehler, sich mit einem Deutschen Schäferhund ablichten zu lassen. Er weckte dadurch in der Bevölkerung Zaires Erinnerungen an die Polizei der belgischen Kolonialzeit und galt fortan als Vertreter der Kolonisatoren, Ali hingegen als Symbol der Schwarzen Bürgerrechtsbewegung. Nach seiner Bekehrung zum Islam hatte er seinen Kampfnamen Cassius Clay in Mohammad Ali geändert und war ein Idol der Schwarzen im Kampf für ihre Emanzipation. Vielerorts, in den Slums und in Kinshasas‘ Stadion, dem Austragungsort des Boxkampfes, wurde der fiese Schlachtruf gesungen: „Ali, boma ye!“ (Ali, töte ihn!)
Spuren in der Pop-Kultur
Doch der Kampf war nicht nur ein Großereignis der Boxwelt, er hatte auch popkulturelle Ausstrahlung. Im Rahmenprogramm veranstaltete der Promoter King ein Großkonzert, bei dem u.a. die musizierenden Bürgerrechtsidole James Brown, Miriam Makeba, B. B. King, The Spinners und The Crusaders auftraten. Der Hit „In Zaire“ von Johnny Wakelin (1976) hat den Boxkampf zum Inhalt. 20 Jahre später stieg ein Song der HipHop-Band Fugees mit dem Titel „Rumble in the Jungle“ (1997) auf Platz drei der britischen Singlecharts und 2006 sangen The Hours „Ali in the Jungle“.
Auch filmisch wurde das popkulturelle Großereignis festgehalten: Der Regisseur Leon Gast drehte über den Kampf 400 Stunden Material, war danach jedoch pleite. 1996 brachte er das Restgeld auf und schuf mit „When we are kings“ einen Film über den Boxkampf, mit dem er den Oskar für die beste Dokumentation gewann. Der Filmregisseur Michael Mann, der auch „Der letzte Mohikaner“ gedreht hatte, setzte Ali in der gleichnamigen Filmbiografie, in der der bekannte US-Schauspieler Will Smith die Rolle Alis übernahm, ein Denkmal, wobei er ausführlich auf den Kampf eingeht.
Auch Schriftsteller nahmen den Kampf als Thema. Zuerst war es Norman Mailer, der sich mit „The Fight“ dem Kampf widmete. Zuletzt veröffentlichte der Literatur- und Sozialwissenschaftler Jan Phillipp Reemtsma mit „Mehr als ein Champion: Über den Stil des Boxers Muhammad Ali“ ein empfehlenswertes Buch.
Letzte Worte
Aber die letzten Worte sollen dem Verlierer gehören. Foreman: „Diktator Mobutu sah darin die große Chance, auf sich und sein Land weltweit aufmerksam zu machen. Noch nie hatte es in Afrika ein Sportevent gegeben, auf das die ganze Welt schaute. 20 Millionen Dollar hatte er dafür investiert. Zwei Schwarze kämpfen auf dem schwarzen Kontinent um den wichtigsten Titel im Sport. Und erstmals promotete mit Don King auch noch ein Schwarzer solch einen Kampf. Der unter dem Slogan stand: ‚From slaveship to championship‘ (Von der Sklaverei zur Meisterschaft). (…) Jahrelang hat mich der Kampf verfolgt. Ich wachte nachts auf, schwitzte und bin durchgedreht. Er trieb mich in schwere Depressionen, raubte mir mein Selbstwertgefühl, meine Würde, meinen Stolz. Ich habe oft geheult. Er war das schlimmste Erlebnis meines Lebens. Aber das war einmal. (…) Alles, was ich danach erreicht habe, was ich jetzt bin, was ich besitze, verdanke ich dieser Niederlage. Sie machte aus mir einen anderen Menschen. Ali gewann den Fight und ich einen Freund fürs Leben.“