Unerwünscht
Die Erinnerung an den Nationalsozialismus ist Teil der deutschen Staatsräson. Doch das Selbstbild Deutschlands als „Aufarbeitungsweltmeister“ bekommt bei näherer Betrachtung Risse. Der 8. Mai 1945 als Tag der militärischen Niederlage hat für viele der im NS Verfolgten eine enorme Bedeutung, jedoch war es mitnichten eine Stunde Null. Die Historikerin Stefanie Schüler-Springorum widmet sich in ihrem Buch „Unerwünscht“ der Situation der Überlebenden der NS-Verbrechen nach deren Befreiung. Damit betrachtet sie die Kontinuitäten der NS-Ideologie in der jungen Bundesrepublik aus der Perspektive der Betroffenen. Sie schildert, welchen Herausforderungen sich die heterogene Gruppe der Überlebenden der im NS Verfolgten nach der Befreiung gegenüber sah. Wo sollten sie hin? Wer von ihren Familien, Freund*innen und Angehörigen lebte noch? Wovon sollten sie leben? Die Autorin beschreibt das Leben in den Camps für so bezeichnete „Displaced Persons“ und den unterschiedlichen Umgang sowohl der alliierten Machthaber als auch der deutschen Mehrheitsbevölkerung mit verschiedenen Opfergruppen. Darüber hinaus setzt sie sich mit der auch nach 1945 fortbestehenden Diskriminierung und Verfolgung auseinander und widmet sich den langen Kämpfen um Anerkennung und Entschädigungen.
Das Buch bietet einen Einblick in einen kaum beleuchteten Teil deutscher Nachkriegsgeschichte und ist ein wichtiger Beitrag zu einer „vielstimmigen“ Erinnerungskultur.
Stefanie Schüler-Springorum:
Unerwünscht. Die westdeutsche Demokratie und die Verfolgten des NS-Regimes
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2025
255 Seiten, 25 Euro