Reaktion unter dem Deckmantel der Emanzipation

Mädelschaften und Damenverbindungen

Seit Frauen an den Universitäten zugelassen wurden, ist das Privileg, sich in elitären Zusammenschlüssen zu organisieren, nicht mehr ausschließlich Männern vorbehalten. Entsprechend existieren auch in Deutschland und Österreich (und sogar in Chile) Studentinnenverbindungen unterschiedlicher politischer Gesinnung. Sie wollen nicht mit Männerverbindungen konkurrieren, verfügen aber über ebenso strenge Hierarchien; manche von ihnen stehen auch ideologisch ihren Kameraden in nichts nach.

Seit Frauen an den Universitäten zugelassen wurden, ist das Privileg, sich in elitären Zusammenschlüssen zu organisieren, nicht mehr ausschließlich Männern vorbehalten. Entsprechend existieren auch in Deutschland und Österreich (und sogar in Chile) Studentinnenverbindungen unterschiedlicher politischer Gesinnung. Sie wollen nicht mit Männerverbindungen konkurrieren, verfügen aber über ebenso strenge Hierarchien; manche von ihnen stehen auch ideologisch ihren Kameraden in nichts nach.

Damenverbindungen scheinen in den vergangenen Jahrzehnten wieder in Mode gekommen zu sein. Die Hälfte der rund 45 aktiven Frauenverbindungen in Deutschland hat sich nach dem Jahr 2000 gegründet; in Österreich verhält es sich ähnlich, wobei dort fünf neue Verbindungen dem deutschnationalen Lager zuzuordnen sind, die Mehrheit der aktiven Studentinnenverbindungen jedoch christlich bleibt. In diesem Kontext hat es zumindest immer wieder Versuche gegeben, gemischte Verbindungen zu gründen. Mädelschaften hingegen sind das Ergebnis des strikt dualen Geschlechtermodells, das in burschenschaftlichen Kreisen verfochten wird und das auch im Verbindungswesen eine klare Geschlechtertrennung vorsieht. Frauen dürfen demnach im männlichen Verbindungsleben nur an ausgewählten Veranstaltungen teilnehmen und übernehmen selbst nur vermeintliche Frauenaufgaben wie die Organisation von Brauchtumsabenden und Sonnwendfeiern oder dienen bei Burschenschafter-Bällen als standesgemäße Tanzpartnerinnen.

„Für alle Deutschen in der Welt“

Sowohl in Bezug auf die hierarchische Organisationsform als auch ideologisch verfolgen zumindest deutschnationale Studentinnenverbindungen typisch männerbündische Wertvorstellungen wie Autorität, Hierarchie, Opferbereitschaft und Traditionsgebundenheit. Das Schlagen von Mensuren ist Frauen eigentlich untersagt, wird ihnen doch seit dem Entstehen der Burschenschaften die Satisfaktionsfähigkeit, die Möglichkeit, nach einer Ehrverletzung oder einer Beleidigung „Ehre“ (durch ein Duell) wiederherzustellen, abgesprochen.

Umso verwunderlicher ist es, dass seit kurzem zwei weibliche Verbindungen am couleurstudentischen Horizont aufgetaucht sind, die laut eigenen Angaben nicht nur pauken, sondern auch Mensuren fechten wollen: das Damencorps Amazonia Berlin und die Freie Damenverbindung Uburzia zu Kiel und in Bamberg. Sogar eine erste Damenpartie soll bereits Mitte September 2019 stattgefunden haben, wie die Homepage der Uburzia verrät: „Rückblickend können wir sagen, dass es für uns eine Freude war. All der Einsatz, den wir zum Einpauken aufgewandt haben, hat sich ausgezahlt. Auch wenn es ein ganz klein bisschen blutig wurde, blicken wir glücklich auf die Partie zurück und mit Vorfreude auf die Nächste.“

Aber auch ideologisch stehen einige Damenverbindungen ihren männlichen Kameraden in nichts nach. Der in deutschnationalen Kreisen kultivierte völkische Nationalismus geht zumeist mit einem großdeutschen Gedanken einher. In diesem Sinne meinte beispielsweise die Wiener akademische Mädelschaft Freya: „National sein heißt für uns, sich mit Idealismus und Vernunft für den deutschen Charakter unserer Heimat Österreich einzusetzen, für alle Deutschen in der Welt und schließlich für ein freies Europa der Völker.“

Auch wenn viele Damenverbindungen in Deutschland nicht in ähnlicher Weise politisch oder gar deutschnational sein mögen wie ihre männlichen Kameraden oder Verbündete aus Österreich, so müssen sie sich dennoch die Kritik gefallen lassen, dass sie sich kaum bis nie von rechten beziehungsweise extrem rechten Burschenschaften oder Damenverbindungen distanzieren — geschweige denn vom Sexismus dieser Verbindungen — oder sich kritisch mit der burschenschaftlichen Vergangenheit auseinandersetzen. Auch Mitglieder vermeintlich unpolitischer Damenverbindungen nehmen an einschlägigen politischen Events wie dem Akademikerball in Wien oder auch dem Burschentag in Eisenach teil oder nutzen immer wieder Infrastruktur einschlägig bekannter Verbindungen.

Ebenso werden durch die Beibehaltung des burschenschaftlichen Brauchtums auch in Damenverbindungen sexistische, frauen*verachtende Traditionen und Denkweisen fortgesetzt, die Frauen* niemals eine gleichberechtigte oder ebenbürtige Rolle zugestehen; das zeigt sich beispielsweise im Liedgut, im Ritual der Mensur, aber auch der Geschlechtersegregation allgemein.

Nicht zuletzt werden weibliche Verbindungen von Burschenschaftern instrumentalisiert, um Sexismus-Vorwürfe abzuwehren. Gerade weil strukturelle Diskriminierung von Frauen* und LGBTIQ* in den Reihen von Damenverbindungen meist unter den Tisch gekehrt oder gar geleugnet wird, geht es bei ihrem Engagement auch nicht darum, an der Situation von Frauen* in dieser Gesellschaft allgemein etwas zu verändern. Vielmehr steht die systemstabilisierende und privilegienerhaltende Funktion im Vordergrund, die den gesellschaftlichen Status Einzelner erhöhen oder verbessern soll, keinesfalls jedoch denjenigen aller Frauen*.

Transnationaler Deutschnationalismus

Deutschnationale Zusammenschlüsse von Frauen sind aber kein Phänomen, das sich ausschließlich im deutschsprachigen Kontext in Europa antreffen lässt. So wurden seit Ende der 1960er Jahre auch in Chile drei Mädelschaften ins Leben gerufen, zu denen die 1969 gegründete Mädchenschaft Erika Michaelsen Koch in Santiago, die 1991 gegründete Amankay in Valdivia und die 2004 gegründete Viktoria in Concepción zählen und die bis heute aktiv sind. Weitere aktive Studentinnenverbindungen gibt es außerdem in Lettland, Estland und Belgien, die jedoch zum Großteil konfessionell orientiert sind.

Anders als im deutschsprachigen Raum, wo die „deutsche Herkunft“ neben dem Bekenntnis zur „deutschen Volks- und Kulturgemeinschaft“ eine entscheidende Rolle für die Aufnahme in eine Mädelschaft beziehungsweise Burschenschaft zu sein scheint, reichen in Chile gute deutsche Sprachkenntnisse sowie „aktives Interesse an dieser Sprache und Kultur“ beziehungsweise „an der Erhaltung des deutschen Kulturguts“ als Voraussetzungen aus — wobei die Mädchenschaft Erika Michaelsen Koch hervorhebt: „Mädchen deutscher Abstammung werden bevorzugt.“

Bekannte Mädels

Den Mädelschaften und Damenverbindungen in Österreich und Deutschland kommt ein deutlich geringerer gesellschaftlicher Einfluss als ihren männlichen Gesinnungskameraden zu, die nicht selten wichtige Ämter in Wirtschaft und Politik innehaben. Dennoch lassen sich immer wieder Mitglieder entsprechender Frauen*verbindungen in politischen Funktionen finden. So saßen in vergangenen Legislaturperioden beispielsweise die inzwischen aus der Partei ausgetretene Barbara Rosenkranz sowie Anneliese Kitzmüller für die FPÖ im österreichischen Parlament, letztere sogar als dritte Nationalratspräsidentin in der Zeit der türkis-blauen Regierung.

Die beiden Damen sind auch darüber hinaus keine Unbekannten: Rosenkranz, Mitglied der sudetendeutschen Damengilde Edda, ist in der Vergangenheit nicht nur durch die Infragestellung des Verbotsgesetzes (die gesetzliche Regelung der Entnazifizierung in Österreich) aufgefallen. In ihrem antifeministischen, homophoben Erstlingswerk „MenschInnen. Gender Mainstreaming. Auf dem Weg zum geschlechtslosen Menschen“ (2008) hetzt sie darüber hinaus gegen Gender-Mainstreaming als ein von Feminismus und Marxismus geleitetes Konzept, das „Mütter“ zu geschlechtslosen Arbeitskräften erziehen wolle.

Kitzmüller wiederum ist sowohl Mitglied der Akademischen Mädelschaft Iduna zu Linz als auch „Hohe Damenobfrau“ der Pennalen Mädelschaft Sigrid zu Wien. Als Familiensprecherin der FPÖ wetterte sie unter anderem gegen „linke Regenbogenträume“, sprach von einem „schwarzen Tag für Kinder“, nachdem der Verfassungsgerichtshof das Verbot der Wahlkindadoption durch homosexuelle Paare als verfassungswidrig verurteilt hatte, und bezeichnete Mitglieder des Vereins Erinnern Gailtal als „Linksfaschisten“. Zudem schreibt sie im extrem rechten Monatsmagazin Aula und gehört dem Vorstand der ebenfalls extrem rechten Österreichischen Landsmannschaft (ÖLM) an.

Auch in Deutschland lassen sich Verbindungsstudentinnen in politischen Funktionen antreffen. Bevor Melanie Schmitz ihr Engagement als „identitäre“ Aktivistin bei Kontrakultur Halle startete, war sie Mitglied der von ihr gegründeten und mittlerweile inaktiven Damenverbindung ADV Atrytone Assindia in Essen. Auch in den Reihen der AfD verfügt die eine oder andere Dame neben ihrer Funktion in der Partei auch über eine Mitgliedschaft in einer Damenverbindung, etwa Kerstin Volta (ADV Regina Maria-Josepha zu Dresden), die sich gemeinsam mit ihrem Mann im Kreisverband Ems-Weser der AfD betätigt, wo sie 2014 zur Schatzmeisterin gewählt wurde.

Gerade diese Beispiele zeigen, dass Mädelschaften und Damenverbindungen — auch wenn sie zahlenmäßig deutlich kleiner sein mögen und gesellschaftlich weniger relevant — ideologisch ihren männlichen Gesinnungskameraden um nichts nachstehen. Indem ihre Mitglieder (medial und politisch) aber immer wieder lächerlich gemacht werden, werden sie nicht nur als politische Subjekte und Anhängerinnen menschenfeindlichen Gedankenguts nicht ernst genommen, sondern es werden auch sexistische Denkweisen fortgesetzt und ihre systemstabilisierende Funktion verkannt.

Hoffnungsschimmer

Hoffnung geben lediglich einige, erfreulicherweise immer mehr werdende Burschenschaften, die keine Männer aufnehmen und das burschenschaftliche Brauchtum etwas kreativer interpretieren. Die bekannteste derartige Verbindung ist die Burschenschaft Hysteria Wien; zu nennen wären noch die Infamia zu Linz, die Furia zu Innsbruck und die Paracelsia zu Klagenfurt, dann die Molestia in München, die Lethargia in Jena und die Furia in Berlin.

Es wird sich an der Praxis der einzelnen Verbindungen zeigen, wie gut es ihnen gelingt, den politischen Anspruch der Urburschenschaft Hysteria weiterzuverfolgen. Ich denke, dass es nicht genug von dieser Sorte Burschenschaften geben kann, um eben auf das frauenfeindliche, antifeministische Gedankengut der männlichen Burschenschaften hinzuweisen und die antiquierten Organisationsformen durch Überspitzung und Persiflage zu kritisieren.

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