Scheinbare Widersprüche

RechtsRock im Jahr 2013 – eine Bestandsaufnahme

RechtsRock und die ihn umgebende extrem rechte Jugendkultur haben seit zirka 25 Jahren eine große Bedeutung für die Entwicklung der extremen Rechten. Botschaften erreichen in Form rassistischer, antisemitischer und den Nationalsozialismus verherrlichender Textzeilen die Köpfe von tausenden von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, RechtsRock-Konzerte sind zentrale Erlebnisräume der Vergemeinschaftung. Das gemeinsame Recken des Arms zum Hitlergruß, das gemeinsame Singen des Refrains, das Zusammentreffen mit „Kameradinnen und Kameraden“: All das gibt ein Gefühl der Stärke und der Gemeinschaft, zudem werden Kontakte aufgebaut, die zu einer effektiven Vernetzung der Szene führen. Mit dem vorliegenden Beitrag soll der Versuch eines Updates dieser Szene mit Fokus auf NRW, Rheinland-Pfalz und Hessen unternommen werden.

RechtsRock und die ihn umgebende extrem rechte Jugendkultur haben seit zirka 25 Jahren eine große Bedeutung für die Entwicklung der extremen Rechten. Botschaften erreichen in Form rassistischer, antisemitischer und den Nationalsozialismus verherrlichender Textzeilen die Köpfe von tausenden von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, RechtsRock-Konzerte sind zentrale Erlebnisräume der Vergemeinschaftung. Das gemeinsame Recken des Arms zum Hitlergruß, das gemeinsame Singen des Refrains, das Zusammentreffen mit „Kameradinnen und Kameraden“: All das gibt ein Gefühl der Stärke und der Gemeinschaft, zudem werden Kontakte aufgebaut, die zu einer effektiven Vernetzung der Szene führen. Mit dem vorliegenden Beitrag soll der Versuch eines Updates dieser Szene mit Fokus auf NRW, Rheinland-Pfalz und Hessen unternommen werden.

In den 1990ern wurde „Skinhead“ zu einem einenden Synonym für Macht, Stärke und Gewalt. Die Führungs­per­sonen neonazistischer Skinhead-Banden stellten die Vorbilder und „role models“ vieler Heran­wach­sen­der dar. Die Bands der Szene transportierten diese Rollenmodelle, ihr Auftreten prägte den Stil der Szene, ihre Tonträger setzen die Themen. Doch in den letzten zehn Jahren ist die Szene im Umbruch. Zeit­weise waren neonazistische Skinheads sogar ein Auslaufmodel, stattdessen wur­den Hardcore und der ihn prägende Stil populär, „Autonome Nationalisten“ wurden zum neuen angesagten „role model“. Heute hat sich die Szene ausdifferenziert, ein gemeinsamer Stil ist weder verbindlich noch gemeinsamer Identitätsentwurf.

Bands

„Nie gab es mehr aktive RechtsRock-Bands in Deutschland als heute“: eine Aussage, die sowohl durch eigene Erhebungen als auch durch – bis 2012 vorliegende – Behördenangaben belegt ist. 180 aktive Bands der extremen Rechten, die in 2012 auftraten oder auf neuen Tonträgern vertreten waren, zählen die Behörden. Wobei hier unklar bleibt, ob auch Liedermacher eingerechnet und welche Stile und Bands tatsächlich berücksichtigt wur­den. Eigene Zählungen für 2012 kom­men auf etwa 200 Bands, für 2013 läuft es auf ähnliche Zahlen hinaus. Darüber­hinaus existieren Bands, die entweder noch nicht das Stadium erreicht haben, in dem sie auftreten oder Tonträger veröffent­lichen, oder die gerade in einer „ruhi­ge­ren Phase“ sind. Betrachtet man die Entwicklung, so zeichnet sich folgendes Bild ab: 2013 waren in NRW 21 Bands aktiv, je drei in Rheinland-Pfalz und in Hessen. NRW liegt damit im Bundesvergleich direkt hinter Branden­burg und Sachsen, also in der „Spitzen­gruppe“. Hessen und Rheinland-Pfalz hingegen verzeichnen – obwohl bereits auf „niedrigem Niveau“ – einen weiteren leichten Rückgang. Bei den Bands aus Hessen handelt es sich um Nordglanz, eine altbekannten Band aus dem Schnittbereich von NSBM und RechtsRock aus dem Raum Frankfurt, und um Störmanöver, eine seit 2005 aktive Band aus dem südhessischen Raum. Eine jener noch existenten Bands, die aber in 2013 nicht auf einer Konzertbühne standen und auch keine Tonträger veröffentlichten, ist Faust aus dem Frankfurter Raum. Einige Band­mitglieder sind jedoch an der Formation Camulos beteiligt. Einen Sonderfall stellt die extrem rechte Band Kategorie C dar, die bisher immer als Bremer Band ein­gruppiert wurde, dabei stammen aktuell drei von fünf Bandmitglieder aus Hessen. Aus RLP sind die eng ver­bun­denen Projekte Häretiker und N’Socialist Soundsystem aus dem Raum Ludwigsha­fen zu nennen. Unklar ist der Status von Breakdown aus der Region Hunsrück. In einem Interview mit dem neonazis­tischen Internet-TV-Projekt fsn-tv im Oktober 2012 kündigte die Band für das Jahr 2013 eine ge­mein­same Veröffent­lichung mit Häretiker an, diese ist aber bis heute nicht er­schie­nen. Liveauftritte von Breakdown wur­den 2013 nicht bekannt.

In NRW lassen sich die Bands grob in drei Gruppen unterteilen: altbekannte wie Oidoxie, Sleipnir oder Sturmwehr so­wie deren Projekte wie Freibad Grenadiere (Sleip­nir) oder Der Böhse Wolf, ein Pro­jekt um den Weisse Wölfe-Sänger Stjepan Jus. Als zweite Gruppe finden sich junge Bands wie Aryan Voice aus Ostwestfalen, The Simple Men aus dem Kreis Siegen-Wittgenstein oder Sturmrebellen aus dem westlichen Sauerland. Die dritte Gruppe sind jene Bands, über die kaum etwas bekannt ist, beispielsweise Der Junge mit der Panzer­faust, Old School Wankers oder Wutbürger. Unklar ist hier, ob es sich um Projekte von Musikern bekannter Bands handelt oder um Nachwuchsbands. Auffällig ist jedoch, dass diese Bands bisher vor allem durch Veröffent­li­chun­gen von Tonträgern oder Sampler­beiträgen aufgefallen sind, nicht jedoch als Livebands...

Tonträger

Als Indikator für die Entwicklung der RechtsRock-Szene kann die Zahl der Tonträgerveröffentlichungen genutzt werden. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass die Bedeutung von CDs angesichts der zunehmenden Ver­brei­tung der Musik über das Internet zurückgeht. Knapp über 100 Tonträger bundesdeutscher RechtsRock-Bands er­schienen in 2013. Die meisten der Neuerscheinungen sind musikalisch den Genres Rock, Punk-Rock und Metal zuzuordnen, etwa 15 Prozent dem „National-Socialist Hardcore“, zirka zehn Prozent den Liedermachern und zwei bis drei Prozent dem extrem rechten Rap. 2013 wurden 15 CDs von NRW-Bands veröffentlicht, hinzu kommen drei Split-CDs in Kooperation mit Bands aus anderen Bundesländern oder dem Ausland sowie eine professionell produzierte Demo-Kassette. In 2012 waren es 16 CDs und zwei Split-CDs. Das enorm hohe Niveau aus 2012 wurde also nahezu gehalten. Auch beide in Hessen aktive Bands (Nordglanz und Störmanöver) veröffent­lichten in 2013. Aus RLP wurden hin­gegen nur eine CD-Veröffentlichung von „Henry 8“, dem Sänger von N’Socialist Soundsystem und Häretiker, sowie eine Split-CD von selbigem mit dem Thü­rin­ger Rapper „Mic Revolt“ bekannt.

Konzerte

Bundesweit geht die Zahl der Konzerte seit 2010 zurück, was ebenso auf NRW zutrifft: Lediglich vier Konzerte wurden 2013 in NRW gezählt, von denen das am 6. Juli in Herne aufgelöst wurde, allerdings zu vorgerückter Stunde: Nach je acht Konzerten in 2011 und 2013 also eine Halbierung der Konzertzahl. In RLP fanden nach eigener Zählung in 2011 vier, in 2012 zwei und in 2013 ein Konzert statt. Bei letzterem handelte es sich um die 10-Jahresfeier des Nationalen Widerstands Zweibrücken am 17. August – mit Lunikoff Verschwörung, Codex Frei und I.C.1, bei etwa 350 TeilnehmerInnen. Ein Konzert mit Kategorie C, das für den Raum Kaiserslautern angekündigt war, wurde ins nahe Frankreich verlegt. In Hessen wurden 2013 ebenso wie 2011 und 2012 keine Konzerte bekannt.

Es ist also festzustellen, dass die Erlebniswelt der Konzerte stark im Rückgang ist. Das dürfte verschiedene Ursachen haben: Teilweise fehlt es an lokalen AkteurInnen, die sowohl das Interesse als auch die Fähigkeiten und das Netzwerk haben, Konzerte zu organisieren. In den letzten Jahren wurden von Seiten der Behörden in allen drei Bundesländern – nicht jedoch in der gesamten BRD – tatsächlich erhebliche Anstrengungen unternommen, Konzerte zu unterbin­den. Wer also Konzerte organisieren will, muss sich entweder gute Rechtsan­wäl­tInnen leisten können oder in der Lage sein bzw. über ein Netzwerk verfügen, ein Konzert konspirativ zu organisieren und für dieses konspirativ zu mobilisieren. Das klappt nicht immer. Eine Reihe von Konzerten von Kategorie C wurde beispielsweise verhindert oder verboten – wie im Februar 2013 im südhessischen Fürth. In den Jahres-berichten des Verfassungsschutzes tauchen die KC-Konzerte allerdings ohnehin nicht auf.

Liederabende

Im Gegensatz zu den Konzerten ist die Zahl der Liederabende in NRW weiter­hin sehr hoch. Derartige Events, die ohne viel Aufwand und Kosten leicht zu organisieren sind, werden häufig von Strukturen des organisierten Neo­na­zis­mus, sei es von „Freien Kräften“, der NPD oder zunehmend von der Die Rechte, veranstaltet. In NRW fanden 2013 gleich sieben solcher Liederabende statt, 2011 waren es acht, in 2012 nur drei. In RLP war in 2013 ein Liederabend von Kategorie C zu verzeichnen (weitere Events wurden nach Frankreich ausge­lagert), in 2012 waren es noch vier, in 2011 drei Veranstaltungen. In Hessen traten Liedermacher in 2011 und 2012 nur im Rahmen der NPD-Landespartei­tage auf.

Uneinheitliches Bild

Über die Jahre ist eine feste Szene entstanden, in deren Kern welt­an­schau­lich überzeugte Personen agieren. Diesem Kern entstammen aktuell die meisten der aktiven MusikerInnen. Die Anzahl aktiver Bands ist enorm hoch. Ein wesentlich stärkerer Rückgang ist jedoch im Bereich der Erlebniswelt festzustellen, sowohl was die Anzahl als auch die Größe der Events betrifft. Bundesweit nimmt jedoch die Zahl von Veranstaltungen, die unter dem schützenden Dach von Parteien statt­finden, zu. Ebenso wie die Zahl jener Veranstaltungen, die offiziell angemel­det und beworben werden, und die teilweise über 1.000 TeilnehmerInnen anziehen. Allerdings findet aktuell keines solcher Großevents, wie das „Rock für Deutschland“ der NPD oder das „H8-Festival“, in NRW, RLP oder Hessen statt.

In der Fläche scheint die RechtsRock-Szene an Dynamik zu verlieren, vor allem im Bereich des Nachwuchses. Vielleicht hängt das mit den fehlenden deutlich abgrenzbaren Identitätsan­ge­boten zusammen. „Skinhead“ ist schon seit längerem nicht mehr das „role model“, Hardcore, Rap und „Autonome Nationalisten“ bieten zwar eine kul­turelle Erscheinungsform, nicht jedoch ein exklusives Identitätsangebot.

Verschiebung

Entwarnung kann jedoch nicht gegeben werden. Zudem ist festzustellen, dass durch die Repression vor allem im Bereich der Konzerte ein Rückzug in das Oi-Spektrum stattfindet. AkteurInnen, die zuvor in der extremen Rechten zu finden waren, ziehen sich in jenen als „Grauzone“ bezeichneten Bereich zurück. Beispiel ist hier die hessische Band Extrem Unangenehm, deren Bandmitglieder früher teils in Rechts­Rock-Bands wie Gegenschlag oder Rache­zug aktiv waren. Im Oi und teilweise auch im „Deutsch-Rock“ hat eine Zu­nahme reaktionärer, sexistischer und teils nationalistischer Themen und Aussagen stattgefunden. Hier ist in erster Linie natürlich an Frei.Wild zu denken. Damit entstehen hochgradig problematische Erlebniswelten unterhalb des klassischen Labels „Neonazismus“.

Weiterlesen