Ausdifferenzierung statt Einheit

HoGeSa verliert die Vormachtstellung

Die „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) haben sich aufgespalten. Von den ursprünglich zwölf Leuten des „Orgateams“ sollen nur noch fünf bei HoGeSa verblieben sein, die sieben anderen gründeten mit weiteren Personen am 3. Januar in Fulda den „Gemeinsam-Stark Deutschland e.V.“. Als Sitz des noch nicht im Vereinsregister eingetragenen Vereins wird Nürnberg angegeben.

Die „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) haben sich aufgespalten. Von den ursprünglich zwölf Leuten des „Orgateams“ sollen nur noch fünf bei HoGeSa verblieben sein, die sieben anderen gründeten mit weiteren Personen am 3. Januar in Fulda den „Gemeinsam-Stark Deutschland e.V.“. Als Sitz des noch nicht im Vereinsregister eingetragenen Vereins wird Nürnberg angegeben.

Für die Idee einer Vereinsgründung hatte bereits wenige Tage nach dem HoGeSa-Aufmarsch am 26. Oktober 2014 in Köln ein User im HoGeSa-Forum geworben. „Macht endlich einen Verein aus der Sache. Ihr braucht Geld. Geld ermöglicht Werbung und Wahrheit (Rechtsbeistand)“, plädierte der User „von Ennest“ und gab auch gleich die weitere politische Zielsetzung vor: „Lasst nicht locker – Ziel muss eine breite Bürgerbewegung sein. Verschließt nicht die Augen vor anderen, dringenden Problemen. Die Salate sind nur ein minimaler Anteil im Islam. Die Islamisierung Deutschlands und eine völlig verfehlte ‘Flüchtlings’-’Politik (LACH!)’ müssen auf der Agenda stehen.“

Zur Bildung einer „Bürgerbewegung“ rief auch ein Hooligan der Bushwhackers Düsseldorf als Redner in Köln auf. Doch anders als in der inhaltlich wenig aussagekräftigen Demo-Rede wird in dem Forenkommentar kein Blatt vor dem Mund genommen, wenn als weitere Feindbilder „Genderwahn“, die „Frühsexualisierung unserer Kinder durch grünpädophile Irre“ oder „die Antifa“ benannt werden. Einen besonderen Stellenwert erhalten die Zitate dadurch, das sie einem Hooligan aus Mönchengladbach zugeordnet werden können, der bei der Radikalisierung der Hooligan-Szene eine maßgebliche Rolle spielt. Der unter dem Pseudonym „George von Ennest“ auftretende Mann zählt zu den bundesweiten Hooligan-Gruppierungen Gnu Honnters sowie Alte Schule und gehörte der Facebook-Gruppe „Weil Deutsche sich`s noch trauen“ an, die vor der Gründung von HoGeSa Proteste rechter Hooligans gegen Salafisten-Kundgebungen in Mönchengladbach und Mannheim initiierte.

Streit ums Geld

Neben „persönlichen Gründen“ sollen vor allem Konflikte um die Finanzen zur Aufspaltung von HoGeSa geführt haben. Die nun als Gemeinsam-Stark auftretende Fraktion wirft der anderen vor, Einnahmen aus dem Verkauf von Merchandising-Artikeln veruntreut zu haben – die HoGeSa-Fraktion dieser wiederum, das Geld anschließend geklaut zu haben. Für HoGeSa vertreibt exklusiv der von Niclas Römer betriebene Versand FanXwear aus Schwalbach (Bayern) Pullover, Mützen und T-Shirts. Der Verkauf der Artikel scheint gut zu laufen, die letzten Aktionen der Gruppe eher nicht.

So fiel ein als „Solidaritätsveranstaltung“ deklariertes Konzert mit Kategorie C am 24. Januar in Duisburg aus, da der Vermieter die Räume kündigte. Ein für den 18. Januar in Essen geplanter Aufmarsch wurde abgesagt, nachdem die Polizei ein Versammlungsverbot verhängt hatte. Trotz Verbot versammelte sich eine größere Gruppe von HoGeSa-Anhänger_innen in der Innenstadt, wurde aber in Gewahrsam genommen. Nur wenige Stunden später versuchten mindestens 50 rechte Hooligans, eine Gedenkkundgebung zum NSU-Anschlag in der Kölner Probsteigasse anzugreifen. Die Polizei konnte sie stoppen, setzte 29 von ihnen fest und stellte bei ihnen Reizgas, Quarzsandhandschuhe und Elektroschocker sicher.

Die verbliebene HoGeSa-Führung ist mittlerweile isoliert und zurzeit nicht mehr in der Lage, eigenständige Proteste zu organisieren. Auch nordrhein-westfälische Wegbegleiter aus der HoGeSa-Anfangszeit wie ein als „Kai Linxweiler“ auftretende Hooligan und Andrea Schuran aus Hennef, letztere registrierte die Internetseite der Gruppe, haben sich von dem „Regionalleiter West“, dem Herner Andreas Kraul, abgewandt. Einzig im Ruhrgebiet hat sich eine Art HoGeSa-Struktur entwickelt, die sich in Foren und auf Treffen koordiniert. Diese HoGeSa-Sympathisant_innen beteiligten sich verstärkt an den Aktionen der PEGIDA-Ableger, wobei es mehrfach während oder im Anschluss an die „Abendspaziergänge“ zu Gewalttaten kam.

Trotz organisatorischer Probleme und personellem Aderlass: HoGeSa hat es geschafft, eine starke „Marke“ zu etablieren. Das Identitätsmodell HoGeSa als „Straßenkämpfer für das deutsche Volk“ inklusive Logos, Jacken und militantem Auftreten funktioniert weiterhin. Für viele der sich aktuell den „Hooligans gegen Salafisten“ zurechnenden nationalistischen Fußballfans stellt das Label „Hooligan“ eine Aufwertung des eigenen Selbst dar. Dem organisierten Hooliganismus im engeren Sinne, also jener fest organisierten, sich auch „auf dem Acker“ prügelnden Gruppen, ist nur ein Teil der Beteiligten zuzuordnen.

Mehrheit sammelt sich bei „Gemeinsam-Stark“

Die Mehrheit der vormals aktiven HoGeSa-Organisator_innen hat sich Gemeinsam-Stark angeschlossen, darunter auch die als „Regionalleitung Nord“ und Regionalleitung Süd“ von HoGeSa in Erscheinung getretenen Hooligans aus Bremen und Nürnberg. Der neue Verein will sich von der HoGeSa-Gruppe zuallererst in seiner Struktur unterscheiden: Es seien feste Mitgliedsbeiträge auf ein Vereinskonto geplant, die Vorsitzenden sollten in der Zukunft von den Mitglieder gewählt und Spenden transparent verwandt werden. Die Kernziele gleichen denen der HoGeSa: Gefordert wird der Kampf gegen die „Islamisierung Deutschlands“ sowie der Stopp der „Massenzuwanderung in unsere Sozialsysteme“ und des „Asylmissbrauchs“. Dies wird mit der Behauptung verbunden, Deutschland sei kein „souveräner Staat“, sondern bloß eine „‘Außenstelle’ der alliierten Siegermächte“. Man lehnt den „Zentralstaat namens ‘Europäische Union“ ab und fordert ein „Europa der Vaterländer“. Trotzdem sollen sich sowohl „Passdeutsche“ als auch „Biodeutsche“ beteiligen können, wenn sie im Interesse der „gemeinsamen Sache“ handelten.

An der ersten Feuertaufe für Gemeinsam-Stark, einer Kundgebung am 8. Februar 2015 in Ludwigshafen, nahmen nur rund 400 Menschen teil. Bewusst hatte man den Jahrestag der Initialzündung für die anti-salafistische Hooligan-Bewegung gewählt: „Am 08.02.2014 in Mönchengladbach hat es begonnen, in Mannheim wurde das Motto geboren: In den Farben getrennt, in der Sache vereint“, hieß es im Mobilisierungsvideo. Als Anmelder trat der Mönchengladbacher pro NRW-Ratsherr Dominik Roeseler auf, der zeitweise als „stellvertretender Regionalleiter West“ der HoGeSa firmierte und auch den Kölner Aufmarsch angemeldet hatte. Die Versammlungsleitung in Köln sowie den Posten bei HoGeSa hatte Roeseler auf Druck des pro-NRW-Parteipräsidiums noch vor dem Marsch im Oktober aufgegeben. Das hinderte ihn aber nicht daran, am Tag vor Ort zu sein und – mit Megafon ausgestattet – die Aufstellung des Demonstrationszuges zu dirigieren. Wenige Tage später sah sich pro NRW gezwungen, eine außerordentliche Vorstandssitzung einzuberufen, auf der ihrem stellvertretenden Vorsitzenden Roeseler wegen „grob parteischädigenden“ Verhaltens eine „scharfe Rüge“ erteilt wurde. Pro NRW lehne „jede Zusammenarbeit mit den ‘Hooligans gegen Salafisten’, genannt Hogesa, und möglichen Nachfolgeorganisationen ab“, hieß es.

Roeseler tritt dennoch und ohne dabei auf Widerspruch seiner Partei zu stoßen als „Gründungsmitglied“ und „Pressesprecher“ von Gemeinsam-Stark auf. Am 14. März 2015 nahm er an einer von PEGIDA NRW in Wuppertal organisierten Veranstaltung gegen eine Kundgebung der Salafisten-Szene teil. Zur Unterstützung der Kundgebung verzichtete Gemeinsam-Stark auf eine für den Folgetag in Erfurt geplante, eigene Demonstration. Auch HoGeSa mobilisierte die Gefolgsleute nach Wuppertal, wo randalierende Hooligans beider Lager dann dafür sorgten, das die Kundgebung vorzeitig vom Veranstalter abgebrochen wurde.

Mit Neonazis vereint

Wenn HoGeSa-Initiator Andreas Kraul ruft, sind seine Gefolgsleute noch immer zur Stelle. Stolz präsentierten sich am 28. März über 60 Männer und Frauen am Herner Bahnhof bei einem Gruppenfoto. Gemeinsam fuhren sie dann nach Dortmund, wo sie an einem Aufmarsch von Die Rechte teilnahmen. Insgesamt dürften rund 150 HoGeSa-Sympathisant_innen unter den zirka 800 Teilnehmenden dieses Parolen wie „Hier marschiert der nationale Widerstand“ und „Alles für Volk, Rasse und Nation“ skandierenden Aufmarsches gewesen sein, die Dortmunder Polizei spricht sogar von 280. Die HoGeSa-Teilnahme macht deutlich, was von der von Kraul am 4. Oktober 2014 per Videobotschaft verkündeten Distanzierung von Neonazis und rechten Parteien zu halten ist. „Wir haben damit nichts zu tun. Wir verfolgen nicht deren Ideologie“, distanzierte er sich damals noch alibimäßig von Neonazis, um nur wenige Monate später offen den Schulterschluss mit der militanten Neonazi-Szene zu vollziehen.

Dabei hatten sich bereits beim „Kennenlerntreffen“ von HoGeSa am 28. September 2014 in der Dortmunder Innenstadt Siegfried Borchardt und diverse Aktivist_innen seiner Partei Die Rechte – darunter sowohl jüngere, ehemalige „Autonome Nationalisten“ als auch alte Borussenfront-Gefährten – unter die Hooligans gemischt. Mit Michael Berner nahm der Kreisvorsitzende von Die Rechte Braunschweiger Land und Beisitzer im Bundesvorstand an der HoGeSa-Demonstration am 26. Oktober in Köln teil. Bei der HoGeSa-Kundgebung am 15. November war er in Hannover sogar als Ordner eingebunden. Nachdem dort vier HoGeSa-Sympathisanten von militanten Antifas bei Auseinandersetzungen verletzt wurden, meldete Berner eine Woche später eine Kundgebung „Gegen linke Gewalt“ in Hannover an und hatte dabei wohl auf einen „Synergieeffekt“ gehofft. Doch statt der angemeldeten 500 fanden sich nur knapp 80 Personen ein, wovon nur eine Minderheit der Hooligan-Szene angehörte. Dass die HoGeSa-Basis der Veranstaltung fernblieb, lag wohl in erster Linie am Anmelder und nicht am Desinteresse am Thema, wie diverse über Facebook verbreitete Posts a la „Antifa verübt Mordversuch auf HoGeSa“ von Sympathisanten zeigten.

Nicht zuletzt durch den Einfluss von Neonazis lässt sich eine Radikalisierung der HoGeSa-Gefolgschaft feststellen. Virtuell häuft sich die Verwendung von „Anti-Antifa“ -Schriftzügen und NS-Symboliken in den Sozialen Medien. Zugleich ist seit den Ausschreitungen von Köln wieder ein deutlich militanteres Agieren seitens der organisierten Neonazi-Szene, vor allem aus dem Umfeld von Die Rechte, festzustellen. Die Aktionen in Köln haben das Selbstbewusstsein gestärkt.

In der verbliebenen HoGeSa-Struktur hat mit Mario Leisering ein weiterer einschlägig vorbestrafter Neonazi an Einfluss gewonnen. Der 25-jährige Oberhausener ist Betreiber der Ruhrpott Sicherheit, die vor allem bei Konzerten von Kategorie C zum Einsatz kommt. Er war beim Kölner Aufmarsch ebenso wie beim gescheiterten „Soli-Konzert“ für die Technik verantwortlich. Aktuell tritt er als Organisator der nächsten geplanten HoGeSa-Demo auf, die am 19. April in Karlsruhe stattfinden soll.

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