Spießbürgerliche Rebellionen

Das „Antikapitalistische Kollektiv“ in Hessen

Vor etwa zwei Jahren trat das „Antikapitalistische Kollektiv“ (AKK) erstmals in Erscheinung und folgte damit auf das schwächelnde „Freie Netz Hessen“ (FNH). Auffällig sind die personellen Überschneidungen mitden JN-Verbänden Hessen und Baden-Württemberg. Neben einemvölkisch-nationalistischen Verständnis von „Antikapitalismus“ steht vor allem die Auseinandersetzung mit Linken im Fokus, gleichzeitig wird gerne mit „linken“ Inhalten kokettiert.

Vor etwa zwei Jahren trat das „Antikapitalistische Kollektiv“ (AKK) erstmals in Erscheinung und folgte damit auf das schwächelnde „Freie Netz Hessen“ (FNH). Auffällig sind die personellen Überschneidungen mitden JN-Verbänden Hessen und Baden-Württemberg. Neben einemvölkisch-nationalistischen Verständnis von „Antikapitalismus“ steht vor allem die Auseinandersetzung mit Linken im Fokus, gleichzeitig wird gerne mit „linken“ Inhalten kokettiert.

Am 7. März 2015 hielten Neonazis mit Blick auf die Eröffnung des Frankfurter EZB-Neubaus und die damit verbundenen Blockupy-Proteste ein „Antikapitalistisches Plenum“ ab, bei dem Referenten aus der JN/NPD, dem Freien Netz Hessen sowie der Partei Der III. Weg ihr Verständnis von „Antikapitalismus“ präsentierten. Zwei Tage später tauchte erstmals das AKK-Label auf. Bei einer PEGIDA-Veranstaltung in Frankfurt hatten einige Neonazis Regenschirme mit dem Hashtag AKK versehen, um für die anstehenden Blockupy-Aktionstage zu mobilisieren, für welche die Neonazis ihre Teilnahme angekündigt hatten. Letztendlich reichte es dann nur für ein Foto fürs Gruppenalbum — mit Bengalos und Transparent abseits des Geschehens.

Aktionismus

Nicht zuletzt wegen der EZB ist Frankfurt immer wieder Schauplatz für Auftritte des AKK. Als Zehntausende am 17. September 2016 in Frankfurt gegen das Freihandelsabkommen TTIP protestierten, paddelten in Sichtweite der Demos vier Neonazis auf dem Main, dabei führten sie Fahnen mit Hammer-und-Schwert-Symbolik mit sich und zündeten Bengalos. Der Rest der insgesamt elfköpfigen Gruppe entrollte am gegenüberliegenden Mainufer ein Transparent mit der Aufschrift „Märkte brauchen Grenzen“. Zu einer Teilnahme an der Demo kam es nicht. Letztendlich wurden die Neonazis von der Polizei wegen der Mitführung von Waffen festgesetzt.

Anfang 2017 wurde im Frankfurter Ostend als Ausdruck der Ablehnung der „Aufwertung“ des Stadtteils durch den EZB-Neubau eine neue „Luxuswohnung“ mit Farbbomben beworfen. Die Aktion wurde — nachdem sie zunächst als linke Intervention wahrgenommen worden war — über Facebook von Neonazis in Anspruch genommen — mit deutlicher Nähe zur JN, zum AKK-Blog antikap.org und zum Mailorder Revoltopia des ehemaligen FNH-Aktivisten Maximilian Reich in Illingen (BaWü), über den hauptsächlich Bekleidung, sowie Aufkleber und Poster des AKK und weiterer rechter Projekte angeboten werden. Reich ist auch zugleich eine der zentralen Figuren des AKK.

Zentrale Personen

Die Fokussierung des AKK auf Frankfurt liegt auch in der Vergangenheit Reichs begründet. Bereits 2008 organisierte sich der damals noch in Frankfurt Wohnhafte mit anderen Neonazis unter dem Label „Block F“. Ab 2010 trat die Gruppe dann als Nationale Sozialisten Rhein-Main (NSRM) auf. Parallel hierzu gründete sich das FNH, an dem Reich ebenfalls beteiligt war. Im Jahr darauf trat er für die NPD bei der Kreiswahl in Frankfurt an. In den folgenden Jahren versuchten die Neonazis der NSRM um Reich in Frankfurt, auf Outings neonazistischer Akteur_innen mit „Anti-Antifa“-Arbeit zu antworten, was weitestgehend erfolglos blieb. Nach seinem Umzug nach Illingen gründete Reich dann den Versand Revoltopia, über den anfangs auch vegane Produkte vertrieben wurden. Nach einer Veröffentlichung über seinen Versand musste er dieses Angebot aber einstellen, da viele Anbieter_innen veganer Produkte nicht an einen Neonazi liefern wollten. Am 25. Juli 2015 wurde Reich dann zum Vorsitzenden der JN Baden-Württemberg gewählt. Für den anstehenden Aufmarsch am 1. Mai 2017 in Halle wird er als Redner der JN angekündigt. Für das AKK wird dort der ehemalige Frankfurter Dan Eising reden.

Neben Maximilian Reich ist Thassilo Hantusch als eine zentrale Person des AKK in Hessen zu nennen. Hantusch ist der jüngste Funktionärsspross der Familie Zutt/Land/Hantusch (vgl. Lotta #62). 2012 wurde er erstmals in den Landesvorstand der hessischen JN gewählt. Seit der hessischen Kommunalwahl 2016 Jahr sitzt er in der Wetzlarer Stadtverordnetenversammlung und im Kreistag des Lahn-Dill-Kreises, aktuell amtiert er als Landesbeauftragter der JN. Hantusch war auch an dem Angriff auf das DGB-Fest in Weimar am 1. Mai 2015 beteiligt und befand sich in der Gruppe von Neonazis des AKK, die am Rande der bereits erwähnten Frankfurter Anti-TTIP-Demo festgesetzt wurde. Im Oktober 2016 trat er als (Mit-)Organisator eines Aufmarsches in Wetzlar auf, an dem er — neben dem „Schwarzen Block“ des AKK laufend — im bürgerlichen Outfit teilnahm, während Reich der Presse zur vermitteln versuchte, dass eines der Vorbilder des AKK die Zapatisten seien und alle anderen Aufmarsch-TeilnehmerInnen Chauvinisten, von denen man sich distanziere.

Sowohl Reich als auch Hantusch stehen exemplarisch für die Überschneidung von JN und AKK, die auch am 30. Oktober 2015 bei „Demo für Alle“ in Wiesbaden deutlich wurde, an der etwa 20 Personen aus der NPD/JN und dem AKK teilnahmen.

Fassaden

Bei genauerem Hinsehen bröckelt die rebellische, stylische Fassade der „Autonomen Nationalisten“ des AKK, die sich sich zwischen Black-Block-Auftreten und biederer, bürgerlicher Existenz bewegen — in örtlichen Fußballvereinen mit wenig klangvollen Namen wie Teutonia Köppern und SV Erbach oder auf der Dorfkirmes. Wie schon beim FNH handelt es sich um eine Gruppe Neonazis, bei der die Inszenierung im Vordergrund steht. So auch bei der Silvesteraktion an der EZB in Frankfurt. Hier erschienen um die acht Neonazis von AKK/JN und zündeten Bengalos und Rauchtöpfe — aber eben an Silvester und gegen Mitternacht.

In der Region gibt es keine konstant handlungsfähige Neonazi-Szene. Wie schon in der Vergangenheit in Wetzlar oder im Lumdatal reichen bereits wenige Aktionen derartiger Gruppen aus, um sich in den Fokus öffentlicher Aufmerksamkeit zu schieben. Zwar tauchen auch immer wieder neue Personen auf, im Kern bleiben es aber meist bekannte Neonazis, die sich in neuen Zusammenhängen organisieren oder neue Labels nutzen. Dennoch: Eine Gruppe Neonazis, die bewaffnet durch die Stadt läuft, kann natürlich nicht ignoriert werden. Und das AKK wird auch in Zukunft versuchen, sich an antikapitalistischen Protesten zu beteiligen oder am Rande von linken Demonstrationen oder Aktionstagen auftauchen. Möglicherweise schon rund um den G20-Gipfel in Hamburg.

— Anmerkung der LOTTA:

Einen überregionalen Blick und eine Darstellung der bundes- und europaweiten Vernetzung des AKK bietet der Artikel „‚Instagram‘, ‚Nazikiez‘ und ‚Schwarze Blöcke‘“ im Antifa Infoblatt #113 / 4.2016 (auch online abrufbar)

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