Die Kommissare

Der Traum rechtsgerichteter Kriminalisten von der „endgültigen Abschaffung der Kriminalität“ kostete während des Nationalsozialismus vielen tausend Menschen das Leben; als „Asoziale“, politische Gegner oder Homosexuelle wurden sie von der Kriminalpolizei verfolgt, die sich aber auch eifrig bis federführend an der Vernichtung von Jüdinnen, Juden, Sinti\_ze und Rom\_nja beteiligte.

Der Organisationsgeschichte und den Biographien lokaler Vertreter dieser Behörde widmet sich der gerade erschienene, von Bastian Fleermann herausgegebene Sammelband „Die Kommissare“. Neben vier inhaltlichen Schwerpunkten enthält er auch einen Dokumentenanhang. Der erste Teil des Bandes („Akteure und Strukturen“) beginnt mit der Entstehung der Kriminalpolizei Düsseldorf und deckt mit einem Ausblick bis in die Nachkriegszeit eine relativ lange Zeitspanne ab. Trotz großer, eher trockener, aber unverzichtbarer verwaltungs- und organisationsgeschichtlicher Anteile bleibt der Text durch konsequent und gut platzierte Biographien einzelner Individuen spannend. Durch die kombinierte Beschreibung der „großen Linien“ der NS-Politik und ihrer lokalen Umsetzung gelingt die Kontextualisierung sehr gut; komplizierte Zusammenhänge werden auch für Einsteiger_innen leicht verständlich. Im zweiten Teil des Bandes („Kripoarbeit vor Ort“) werden die Kripo Dortmund, die im Sommer 1938 mit 297 Verhaftungen im Rahmen der „Aktion Arbeitsscheu Reich“ das Soll für den gesamten Polizeibezirk um ein Drittel übererfüllte, die schleppende Einrichtung einer Kriminalpolizeistelle in Hilden, die Rolle der Kripo bei der Verfolgung von Jüdinnen, Juden, Sinti_ze und Rom_nja am Beispiel der Landeskriminalstelle Wuppertal und die konkrete Ausgestaltung der „vorbeugenden Verbrechensbekämpfung“ in Mönchengladbach detailliert in den Blick genommen. Die Rekonstruktion der bürokratischen und praktischen Abläufe der Deportation von Sinti_ze und Rom_nja aus dem gesamten Polizeibezirk beschreibt exemplarisch die Kooperation verschiedener Polizeidienststellen. Mit dem Ghetto Litzmannstadt, in dem Düsseldorfer Beamte die Kriminalpolizeistelle aufbauten, gerät auch der „auswärtige Einsatz“ von Polizisten aus NRW in den Blick.

Der dritte Teil („Biographische Perspektiven“) widmet sich einerseits der Geschichte des als „Ostjude“ aus Düsseldorf deportierten Aron Windwehr, der die Ermordung der Insass_innen des Ghettos Kolomea im September 1942 durch Zufall überlebte. Noch im Herbst 1945 kehrte er nach Düsseldorf zurück und machte sich auf die Suche nach denjenigen, die in Kolomea seine Familie ermordet hatten — erfolgreich. Die Geschichte des Polizisten Karl Hemme, basierend auf einem Flohmarktfund, erzählt den bewegten Lebensweg eines jungen Mannes, der es dank der Talente seiner Mutter in den Polizeidienst schaffte, die Chance jedoch vertat.

Der vierte Teil („Kontinuitäten und Brüche“) beginnt mit den „Endphaseverbrechen“, in diesem Falle mit der Ermordung sowjetischer und niederländischer Zwangsarbeiter_innen durch Düsseldorfer Polizisten, ausgelöst nicht zuletzt durch den Glauben an das selbst beschworene Schreckgespenst der vermeintlich erblichen Kriminalität „anderer Rassen“. In diesem Kontext wird auch die Verbindung von Kripo und Gestapo besonders deutlich.

Das Narrativ von der „guten Polizei“, die an keinerlei Verbrechen beteiligt gewesen sei, steht im Zentrum der letzten beiden Beiträge des Sammelbandes. Ausgehend von einer ÖTV-Kampagne anlässlich der Neubesetzung der Leitung des Landeskriminalamts NRW zum 1. August 1959 wird das Weiterleben alter SS-Netzwerke in der Polizei NRW in der Nachkriegszeit beschrieben; mit Bernhard Wehner wird ein Protagonist der erfolgreichen Etablierung des Narrativs von der Kriminalpolizei als „Bauern im Schachspiel des NS-Staates“, das teilweise bis heute Wirkung zeigt, näher vorgestellt.

Bastian Fleermann (Hg.): Die Kommissare. Kriminalpolizei in Düsseldorf und im rheinisch-westfälischen Industriegebiet (1920—1950) Droste Verlag, Düsseldorf 2018 498 Seiten, 49,- Euro

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