Zielobjekt Rechts
Umfassende wissenschaftliche Studien dazu stehen noch aus. Andreas Förster stellt in seinem lesenswerten Buch nun einige Fallbeispiele vor. Der Journalist ist der Ansicht, dass es das vorrangige Motiv der Stasi bei der Ausforschung der westdeutschen Neonazi-Szene war, geplante Anschläge und Demonstrationen gegen die DDR und ihre politische Führung sowie die Bildung militanter Neonazi-Gruppen in der DDR zu verhindern. Zugleich, so wird bei der Lektüre des Buches deutlich, nutzte sie ihre Informationen auch, um gegen Personen vorzugehen, die aus der DDR flüchten wollten. Da die Stasi über polizeiliche Mittel verfügte, führten Aussagen von V-Leuten nicht selten zu Verhaftungen und langen Haftstrafen von Dissident*innen. Wie für einen Geheimdienst üblich, heiligte auch bei der Stasi der Zweck die Mittel. Sie kooperierte ebenso mit Neonazi-Anführern wie mit Gewalttätern. Ein Beispiel: Als der bereits im losen Kontakt mit der Stasi stehende Rechtsterrorist Ottfried Hepp in der BRD wegen Bombenanschlägen gesucht wurde, flüchtete er 1983 in die DDR. Hier „schöpfte“ ihn die Stasi weiter ab und ließ ihn nach Syrien ausreisen. Aufschlussreich ist auch, dass die Stasi 1988 zu dem Ergebnis kam, dass die Neonazi-Szene im hohen Maße mit V-Leuten westdeutscher Geheimdienste durchsetzt war. 17 V-Leute will man enttarnt haben, 22 weitere Neonazis wurden verdächtigt, V-Leute zu sein. Einer der Verdachtsfälle: Michael Kühnen. Als dieser 1982 die JVA verließ, stieg er in ein Taxi, das die Stasi als Fahrzeug des niedersächsischen Verfassungsschutzes identifizierte. Verifizieren konnte die Stasi ihren Verdacht aber nicht.
Andreas Förster: Zielobjekt Rechts. Wie die Stasi die westdeutsche Neonaziszene unterwanderte Ch. Links Verlag, Berlin 2018 265 Seiten, 18 Euro