From „Street Justice“ to „German Oi!“
Geschäftswelten des Bernd Krick zwischen RechtsRock und Hardcore-Punk
Das „Live at CBGB“-Album der US-Hardcore-Heroen „Agnostic Front“ als limitierte Vinyl-Version, eine Picture-LP der New Yorker Band „Sick Of It All“ und weitere Tonträger haben eine bemerkenswerte Gemeinsamkeit: Sie erscheinen auf dem Label „Street Justice Records“.Was sich nach links-alternativer Szene anhört, wird allerdings von dem Sauerländer Neonazi Bernd Krick produziert und vertrieben, der eine lange Geschichte in der extremen Rechten vorzuweisen hat und auch hinter dem rechten Musik-Label „German Oi! Records“ steckt.
Der heute 49-jährige Bernd Krick aus dem Raum Meschede (Hochsauerlandkreis) gehörte in den 1990er Jahren wie sein jüngerer Bruder Michael Krick zum harten Kern der Sauerländer Aktionsfront (SAF). Die SAF zählte zu jener Zeit zu den wichtigsten Strukturen der militanten Neonaziszene in Westdeutschland.
Dass Krick, der subkulturell aus der Skinhead-Szene stammt, bis heute in die Produktion und den Vertrieb von extrem rechter Musik involviert ist, überrascht nicht. Schon Anfang der 1990er Jahre war er in die Organisation von RechtsRock-Konzerten im Sauerland eingebunden. Im Jahr 1994 beteiligte er sich zudem an der Gründung des Labels Sauerland Tonträgerproduktion, das mit dem Album „Söhne Germaniens“ der RechtsRock-Band Mjöllnir allerdings nur eine Veröffentlichung realisieren konnte.
Wie umtriebig Krick in der ersten Hälfte der 1990er Jahre in der Neonaziszene war, zeigt sich auch durch seine Festnahme am 25. März 1995 im Rahmen eines geplanten RechtsRock-Konzertes in Triptis/Großraum Gera (Thüringen). Unter den 231 festgenommenen Neonazis befand sich auch das spätere Mitglied des NSU-Kerntrios Uwe Mundlos. Die Wege des späteren NSU und Bernd Kricks kreuzten sich auch am 17. August 1996 im rheinland-pfälzischen Worms, wo rund 250 Neonazis am Rudolf-Heß-Marsch teilnahmen. Darunter neben Bernd Krick und seinen SAF-„Kameraden“ auch die aus Thüringen angereisten Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos.
„Moonstomp“
Überregionale Bekanntheit erlangte Krick als Herausgeber des neonazistischen Skinhead-Fanzines Moonstomp. Nachdem zwischen 1994 und 1997 neun Ausgaben erschienen waren, sollte das Moonstomp Ende 1997 zusammen mit dem SAF-Organ Freie Stimme und dem Widerstand, einer weiteren Publikation der „Freie Kameradschaften“-Szene, zum Zentralorgan verschmelzen. Am 22. November 1997 verunglückten mit Harald Mehr, Andree Zimmermann und Thomas Kubiak drei der wichtigsten Köpfe des Neonazismus im Sauerland, die zudem Redakteure des geplanten Zentralorgans waren, bei einem Autounfall tödlich. Daraufhin übernahmen Neonazis aus dem Umfeld von Thomas „Steiner“ Wulff (Hamburg) die Leitung der Zeitschrift. „Eine kleine Besonderheit in der nationalen Zeitschriftenlandschaft stellt unser ‚Heft im Heft‘ dar. Gemeint ist das beliebte Skinheadfanzine Moonstomp […] Kamerad Bernd Krick berichtet“, hieß es in der ersten Ausgabe des Zentralorgans.
Krick lieferte allerdings nur für die ersten beiden Ausgaben Beiträge ab. In der im Juli 1998 erschienenen dritten Ausgabe teilten die Herausgeber dann mit: „Das Skinzine Moonstomp ist ab dieser Ausgabe nicht mehr im Zentralorgan zu finden. Das hat schwerwiegende Gründe“. Im Heft wird ausgeführt, man hätte die Zusammenarbeit beendet, da Krick mehrere tausend DM an Spendengeldern, die er zur Unterstützung von „Kameraden“ gesammelt hatte, veruntreut habe. Nach dieser Nachricht verschwand Krick aus der Öffentlichkeit, und es wurde ruhig um ihn in der Neonazi-Szene.
„Street Justice Records“
Mit seinen neuen Projekten wollte er zunächst offenbar nicht groß auffallen. Wer hinter dem von Krick und einem Partner Anfang der 2000er gegründeten Label Street Justice Records (zeitweise auch SJ-Records) steckt, war lange Zeit nicht zu erfahren. Hinweise auf die Betreiber fehlten, lediglich ein Postfach in Dortmund wurde angegeben. Neben Veröffentlichungen von Bands aus dem Deutschrock-, Oi-Punk- und Hardcore-Bereich machte sich Street Justice Records durch lizenzierte Vinyl-Pressungen bekannter internationaler Hardcore-Bands wie Agnostic Front, Circle Jerks oder Slapshot einen Namen. Insbesondere diese Veröffentlichungen in limitierter Stückzahl führen dazu, dass sich Tonträger von Street Justice auch in etablierten Punk-Hardcore-Mailordern finden oder Reviews und Anzeigen in größeren Punkmagazinen auftauchen.
Bei genauerer Betrachtung der Bands, die bei SJ-Records „unter Vertrag“ sind, fällt allerdings auf, dass darunter auch Bands wie die aus dem Saarland stammenden Krawallbrüder sind, die sich im sogenannten Grauzonen-Bereich verorten lassen, sich also nach außen als „unpolitisch“ oder „gegen jeden Extremismus“ inszenieren, jedoch mit (extrem) Rechten strukturell, sozial und/oder inhaltlich verwoben sind. Dies trifft im besonderen Maße auf die Berliner Oi-Punk-Band SchuldSpruch zu. So spielt beispielsweise der Bassist der Band seit einiger Zeit bei der Berliner RechtsRock-Kultband Kraft durch Froide.
„German Oi! Records“
Während die zweite Platte von SchuldSpruch „Im Namen Des Volkes!“ aus dem Jahr 2014 bei Street Justice Records gelistet wird und auch über neonazistische Versände wie OPOS Records und Das Zeughaus zu beziehen ist, erschien die 2019 veröffentlichte Maxi-Single „Schuld bist du!“ bei einem weiteren Label von Bernd Krick: German Oi! Records (G.OI.R). Das ist kein Zufall, da es bei dieser Produktion textlich eindeutiger wird, wenn etwa die extrem rechte Erzählung des „Großen Austausches“ besungen wird. Auf seinem Zweit-Label veröffentlicht Krick vor allem Bands, die politisch rechts bis extrem rechts zu verorten sind. Hier ist etwa die Band Prolligans (Allgäu) zu erwähnen, die zwei Releases auf German Oi! vorzuweisen hat. Die Prolligans sind neben Bombecks (Eisenach), Roials (Dresden) und Kotten aus Solingen (vgl. LOTTA #75, S. 34—35) auch auf dem „This is German Noise“-Sampler des Labels vertreten. Das Cover des Samplers zeigt sicher nicht zufällig eine Hand, welche den berühmten Volksempfänger hält — eines der wichtigsten Propagandainstrumente des Nationalsozialismus.
Dabei geblieben
Der Sampler ist Ausdruck eines Netzwerks der rechtsoffenen bis neonazistischen Skinhead-Szene, in das Bernd Krick bis heute eingebunden ist. Zu diesem gehört auch das Fanzine Love of Oi von Andreas Moos (Dillenburg/Lahn-Dill-Kreis), in dem Krick regelmäßiger „Gast“ ist. Dort präsentiert er seine Verbundenheit mit den neonazistischen Lebenswelten. So heißt es etwa in einem Bericht über das Neonazikonzert „Skinheads are back in town“ am 7. April 2018, man sei mit „good old Bernd und seiner Truppe“ zum Konzert nach Kirchheim (Thüringen) gefahren. Krick, für den „Patriotismus/Vaterlandsliebe ein normales Gefühl“ ist, bespricht im Fanzine auch regelmäßig Alben von RechtsRock-Bands wie Bound for Glory, Triebtäter oder The Klansmen. Nach Meinung des Rezensenten Krick reiht sich auf solchen Alben „textlich und musikalisch […] Hit an Hit“. Es seien eben einfach „Klassiker“.