Muslimaniac
Dem Autor geht es darum, „den Rassismus zu entlarven, der sich mit dem Deckmantel der Meinungsfreiheit und Religionskritik tarnt“. Der „Muslimaniac“ verkörpert alle abwertenden und rassistischen Zuschreibungen, die hierzulande die Menschen zu spüren bekommen, die als muslimisch markiert werden: fremd, gefährlich, hinterhältig, unehrlich, barbarisch, kulturell rückständig und viele mehr. Keskinkılıç beschreibt die Zuschreibungen, die er auch selbst — beispielsweise in Leserbriefen als Reaktion auf eigene Zeitungsartikel — erfährt und aufgrund derer er sich — quasi als Stellvertreter — für Terror, „Überfremdung“ und Frauenunterdrückung rechtfertigen soll. Er zitiert die feministische Bloggerin Kübra Gümüşay, die ironisch diese Kollektivhaftung mit dem Spruch karikierte: „Wenn ich, sichtbare Muslimin, bei Rot über die Straße gehe, gehen mit mir 1,9 Milliarden Muslim:innen bei Rot über die Straße.“ Doch das Thema Diskriminierung wird in dem Buch nicht nur süffisant seziert, sondern auch faktengesättigt hinterfragt. Die orientalistischen Phantasien über „die Muslime“, die historisch-verzerrten einseitigen Erzählungen von einer Kollaboration „der Muslime“ mit dem Nationalsozialismus, die Feindbild-Fixierung der deutschen Gesellschaft auf „den Islam“: Keskinkılıç liefert Fakten gegen Vorurteile und offeriert hierbei der Leser:innenschaft so manches bislang eher weniger bekannte Detail.
Sein Buch hinterfragt Vorurteile, rückt Erzählungen und „Fakten“ zurecht, verweist auf Widerstandspotenziale und hilft, „dem Begehren nach Reinheit und Homogenität der Sprachen, Kulturen und Identitäten endgültig eine Absage zu erteilen“.Es ist diese Mischung aus Betroffenheitsperspektive, Süffisanz, Faktenkenntnis und schriftstellerischem Können, die eine Lektüre des Buches sehr lohnenswert machen.
Ozan Zakariya Keskinkılıç: Muslimaniac. Die Karriere eines Feindbildes Edition Körber, Hamburg 2021 266 Seiten, 20 Euro