Wachablösung am Leuchtturm

Zentren der AfD in Rheinland-Pfalz

­Mit dem „Zentrum Rheinhessen“ verfügt die AfD über eine neue Immobilie in Mainz. Zeitgleich driften der Landesverband und die Betrei­ber­:in­nen der „Fassfabrik“ im Westerwald auseinander. Die beiden Zen­tren repräsentieren unterschiedliche extrem rechte Vernetzungen der AfD in RLP.

­Mit dem „Zentrum Rheinhessen“ verfügt die AfD über eine neue Immobilie in Mainz. Zeitgleich driften der Landesverband und die Betrei­ber­:in­nen der „Fassfabrik“ im Westerwald auseinander. Die beiden Zen­tren repräsentieren unterschiedliche extrem rechte Vernetzungen der AfD in RLP.

Als Bürgerbüro öffnete das Zentrum Rheinhessen seine Türen zum ersten Mal am 30. April 2022. Damit ist es nach der Fassfabrik in Hachenburg (Westerwaldkreis) inzwischen die fünfte Einrichtung aus den Kreisen der Alternative für Deutschland (AfD) in Rheinland-Pfalz. Schon vor der Eröffnung der Fassfabrik am 3. Oktober 2019 freute sich Joachim Paul (MdL) über die bestehenden Schulungszentren in Worms, Offenbach an der Queich (Landkreis Südliche Weinstraße) und Koblenz. Obwohl Paul 2019 noch als kommender Landesvorsitzender gehandelt wurde, ist es heute ruhig um ihn geworden. Teil des Landesvorstandes ist er nicht mehr. Auch von den stolz präsentierten Schulungszentren ist wenig zu hören.

„Fassfabrik“

Dagegen sorgt die Fassfabrik geradezu für Aufregung (siehe LOTTA #78, S. 40 f). Zwar war es während der Corona-Pandemie erzwungenermaßen dunkel im „Leuchtturm des Widerstands“ im Westerwald. Doch hat die lokale antifaschistische Initiative Demos e.V. regelmäßig über die Hintergründe der Fassfabrik informiert. Zuletzt wurde dort eine „Vernetzung 23“ mit offenen Bezügen in die Neonazi-Szene für den 14. Januar 2023 beworben. Angekündigt waren neben Sascha Krolzig (Die Rechte) und Frank Kraemer (Neonazi-YouTuber und Gitarrist bei Stahlgewitter) auch Dubravko Mandic. Der Rechtsanwalt gilt als Schreckgespenst in der AfD: er kam einem Parteiausschluss zuvor, indem er am Wahlabend der baden-württembergischen Landtagswahl seinen Austritt bekannt gab.

Ob diese „Vernetzung“ auf große Gegenliebe in der rheinland-pfälzischen AfD stößt, darf bezweifelt werden. Der Landesvorstand war bislang immer darauf bedacht, die Grenze nach noch weiter rechts nicht zu stark verschwimmen zu lassen. Vor diesem Hintergrund muss die Veranstaltung wie eine Provokation wirken. Es wird sich zeigen, ob der Kreisverband Westerwald seine Adresse ändert. Noch gibt dieser nämlich die Adresse der Fassfabrik an.

Dankte der Landesverband um Paul nach Gründung der Fassfabrik den „Wäller Parteifreunden, insbesondere Andreas Schäfer und Justin Salka“ noch herzlich für den „leidenschaftlichen Aufbau“, distanzierte sich die AfD bereits 2020. Von Seiten des Landesvorstands wurde betont, dass es sich bei der Fassfabrik um „ein freies Projekt“ handele. Schäfer und Salka waren noch bis 2021 Vorstandsmitglieder der AfD Westerwald, Salka zudem noch bis zur Neuwahl im Oktober 2022 Mitglied des Bundesvorstands der Jungen Alternative (JA). Noch Ende April 2022 fand der Parteitag der AfD Westerwald in der Fassfabrik statt. Dies nur kurze Zeit vor der offiziellen Eröffnung des Zentrum Rheinhessen in Mainz.

Das „Zentrum Rheinhessen“

Nun verfügt die AfD seit einem knappen Jahr über eine Immobilie in der Landeshauptstadt. Schon eine Woche nach der Eröffnung referierte Damian Lohr (MdL) mit Maximilian Krah (MdEP) „über die Zukunft Europas und seine Gespräche mit den US-Republikanern in New York.“ Es folgten Themenabende, Bürgerdialoge, Konferenzen, und Stammtische. Zu einem der letzteren referierte Bernd Schattner (MdB) zusammen mit Steffen Janich (MdB). Der ehemalige Polizeiobermeister wurde aus dem Polizeidienst suspendiert, nachdem er sich für eine Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen als Versammlungsleiter zur Verfügung gestellt hatte. Zuletzt forderte er im Bundestag eine „Abschiebeoffensive“.

Am 25. August durfte Jonas Schick seine Ansichten zur „Ökologie von rechts“ ausbreiten. Schick hatte 2017 nach seinem Austritt aus der AfD das Onlinegesprächsformat „90 Grad“ begründet, wo er lokale Größen aus dem Spektrum der Jungen Alternative und der Identitären Bewegung interviewte. Drei Tage später veranstaltete der Landesverband dort sein Sommerfest inklusive Hüpfburg. Zuletzt berichteten am 8. Dezember Sebastian Münzenmaier und Nicole Höchst, zwei der rheinland-pfälzischen Bundestagsabgeordneten über „Neuigkeiten aus dem Bundestag“.

Bis zuletzt mussten sich Interessierte vorab per Mail bei den jeweiligen Veranstalter:innen anmelden, um die genaue Adresse zu erfahren. Zu der Veranstaltung mit Jonas Schick ging die Interessenbekundung direkt an die Mailadresse des Zentrum Rheinhessen. Veranstalter war der Deutsches Kulturerbe in Rheinhessen e.V..

Deutsches Kulturerbe

Es ist unklar, in welchem Zusammenhang der Verein mit dem Zentrum genau steht. Dem Verein sitzen aber mit Carsten Propp und Stephan Stritter zwei Parteimitglieder vor. Als Sitz des Vereins ist die Adresse in der Athener Allee eingetragen — die Adresse des Zentrum Rheinhessen.

Zwar lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren, wo der Verein 2018 gegründet wurde. Doch Portale wie meinestadt.de geben noch eine ältere Adresse in der Stahlbergstraße 33 in der Mainzer Oberstadt aus — die Adresse der extrem rechten Burschenschaft Germania Halle zu Mainz, einer schlagenden Verbindung des Schwarz-Weiß-Roten Kartells und im Dachverband Deutsche Burschenschaft. Die Germania Halle hatte sich schon in der Vergangenheit neben diversen Referenten aus der extremen Rechten wiederholt auch AfD-Abgeordnete als Redner:innen eingeladen.

Da überrascht es auch nicht mehr, dass zur Vereinsgründung Damian Lohr, Lothar Mehlhose und Philip Stein dem Verein vorsaßen. Alle drei sind Korporierte aus Verbindungen der Deutschen Burschenschaft. Philip Stein gehörte bis dahin bereits der Marburger Burschenschaft Germania an, verantwortete zu der Zeit den Jungeuropa Verlag in Dresden und leitete das extrem rechte Netzwerk Ein Prozent. Diese Liste ließe sich lange fortsetzen, Stein gilt als Knotenpunkt der „Neuen Rechten“.

Er verließ den Vorstand des Vereins im August 2018. Ihm folgte Alexander Jungbluth. Jungbluth ist kein „Germane“. Er gehört der extrem rechten Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn an. Die gehören ebenfalls zur DB und spalteten 2011 ihren Dachverband, als sie die Einführung eines „Ariernachweises“ in der DB forderten.

Was kommt?

Gerade im Kontrast zur Fassfabrik wirkt das Zentrum Rheinhessen geradezu leutselig. Ein Blick hinter die Kulissen verdeutlicht aber schnell die Strukturen, die nicht nur in dem „Zentrum“, sondern auch in der rheinland-pfälzischen AfD tonangebend sind. Eben sie können bei Konflikten in der Ausgestaltung des „Zentrums“ und der Linie der rheinland-pfälzischen AfD vermitteln. Eine Anbindung, die der Fassfabrik (mittlerweile) fehlt.

Dennoch ist der „Leuchtturm des Widerstands“ deswegen nicht verschwunden. Wie dieser sich nun weiterentwickelt, muss sich zeigen. Einen Brückenschlag zu Neonazis kann sich der Landesverband eigentlich nicht b ieten lassen. Im Westerwald ist es lokalen Antifaschist:innen gelungen, über das extrem rechte Netzwerk um die Fassfabrik aufzuklären und zu intervenieren. In Mainz steht dieser Prozess noch aus.

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