Neue „Heimat“ für „Die Rechte“

Neuausrichtung oder Frontbegradigung?

Wichtige NRW-Kreisverbände der Partei „Die Rechte“ (DR) haben Anfang 2023 ihre Partei verlassen, um sich der NPD anzuschließen. Das neonazistische Spektrum versucht, Antworten auf die Krise des „Nationalen Lagers“ zu finden.

Wichtige NRW-Kreisverbände der Partei „Die Rechte“ (DR) haben Anfang 2023 ihre Partei verlassen, um sich der NPD anzuschließen. Das neonazistische Spektrum versucht, Antworten auf die Krise des „Nationalen Lagers“ zu finden.

Am 7. Januar 2023 tagte in Dortmund der Landesparteitag der DR und beschloss seine Auflösung. Einen Tag später verkündeten die Dortmunder DR-Neonazis ihren Eintritt in die NPD, reaktivierten deren Kreisverband (KV) und wählten Sascha Krolzig und Alexander Deptolla an dessen Spitze. Es fand damit quasi eine Übernahme des NPD-KV Dortmund statt — allerdings keine feindliche. Der Konflikt, der zwischen dem 2012 verbotenen Nationalen Widerstand Dortmund (NWDO) bzw. dessen Nachfolgestruktur, dem DR-KV Dortmund, und dem damaligen NPD-KV bestand, ist schon lange Geschichte. Im Rat der Stadt schlossen sich die beiden Mandatsträger der Parteien 2015 zu einer Ratsgruppe zusammen. 2020 bildete man zur Wahl des Ruhrparlaments eine gemeinsame Liste, das Nationale Bündnis Ruhrgebiet. Bei den Kommunalwahlen 2020 kandidierte in Dortmund dann nur noch die DR. Aufgrund der AfD-Konkurrenz reichte es jedoch nur noch für ein Mandat.

Der Name NPD ist nun in Dortmund Geschichte, ebenso wie Die Rechte. Fortan möchten die Neonazis als Heimat Dortmund auftreten — und eben nicht als NPD-KV Dortmund. Dabei können sie sich sicher sein, dass ihnen der NPD-Landeschef Claus Cremer keine Steine in den Weg legen wird. Nicht nur, weil dieser dazu überhaupt nicht in der Lage wäre, sondern vor allem, weil Cremer mit zu denjenigen zählt, die die NPD insgesamt neu aufstellen möchten, inklusive Namensänderung in Die Heimat. Doch die notwendige Zweidrittelmehrheit zur Umbenennung wurde beim Bundesparteitag im Mai 2022 knapp verfehlt (vgl. LOTTA #87, S. 11 f.). Zu viele Delegierte wollten am „traditionsreichen“ Namen festhalten, der anderen als „verbrannt“ gilt. Der NPD-Bundesvorsitzende Frank Franz bekundete jedoch, dass er sich vom Votum des Parteitags nicht aufhalten lassen werde.

„Anti-Parteienbewegung“

Die Umbenennung ist nur ein Teil der Neuausrichtung, die Franz und anderen vorschwebt. Man will die Partei „intern neu strukturieren“, „nach außen hin“ soll sie die „Aufgabe einer außerparlamentarischen Opposition“ und eines „Netzwerkers“ wahrnehmen, mit anderen „patriotischen Organisationen“ die Zusammenarbeit suchen und zu einer „Anti-Parteienbewegung“ werden, die über die alten Parteigrenzen hinweg mit anderen Kräften zusammenarbeitet. Der stellvertretende NPD-Bundesvorsitzende Thorsten Heise, der beim Übertritt des Dortmunder DR-KV eine entscheidende Mittlerrolle gespielt haben dürfte, stellte in Aussicht, dass die Infrastruktur der NPD künftig auch von anderen Gruppen genutzt werden dürfe.

Unterm Strich handelt es sich hierbei um einen Versuch, sich in einer Situation neu zu orientieren, in der sich Fragen nach der Existenzberechtigung der NPD stellen. Als Wahlpartei ist sie bedeutungslos, denn gegen die AfD ist bei Wahlen nicht anzukommen. Deren Erfolg schlägt sich auch negativ auf die Nachwuchsrekrutierung nieder, denn ideologisch findet der Nachwuchs auch bei der JA ein ansprechendes Angebot, aber anders als bei der NPD-Jugend JN winken dort Jobs und Karriere. Rechtsaußen-Mobilisierungen haben in den letzten Jahren zehntausende Menschen auf die Straße gebracht, die NPD spielte dabei maximal eine Nebenrolle. In Dortmund sah sich die DR mit ähnlichen Problemen konfrontiert. Der Szene fehlte es zuletzt sowohl an Ideen als auch an Nachwuchs. Zudem verließen einige Aktivisten die Stadt gen Osten (vgl. LOTTA #87, S. 26 ff.). „Wenn politische Abläufe oder Strukturen zur Routine werden, besteht die Gefahr, dass nur noch ein Selbstzweck bedient wird“, teilten die Betreiber des neonazistischen Nachrichtenportals DortmundEcho im September 2020 anlässlich dessen Einstellung mit. Nach außen entstand der Eindruck, dass die Neonazis nicht mehr wussten, wohin sie mit dem Label Die Rechte überhaupt noch wollten.

Zunächst hatte die Partei als Auffangbecken für die Mitglieder der 2012 verbotenen und mehrerer anschließend selbst aufgelöster „Freien Kameradschaften“ gedient. Der Aktivitätsgrad der ab 2012 entstandenen DR-KV in NRW war sehr unterschiedlich. In Dortmund war er von Beginn an am größten, der KV war der mitgliederstärkste bundesweit, und die Teilnahme an Wahlen brachte sogar einzelne Mandate. Andere KV, etwa in Wuppertal, Hamm und in der Region Aachen/Heinsberg/Düren sind schon seit Jahren inaktiv — und Neugründungen wie beispielsweise in Soest oder Düsseldorf war oft keine lange Lebensdauer beschieden.

NRW-KV nahezu vollständig aufgelöst

Der vormals sehr aktive DR-KV Rhein-Erft erklärte am 5. Januar 2023 — also noch vor dem DR-Auflösungslandesparteitag — die „klassische Parteipolitik“ für „fast wirkungslos“ und löste sich auf: „Die nationale Bewegung muss zum einen die tiefen Gräben, die zwischen den verschiedenen nationalen oder patriotischen Parteien und Organisationen bestehen, ein für alle Mal überwinden und zusätzlich von der typischen Parteienpolitik loslassen, indem man sich zu einer Art Sammelbewegung entwickelt.“ Die „nationale Bewegung“ müsse sich zum „bundesweiten Motor der Protestbewegung entwickeln“. Wenige Tage später teilte der NPD-Landesverband NRW mit, dass der DR-Kreisvorsitzende Rhein-Erft, Markus Walter, schon „Mitte 2022 … den Weg in die soziale Heimatpartei“ gefunden habe, ebenso wie René Laube, Chef der 2012 verbotenen Kameradschaft Aachener Land und anschließend DR-Kader. In Ostwestfalen, wo zuletzt kaum noch Aktivitäten des dortigen DR-KV bekannt wurden, gründete sich am 18. März 2023 wieder ein NPD-Kreisverband. Vorausgegangen sei, so der NPD-Landesverband, „der Übertritt des ehemaligen Die Rechte-Kreisverbandes OWL“. Explizit für einen Verbleib in der DR entschied sich lediglich der DR-KV Duisburg.

Ansprüche und Ausblick

Im September 2022 hatte die NPD-Zeitung Deutsche Stimme zu einem ersten „Netzwerktreffen“ eingeladen, um letztendlich Gruppentrennungen zu überwinden und zu einer „Bewegungspartei“ zu werden, die „alle relevanten Akteure des patriotischen, nationalen und heimattreuen Spektrums“ einbindet, und um „Kräfte zu bündeln“. Es sollte ein Fundament bereitet werden „für eine patriotische Widerstandsbewegung, die ihre Aufgabe nicht darin sieht, sich an den Futtertrögen des Systems zu laben, sondern diesem eine neue politische Idee entgegenzustellen“, selbstredend eine völkisch nationalistische Idee. Die Pläne klingen hochtrabend. Ob sie sich tatsächlich realisieren lassen, ist fraglich und ebenso ungewiss wie die Wirkung des Dortmunder Übertritts auf den Rest der Szene. Bemerkenswert ist jedoch, dass die NPD-Führung bereit zu sein scheint, ihre Partei perspektivisch in eine andere Organisationsform zu überführen.

Vielleicht entpuppt sich die Neuausrichtung aber auch lediglich als Frontbegradigung, als Sammeln der verbliebenen Kräfte. Der gewachsene Apparat der NPD könnte sich so über die nächsten Jahre retten. Von der Die Rechte wird nach der Auflösung ihres mit Abstand stärksten Landesverbands sicherlich nicht viel übrig bleiben.

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