Der Erste Weltkrieg
Zum Fluche der Deutsch-Nationalen erschien im Jahre 1961 „Der Griff nach der Weltmacht“, in dem der liberale Historiker Fritz Fischer detailreich die Gründe für die imperiale Kriegslüsternheit des Deutschen Reiches auflistete. Anlässlich des 100. Jahrestages des Kriegsbeginns wurde die sogenannte Schlafwandler-These vorherrschend, die angelehnt war an das Buch „Die Schlafwandler — Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog“ des australischen Historikers Christopher Clark, der den Kriegsausbruch als „Tragödie, kein Verbrechen“ der Deutschen interpretierte.
Es ist daher umso erfreulicher, von dem Historiker Bernhard Sauer die Thesen vom angeblichen Verteidigungskrieg der Deutschen widerlegt zu bekommen. Anhand der „Alldeutschen“ und weiterer einflussreicher Kräfte im Kaiserreich zeigt er detailreich die annexionistischen Kriegsziele der deutschen Machteliten auf. Zudem beleuchtet er anhand des Agierens von Adolf Hitler die besondere Bedeutung des 1. für den 2. Weltkrieg. Interessant und informativ ist auch seine Schilderung der veränderten Haltung der SPD zum Krieg sowie die Bedeutung der Entwicklung des Antisemitismus zur Instrumentalisierung von Kriegsschuldfragen und Kriegsforderungen.
Sauer liefert einen komprimierten und faktengesättigten Überblick über den 1. Weltkrieg und dessen Bedeutung für die folgende deutsche Bestialität — ein gutes, empfehlenswertes Buch!
Sauer, Bernhard: Der Erste Weltkrieg – ein Verteidigungskrieg? Zeitgeschichtliche Forschungen (ZGF), Band 66, Duncker & Humblot, Berlin 2023. 188 Seiten, 49,90 Euro.