Für Kaiser und Reich

Der „Vaterländische Hilfsdienst“

Der reichsbürgerliche „Vaterländischer Hilfsdienst“ (VHD) kämpft für den Kaiser und das Deutsche Reich an der Heimatfront des — ihrer Meinung nach — nie beendeten 1. Weltkriegs. Aus dem Kriegszustand leiten die Mitglieder für sich besondere Rechte, inklusive des Waffengebrauchs, ab. Auch in NRW, Rheinland-Pfalz und Hessen haben sie ihre straffe Organisation aufgebaut, um für den viel beschworenen „Tag X“ bereit zu sein.

Der heutige Vaterländische Hilfsdienst strebt die Reaktivierung des Deutschen Reichs von 1871 in den Grenzen vom 27. Juli 1914 an. In der Rolle des Kaisers sehen sie Georg Friedrich Prinz von Preußen, der durch seine Rückgabeforderungen an die Bundesregierung bekannt wurde. Nach eigener Auffassung besteht der VHD ununterbrochen seit dem Erlass des „Gesetzes über den vaterländischen Hilfsdienst“ von 1916.

Das Gesetz unterwarf alle „männlichen Deutschen“ im Alter vom 17 bis 60 Jahren einem Arbeitszwang in kriegswichtigen Bereichen. Heute verfolgt der VHD die „Reorganisation des Staatsvolks Preußens“ und begreift sich zwischenzeitlich als „legitimes Mittel zur Ausübung der Staatsgewalt und damit zivile Ordnungsmacht“. Nach dem „Tag X“ sollen aus dem VHD „alle Verwaltungsebenen im Reich besetzt und organisiert werden“. Für die Militär-Polizei sind jetzt schon Hilfsdienstpflichtige „zu rekrutieren und für die polizeilichen Aufgaben vorzubereiten und zu schulen“. Aus einer Kriegs-Verfügung von 1917, die Hilfsdienstkräften im militärischen Sicherheitsdienst und bei der Abschiebung „das Recht zum Waffengebrauch“ einräumte, leiten sie dieses Recht heute für sich ab.

Der neue VHD

Der VHD zählt sich wie das Preußische Institut und Bismarcks Erben zum Ewigen Bund (EB), welcher das übergeordnete ideologische Dach bildet. Alle Gruppen wurden 2018/19 gegründet. Zum heutigen VHD können sich „unabhängig von Geschlecht, Alter und Nationalität“ freiwillig alle melden, die im Bundesgebiet einen festen Wohnsitz haben, doch Funktionen bleiben Deutschen vorbehalten. Als „Verwaltungsarbeit“ nimmt der VHD „Hilfsdienst-Meldungen“ an und prüft den Staatsangehörigkeitsanspruch, der nur besteht, wenn der letzte vor 1913 geborene männliche Vorfahr nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 (RuStAG 1913) Deutscher war. Die Staatsangehörigkeit konnte durch Geburt, Adoption, Eheschließung (nur für Ehefrauen) und für Ausländer durch Einbürgerung erworben werden. Die der Frauen wurde vom Ehemann oder Vater abgeleitet. 1913 sollten aus Osteuropa eingewanderten Jüdinnen*Juden ausgeschlossen werden.

Heute richtet sich die Prüfung rassistisch gegen potentielle Mitglieder mit Migrationshintergrund. Dem Motto, „was nicht dokumentiert ist, existiert nicht“, folgen sie akribisch. Zur „Bildungsarbeit“ des VHD gehören Vorträge, Wanderungen und Schulungen, auch ein eigener Online-Videokanal VHD1 wird betrieben. Aus den bereits oben zitierten Verfügungen und Gesetzen, auf die sich der VHD beruft, müsste für einen Teil der Hilfsdienstleistenden auch die Schulung an der Waffe zählen, selbst wenn es nirgends offen genannt wird. Offen erwähnt werden hingegen das Singen „deutscher Lieder“ (Preußen-Lied, Kaiser-Hymne) sowie gemeinsames Essen.

Die „Arbeiten“ leisten die zumeist mittelalten weißen Männer bei Treffen in Kleingärten, Garagen, Wanderhütten und auf einem Ponyhof. Aktiv werden Angehörige des VHD auch bei Aktionen der übergeordneten Struktur Ewiger Bund. Dieser ruft primär zur Durchführung von „Fanalen“, also dem Zünden von Leuchtfeuern, an Erinnerungsorten zu vier historischen Daten auf (18. Januar, 1. April, 31. Juli und 9. November). 2023/24 wurden Fanale in Essen, Viersen, Wülfrath, Düsseldorf, Fröndenberg (alle NRW) sowie in Rengsdorf und Sargenroth (beide RLP) gezündet.

Struktur des VHD

An der Hierarchie-Spitze steht die „Generaldirektion“ mit dem Generaldirektor, der von einem mysteriösen „Chef der Restauration“ ernannt wird. Ihr sind Direktionen und Generalstellen unterstellt. Eine Direktion ist das Meldestellenwesen (historisch: Kriegsamt) mit 24 Armeekorpsbezirken sowie Gebieten, Regionen, Verwaltungsbezirken und Gemeinden.

Durch die Organisationseinheiten laufen von oben nach unten Befehls- und in umgekehrter Richtung Meldeketten. Die fünf „Armeekorpsbezirke“ (AKB) VII, VIII, XI, XVIII und XXI agieren in NRW, Hessen und Rheinland-Pfalz, wobei die historischen Gebiete teils in andere Bundesländer und selbst nach Frankreich reichen. So ist der XI. AKB in Nordhessen inaktiv, obwohl er in Thüringen weiter agiert.

Bezüge in die extreme Rechte

Betrachtet man die zahlreichen Bilder, die von Treffen und Aktivitäten des VHD auf dessen Homepage veröffentlicht werden, fällt auf, dass viele Gesichter nicht aus „klassischen“ Strukturen der extremen Rechten bekannt sind. Bei einigen finden sich allerdings Bezüge. Eine aktive „Hilfsdienstkraft“ im AKB VII ist „Josch“ aus Erkrath-Hochdahl, der von spätestens 2019 bis zur Auflösung im Sommer 2022 Fullmember der extrem rechten Bruderschaft Deutschland war (vgl. LOTTA #74 und #78). In Düsseldorf war er regelmäßig bei den Protesten gegen die Corona-Schutzmaßnahmen zugegen. Seit Januar 2023 hat er an mindestens drei VHD-Treffen teilgenommen und war an zwei Fanalen des EB beteiligt. Von beiden Aktionen teilte er als „AlJoscha DoMestors“ Videos im Ewiger Bund-Telegram-Kanal.

Auch der langjährige „Reichsbürger“, Reichstagstreppen-Stürmer 2020 in Berlin und inzwischen verstorbene Manfred „Manni“ Horn (Spitzname: Ufo) aus Duisburg und seine Partnerin Iris Ropertz nahmen an einem VHD-Treffen teil. Ebenso gibt es Verbindungen zur AfD. Am 25. Juli 2021 hat Michael Wasnick ein Treffen des VHD besucht. Wasnick, den der AfD-Europa-Abgeordnete Guido Reil in einem Dank für die Mitarbeit bei seinem Wärmebus-Projekt in Essen „meinen Freund“ nennt, war in Mülheim/Ruhr Sachkundiger Bürger und kooperierte mit dem Ratsherren und Ex-AfD-Mitglied Michael Zimmermann. Darüber hinaus wurde Ende 2022 bekannt, dass Rolf Diekwisch, ehemaliger Vorsitzender und Landtagswahl-Kandidat der AfD Bielefeld, an zwei Treffen des VHD teilgenommen hat.

Fazit

In NRW, Hessen und Rheinland-Pfalz sind im VHD seit der zweiten Hälfte des Jahres 2020 knapp über 30 Personen aktiv. Die Zahl der Interessierten beträgt ein Vielfaches. Die stärksten Gruppen sind im Raum Dortmund/Unna und in Darmstadt ansässig. Nach einem Höhepunkt 2022 sind die Aktiven- und Treffzahlen rückläufig, aber stabil und höher als 2020. Diese zeitliche Korrelation mit den Corona-Schutzmaßnahmen verweist auf Radikalisierungen in die „Reichsbürger*innen“-Szene während der Pandemiezeit. Aber auch politisch Erfahrene mit (extrem) rechten Biografien zieht der VHD vereinzelt an.

Die öffentlichen Aktivitäten des VHD mögen harmlos scheinen, doch arbeitet er auf die Errichtung einer Monarchie mit einem rassistisch und antisemitisch bereinigten Volkskörper hin. Selbst wenn ein Umsturz weit entfernt sein sollte, verfügt der VHD über ein Netzwerk von Personen, die für Reich und Kaiser kämpfen, Befehle ausführen, missliebige Personen melden und auch zur Waffe greifen wollen.

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