„Wenn ich König von Ganz-Deutschland wär’“
NRW als Zentrum der Ausbreitung des „Königreichs Deutschland“
In einem Wohngebiet in Bergisch Gladbach suchen an einem Samstagmorgen ungewöhnlich viele Autos nach Parkplätzen. Die Ankommenden werden von sehr aufmerksamen, meist jungen Leuten höflich in Empfang genommen und nach einem Blick in die Anmeldeliste weitergeleitet zu einem Seminarraum in einem Hinterhof. Dort erwartet die Teilnehmer*innen das Leucht-Turm-Team des Königreichs Deutschland, das ihnen den Einstieg in Peter Fitzeks Polit-Sekte schmackhaft machen will.
Wie ein Teilnehmer später berichtete, wird über die Struktur und diverse Projekte des KRD wie die „Königliche Reichsbank“ und die „Deutsche Heilfürsorge“, über den schrittweisen „Systemausstieg“ und die unwiderstehliche „Authentizität“ von „Peter Menschensohn“, der nicht König, sondern nur Diener der Menschen sein wolle, informiert. 2012 hatte sich Fitzek in Wittenberg zum „obersten Souverän“ seiner „konstitutionellen Monarchie“ krönen lassen.
Unter Hochdruck expandieren
Glaubt man den dystopischen Szenarien der KRD-Anwerber**innen,* die sie in ihren Seminaren lustvoll ausmalen, dann drängt die Zeit, denn spätestens bis 2026 müsse man sich in funktionierende Parallelstrukturen eines autark wirtschaftenden Königreichs gerettet haben. Alle anderen seien unrettbar verloren, müssten sich „den Chip setzen lassen“, sonst würden sie in keinen Supermarkt und kein Bahnhofsklo mehr eingelassen. Bis dahin würde außerdem das Bargeld abgeschafft, alle würden enteignet und müssten fortan unter der Herrschaft einer satanischen „Elite“ als Transhumanoide ein Sklavendasein fristen.
Das Königreich Deutschland arbeite deswegen unter Hochdruck am Aufbau „zinsknechtfreier“, autarker Wirtschaftskreisläufe, es sei die einzige Vereinigung von „Reichsbürgern“, die radikal alle wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereiche neu gestalte, sich vorwärtsgewandt eine eigene Verfassung gegeben habe und radikal demokratisch aufgebaut sei. Nur „Peter Menschensohn“ sei der Kontrolle der Basis enthoben, er sei Repräsentant der Verfassung, könne bei Verletzung dieser Aufgabe aber jederzeit abgewählt werden — ein Gremium, was dies durchsetzen könnte, gibt es im Königreich bislang allerdings nicht.
Die „Marke“ der drei Seminarleiter*innen ist der Leucht-Turm, ihr Auftritt von Marketing und Coaching geprägt. Ansprechen wollen sie vor allem Unternehmertypen und Macher. Zwischen den fast wöchentlich zumeist in den westlichen Bundesländern abgehaltenen Anwerbe-Seminaren arbeitet der Leucht-Turm am Aufbau von Regionalstellen. Denn die Razzien von November 2023 hätten gezeigt, dass zentrale Strukturen zu angreifbar seien, die Ausbreitung (auch in die Schweiz und nach Österreich) solle deshalb durch dezentrale Strukturen organisiert werden, hieß es bei einer Veranstaltung. Was die Seminarleiter*innen nicht erwähnten: Bereits im Februar 2023 hatte es auf Veranlassung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Razzien in Wittenberg, Dresden und Menden gegeben. Juristisches Vorgehen gegen das KRD ist bisher vor allem aufgrund illegaler Finanz- und Versicherungsgeschäfte erfolgt.
Das Düsseldorfer „Leucht-Turm“-Team
Kevin Mender, Britta Vogelberg und Holger Wiese berichten in ihren Veranstaltungen gerne und ausführlich, wie der Widerstand gegen die Corona-Schutzmaßnahmen sie zu Aktivist*innen machte. Vogelberg, die 2020 in Bremen als Psychiatriepflegerin in der Forensik arbeitete, organisierte während der Pandemie zunächst Demos, liebäugelte dann mit Bodo Schiffmanns Wir2020, bevor sie 2021 den Landesverband der Partei Die Basis mitgründete und dessen Vorsitzende wurde. Frustriert von Parteiarbeit suchte sie nach einem umfassenderen Ansatz und landete so in NRW und beim selbsternannten König.
Ihr Partner Wiese berichtet im Seminar stolz, seine drei Kinder während der Corona-Maßnahmen maskenfrei durch die Schule gebracht zu haben. Die „Knechtung des Volkes“ durch das „Zins- und Schuldsystem“ will er ihnen durch die YouTube-Figur „Fabian der Goldschmied“ erklärt haben, ein antisemitisch codiertes Narrativ von Jan Udo Holey (Jan van Helsing), produziert vom extrem rechten Kopp-Verlag.
Mender, Kung-Fu-Lehrer und Zen-Coach mit eigener Kampfsportschule in Düsseldorf, trägt vor, wie er während der Maßnahmen gegen die Pandemie „glücklicherweise“ aus seiner „Komfortzone“ gekommen sei. Er schlägt deutlich nationalistische und revisionistische Töne an, wenn er das Seminar-Publikum fragt, warum so etwas wie Nationalstolz „bei uns Deutschen“ fehle. Seine Antwort: Weil man im Geschichtsunterricht hauptsächlich das Dritte Reich behandele und die „ewige Schuld“ der Deutschen. Tatsächlich seien die Deutschen ein sehr soziales und fleißiges „Völkchen“, das „an sich“ den Krieg scheue, sich jedoch für kriegerische Unternehmen als Melkkuh missbrauchen ließe.
Mender teilte tatsächlich bereits seit 2014 auf Facebook antisemitische, verschwörungsideologische und reichsbürgerliche Gedanken; 2020 schloss er sich den rechts-offenen bis extrem rechten Corona-Rebellen Düsseldorf an. Schließlich — so beschreibt er seine Erweckung weiter — sei er bei einem Besuch in Wittenberg spontan der umwerfenden Authentizität Fitzeks erlegen. Nachdem seine Kampfsportschule in der Düsseldorfer Kreuzstraße zum KRD-Betrieb wurde und Mender selbst zum Staatsangehörigen, habe er begonnen, dort Vorträge über das KRD zu halten. Zusammen mit seinem Geschäftspartner Wiese und dessen Partnerin Vogelberg ließ er sich von Fitzek zum „Sprecher-Team“ ausbilden. Neben der Regionalstelle wurden in Düsseldorf auch zwei Zahlstellen der „Königlichen Reichsbank“ eingerichtet.
as KRD und der Leucht-Turm verfolgen als Politsekte ihre finanziellen Interessen in einem Schneeballsystem, bei dem jeder Schritt in das KRD Geld in die königlichen Schatullen bringt. Der erste Schritt (Staatszugehörigkeit) ist bereits kostenpflichtig und bis zur Erlangung der vollen Staatsangehörigkeit fallen fünfstellige Euro-Beträge für Seminare, Verwaltungskosten und wertlose Fantasieausweise an. Alle Gebühren — vor allem aber auch Einlagen und Schenkungen — werden über Zahlstellen der „Reichsbank“ abgewickelt, wo Euro eingezahlt, aber meistens nur wertloses „Engelgeld“ abgehoben werden kann.
„Regionalstellen“
Vogelberg bezeichnet Düsseldorf mit Menders Kampfsportschule als ihre Heimatregionalstelle, eine weitere liege in der Region Münster/Osnabrück. Tatsächlich bewohnt sie dort zusammen mit Wiese zwei großzügige Parzellen auf dem Campingplatz Teutoburger Waldsee in Hagen am Teutoburger Wald, inklusive Gewächshaus und Hochbeete für die krisenfeste Selbstversorgung. Weitere Regionalstellen in NRW liegen nach Eigenangaben in Bielefeld, auch in Köln „passiere Einiges“. Sehr erfolgreich sei das von ihnen ausgebildete Sprecher-Team in Hamburg. In Süddeutschland plane man in Heilbronn eine weitere Regionalstelle und in Nürnberg ein neues Sprecher-Team. In NRW würden außerdem große Immobilien für die Selbstversorgung gesucht.
Generös verteilt das Team Funktionen, die sich im hierarchisch aufgebauten Staate Fitzeks hochdienen sollen, zum Beispiel Admin-Rechte für die zahlreichen Telegram-Gruppen oder die Organisationsleitung für die regelmäßig stattfindenden Wanderungen. Wer jedoch in den Dauerjubel über die gemeinsame Großartigkeit nicht einstimmt, wird schnell abgestraft. So wurde der höhere Admin Stefan aus Essen sofort zum einfachen Admin herabgestuft, als er nach den Razzien jammerte, er habe sein Geld im Königreich versenkt und daher keinen finanziellen Spielraum mehr für sein Unternehmen. Seine Posts und die nachfolgende Diskussion wurden gelöscht.
Im Kern rassistisch, antisemitisch und antidemokratisch
Keinerlei Sanktionen muss Stefan dagegen fürchten, wenn er in schwer zu überbietendem Zynismus über eine junge Frau, der die Abschiebung nach Georgien droht, urteilt: Sie müsse die Situation in ihrem Inneren „transformieren“, denn wer abgeschoben werde, habe alte Konflikte noch nicht bearbeitet. Nach dem „Gesetz der Resonanz“ werde ihr im Außen widerfahren, was in ihrem Inneren vorgehe. Stefan zeigt mit diesem Post, dass er für seine Staatsangehörigkeitsprüfung fleißig gelernt hat. Die „wunderschöne“ KRD-Verfassung beruht, wie Vogelberg vor ihren Zuhörer*innen schwärmt, auf den „universalen Schöpfungsgesetzen“. Auf der KRD-Homepage ist über diese Gesetze zu lesen: „Ihr sollt erkennen, dass eure Gedanken, euer Charakter und euer Wesen eure Realität erschafft. […] Das Resonanzgesetz sorgt dafür, dass ihr im Leben genau das anzieht, was ihr gerade im Leben als Herausforderung braucht.“
Benachteiligungen und Gewalterfahrungen, aber auch Naturkatastrophen, Unfälle oder Krankheiten werden in der Logik rechter Esoteriker*innen als notwendige Entwicklungserfahrung der jeweiligen Inkarnation individualisiert. Bestehende Gewaltverhältnisse werden vollständig ausgeklammert und deren Opfer zu Täter*innen umgedeutet. Nach derselben widerwärtigen Logik pflegen Rechtsesoteriker*innen wie z.B. „Trutz Hardo“ über die Opfer der Shoah zu befinden: Jüdinnen*Juden hätten sich das „Schicksal der Gaskammern“ selbst ausgesucht, Hitler sei nur der Vollstrecker ihres eigenen Willens gewesen.
Nicht nur die KRD-Verfassung ist inhärent antisemitisch: Nach den unverhohlen antisemitischen Äußerungen Fitzeks über die angeblichen „Machenschaften der Chabad“, einer „messianisch-jüdischen Endzeitsekte“, kann schließlich kaum noch verwundern, dass das Geraune über „die Rothschilds“, die verschiedene Regierungen fest im Griff hätten, fester Bestandteil der Leucht-Turm-Seminare ist.
Letztlich bleibt auch von der basisdemokratischen Utopie wenig übrig. Würden Fitzeks Untertanen das Fantasma, das ihnen verkauft wird, mit der Realität abgleichen, müssten sie sehr schnell erkennen, dass das KRD streng hierarchisch verfasst ist. Die Clique um Fitzek und der König selbst unterliegen keinerlei Kontrolle durch die Staatsangehörigen. Kritik ist nicht vorgesehen, Auslese und Aufstieg finden nach Nützlichkeit statt. Die stufenweise Auswahl gesunder, leistungs- und finanzstarker williger Untertan*innen wird auch in dem von Anonymous geleakten Regionalstellenkonzept von Fitzeks rechter Hand Marko Ginzel beschrieben. Zum Aufbau suche man tatkräftige und verantwortungsbereite Unternehmertypen; Menschen mit psychischen Problemen müssten leider draußen bleiben. Auch der gewinnorientierte KRD-Betrieb „Deutsche Heilfürsorge“ lässt nur finanzstarke, ungeimpfte und gesunde Mitglieder zu.
Fischen in fremden Teichen
Die staatsbegründenden rechtsesoterischen Verschwörungsnarrative machen das KRD anschlussfähig für weiterhin aktive Pandemieleugner*innen. Meist reicht ein Codewort, um wissendes Lachen oder anbiederndes Kopfschütteln im ausstiegsbereiten Publikum auszulösen. Längst hat sich innerhalb dieser Misch-Szene, ohne dass sie gänzlich zu den „Reichsbürgern“ zu zählen wäre, das Narrativ der Nichtexistenz oder Unrechtmäßigkeit der Bundesrepublik verbreitet.
Auch bekannte Veranstaltungsorte dieser Misch-Szene werden genutzt: Die ersten KRD-NRW-Seminare fanden im Bottroper Chillten-Hotel statt. Nachdem der in der rechts-esoterischen Szene beliebte Ort publik wurde, sagte dessen Managerin weitere Veranstaltungen ab. In Much (Rhein-Sieg-Kreis) war es ein alternativ-esoterischer Treffpunkt, wo auch während der Covid19-Pandemie Treffen stattfanden. Nachdem auch über diesen Seminarort berichtet wurde, wich das Leucht-Turm-Team nach Bergisch Gladbach aus. Hier ist der Gastgeber ein lokaler „Medienunternehmer“, der mit seinen Formaten BergTV und Bergische Welle Stimmung gegen die Corona-Schutzmaßnahmen machte. Er vermietet auf demselben Grundstück an eine Therapeutin, die ihre Praxis offen als KRD-Betrieb führt. In Föckinghausen (Sauerland), wo ebenfalls KRD-Seminare abgehalten wurden, wird das Gelände von seinen pandemieleugnenden Gründer'innen als „Künstlerdorf“ vermarktet. In Jagsthausen (Baden-Württemberg) fand man Räume in einem Café mit Verbindungen zur Partei Die Basis.
Mit Erfolg fischt das KRD in Kreisen von „Reichsbürger“-Gruppierungen. Beispielsweise tauchen im Ruhrgebiet Mitglieder der Verfassungsgebenden Versammlung in KRD-Telegram-Kanälen auf. In Düsseldorf feierten KRDlerinnen mit Engelsburg-Anhängerinnen bei einer Sommersonnwendfeier am Rhein. In einem Leucht-Turm-Seminar in Bielefeld im Januar 2024 ließ Wiese wissen, dass man auch mit Gesinnungsgenoss*innen aus der Schweiz in Kontakt stehe. Die angeblich 6.000 KRD-Zugehörigen könnten sich im Falle eines Zusammenschlusses schlagartig auf 10.000 erhöhen. Nicht zu vernachlässigen sind die Kontakte des KRD in diverse Teile der extremen Rechten. So ließ sich Fitzek z.B. von dem „Reichsbürger“ Joe Conrad (Bewusst.TV), dem „neurechten“ Verleger Jürgen Elsässer (Compact) und dem neonazistischen Multiaktivisten Frank Kraemer interviewen. Der völkische Siedler Frank Willy Ludwig (Urerbe Germania) will seine Produkte über die KRD-Plattform KadaRi („Kauf das Richtige“) vertreiben. 2022 vernetze sich das KRD in Lychen (Landkreis Uckermark, MV) mit einer Genossenschaft, die dem völkisch-rassistischen Anastasia-Kult zugerechnet wird und über 44 Hektar Land verfügt (vgl. LOTTA #92). Für die Jubiläumsfeier im September 2023 war der wegen Holocaustleugnung vorbestrafte Neonazi Nikolai Nerling eingeladen, um die königlichen Untertanen Volkstänze zu lehren.
Was den Thron zum Wackeln bringt
Angesichts der straffen, marketingoptimierten Struktur stellt sich die Frage, ob die Staatsgründung nicht nur ein propagandistisches Mäntelchen für wirtschaftliche Aktivitäten ist: Was schon jetzt verwirklicht wird, ist die Umverteilung von Geld und Ausbeutung von Arbeitsleistung der Mitglieder zugunsten Fitzeks und einiger seiner engsten Vertrauten.
Auch die Strafverfolgungsbehörden stellen die politische Dimension hinten an: Bisher wurde nur mit finanz- und ordnungspolitischen Mitteln erfolgreich gegen das KRD vorgegangen. Auf die Beschlagnahmungen von Geld und Produktionsmitteln der „königlichen Betriebe“ reagierten der Regent und seine Untertanen sehr nervös. Fitzek scheint einige seiner Betriebe derzeit nicht weiterführen zu können und bettelt seine Anhänger*innen um Spenden an. In den Telegram-Gruppen kam es hingegen zu fast schon unbotmäßigen Nachfragen, warum der Weg ins Reich dermaßen teuer sei.
Während Mender noch trotzig behauptet, als Betreiber eines KRD-Betriebes habe man keinerlei Repressalien zu befürchten — er selber habe in seiner zentral in Düsseldorf gelegenen, offen als KRD-Betrieb gekennzeichneten Kampfsportschule noch nie jemanden von der Stadt oder Polizei gesehen — läuft in Wahrheit seit Dezember 2023 eine Unterlassungsklage der Verbraucherzentrale Hessen gegen seinen Betrieb: Unzulässigerweise finde bei Vertragsabschlüssen die Rechtsordnung eines Fantasiestaates Anwendung.
Aber auch wenn die finanziellen Interessen des Königs und seines handverlesen engsten Hofstaats deutlich sind, das Vorgehen mit Paragraphen aus dem Steuer-, Banken- und Versicherungsrecht daher aussichtsreich ist, sollte nicht vergessen werden: Das KRD verfolgt politische Ziele. Sein Bestreben ist es, Teile des Landes aus dem politischen System der Bundesrepublik zu lösen, um einen autoritären und selektionierenden Parallelstaat zu errichten.