AfD-Verbot? Ein notwendiger Schritt!
Ein Verbot der AfD würde die extreme Rechte nachhaltig schwächen
Inzwischen gibt es mehrere Aktivitäten, die offensiv für die Einleitung eines Verbotsverfahrens werben. Neben dem Zentrum für Politische Schönheit, das dazu aufruft, Belege für die verfassungsfeindlichen Positionen der AfD einzusenden, ist seit Juni 2024 ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis aus Jurist*innen, gewerkschaftlich Aktiven, Klimabewegten, Sozialarbeiter*innen und antifaschistisch eingestellten Menschen angetreten, für einen entsprechenden Schritt zu werben und zu mobilisieren. Angesichts der weiterhin hohen Wahlergebnisse für die AfD warnt das Bündnis: „Einmal an die Macht gekommen, kann die AfD ihre Angriffe auf die Menschenwürde und Demokratie institutionell verankern. Ist dieser Punkt erst einmal erreicht, wird es deutlich schwieriger sein, dies rückgängig zu machen.“
Gegen das Verbot werden verschiedene Gründe vorgebracht. Neben demokratietheoretischen Überlegungen gibt es vor allem Bedenken, dass eine entsprechende Initiative keinen Erfolg haben könnte und damit der AfD quasi ein Unbedenklichkeitszeugnis ausgestellt würde. Solche Einwände lohnen eine ernsthafte Auseinandersetzung – ebenso ernst zu nehmen sind Fragen nach der tatsächlichen Durchsetzbarkeit eines Verbotes nach einem möglichen Verbot durch das Bundesverfassungsgericht.
Solide Beweislage
Tatsächlich stellt das Verbot einer Partei einen substanziellen Eingriff in die Parteiendemokratie und den Prozess der politischen Willensbildung dar; er ist gerechtfertigt, wenn die Grundlagen der demokratischen Gesellschaft, wenn Menschenrechte und Menschenwürde – etwa von gesellschaftlichen Minderheiten – gefährdet sind. Das für die AfD inzwischen maßgebliche völkische Denken lässt individuelle Menschenrechte hinter die angeblichen Interessen der völkischen Gemeinschaft zurücktreten. Und die zunehmende Ausbreitung der AfD in Strukturen des Staates erweitert die Möglichkeiten der AfD, eine menschenrechtsfeindliche Politik auch umzusetzen.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil im zweiten Verbotsverfahren gegen die NPD im Jahr 2017 deutlich markiert, dass völkischer Nationalismus und ein ethnisch definiertes Verständnis von Volkszugehörigkeit zentral zu einer Bewertung als verfassungswidrig beitragen. Verfolgt man die programmatische Entwicklung der AfD, ihre Radikalisierung und die öffentlichen Äußerungen ihres Personals, dann gibt es wenig Zweifel, dass die AfD-Politik auf die Verächtlichmachung, Ausgrenzung und weitgehende Rechtlosigkeit von Minderheiten zielt. Den entsprechenden Einstufungen durch die Innenministerien hat die AfD auch auf juristischem Wege zu widersprechen versucht, ist damit aber weitgehend gescheitert. Dies deutet auf eine solide Beweislage hin – allerdings ist es sicher ein Unterschied, ob ein Gericht über die Nennung in einem Bericht der Nachrichtendienste urteilt oder über das Verbot einer ganzen Partei.
Ressourcen und Privilegien der AfD
Ein Verbot der AfD schwächt die gesamte extreme Rechte. Mit der zuvor vielfach zersplitterten extremen Rechten ist der AfD ein handlungs- und diskursmächtiger Akteur zugewachsen. Die AfD hat über ihre parlamentarischen Vertretungen privilegierten Zugang zu Informationen, die sie unter anderem nutzt, um demokratische Initiativen und Projekte einzuschüchtern und in ihrer Arbeit zu begrenzen. Die Partei verfügt – zu einem beträchtlichen Maße aus Steuermitteln – über umfangreiche finanzielle Ressourcen, die sie nicht nur für wirksame und flächendeckende Propaganda nutzt, sondern mit denen sie auch andere extrem rechte Projekte unterstützt und Kadern der außerparlamentarischen extremen Rechten Jobs verschafft; zunehmend werden auch Neonazis in der Partei aktiv. Die AfD hat privilegierten Zugang zu Medien (zum Beispiel Sommerinterviews im öffentlich-rechtlichen Rundfunk) und Sendezeiten während der Wahlkämpfe – und ihren Abgeordneten wird für rassistische und queerfeindliche Hetze weitgehende Immunität gewährt. Ihre Vertreter*innen sitzen in immer mehr Aufsichts- und Kontrollgremien, die Möglichkeiten unmittelbarer Machtausübung (beispielsweise Sperrminoritäten, Gesetzgebung) nehmen unübersehbar zu.
All das würde die Partei mit einem Verbot verlieren. Der gesamten extremen Rechten wären maßgebliche Teile ihrer Infrastruktur, der finanziellen Mittel und ihres bezahlten Personals genommen. Nicht zuletzt wäre ein deutliches Signal gesetzt, dass eine Partei mit dieser Programmatik und Zielsetzung nicht zum demokratischen Spektrum gehört.
Gegenargumente
Gegen das Verbot der AfD wird betont, dass dadurch keine Änderung der Einstellungen zu erwarten und vielmehr die politische Auseinandersetzung zu suchen sei. Allerdings: Im Kern geht es bei einem Verbot nicht um die Änderung von Einstellungen, sondern um die Beseitigung einer extrem rechten, menschenrechtsfeindlichen Organisation. Die politische Auseinandersetzung bleibt – völlig unabhängig von einem möglichen Verbotsverfahren – zentrale Aufgabe. Allerdings bleibt das so lange eine politische Phrase wie nicht erklärt wird, was darunter konkret zu verstehen ist. Die Übernahme von AfD-Positionen – etwa durch die Verschärfung der asylpolitischen Maßnahmen – stellt jedenfalls keine Auseinandersetzung dar, sondern eine Affirmation. Entsprechend gering sind die Chancen, auf diesem Wege Wähler*innen von der AfD zurückzugewinnen. Und schon gar nicht für eine menschenrechtsbasierte Politik.
Beim jüngsten Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster um die Frage, ob die AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) geführt werden darf, spielte erneut die Frage eine Rolle, ob und in welchem Umfang die Nachrichtendienste V-Personen in der AfD haben. Dies war Grund des Scheiterns des ersten Verfahrens gegen die NPD im Jahr 2003. In dieser Hinsicht ist insbesondere darauf zu verweisen, dass durch die massive Nutzung von social media-Plattformen durch die AfD die Notwendigkeit der Sammlung von Fakten, die die Verfassungswidrigkeit der AfD beweisen, durch V-Leute deutlich zurückgegangen ist. Diese werden jeden Tag erneut geliefert.
Keine Angst vor Opferinszenierungen
Immer wieder wird die Befürchtung geäußert, dass die AfD die Zeit des Verfahrens nutzen wird, um sich als Opfer darzustellen und Solidarität einzuklagen. Sie wird dies – ähnlich, wenn auch mit deutlich mehr finanziellen und personellen Ressourcen ausgestattet als die NPD – auch mit juristischen Schritten verbinden. Daran gibt es keinen Zweifel. Diesen Aspekt jedoch zum Fixpunkt des eigenen Handelns zu machen, reduziert die eigenen Handlungsmöglichkeiten dramatisch. Ob Einstufung als ‚gesichert rechtsextremistisch‘ durch die Innenministerien, ob breiter antifaschistischer Protest gegen die Deportationsziele der AfD, ob Nichteinladung in Talkshows – die Inszenierung als Opfer gehört zum alltäglichen Auftreten der AfD. Sich davon abhängig zu machen, ist ein Irrweg.
Das heißt gleichwohl nicht, diese Frage zu ignorieren. Sie berührt grundsätzlich die Aufgabe der politischen Auseinandersetzung und bedeutet konkret, dass in der Diskussion um ein Verbot der Partei und für die gesamte Zeit eines solchen Verfahrens deren Menschenrechtsfeindlichkeit und Gewaltpotential (Programm, Strategie und Auftreten) einer breiten Öffentlichkeit immer wieder im Detail zu belegen und zu erklären sind. Die AfD wird dafür immer wieder Anlässe liefern – auch die jüngste Recherche des Bayerischen Rundfunks zur Vielzahl von Rechtsextremen unter den Mitarbeiter*innen der AfD-Abgeordneten ist dafür ein gutes Beispiel.
Die AfD kontinuierlicher Kritik aussetzen
Das Verbot der AfD-Jugendorganisation, die Auflösung einzelner Landesverbände sowie der Entzug der Grundrechte für einzelne AfD-Politiker*innen, zuvorderst Björn Höcke, nach Artikel 18 des Grundgesetzes tauchen in der öffentlichen Debatte als weitere Handlungsoptionen auf. Letztgenannter Ansatz ist in der Geschichte der Bundesrepublik vier Mal erfolglos gegen extrem rechte Politiker versucht worden. Auch diese Verfahren dauerten mehrere Jahre, bevor die Anträge vom Bundesverfassungsgericht abschlägig beschieden wurden. Die oben genannten Einwände, etwa hinsichtlich einer möglichen Solidarisierung, gelten entsprechend, allerdings wären die negativen Wirkungen auf die extreme Rechte im Falle eines erfolgreichen Antrages sehr viel bescheidener.
Die NPD wurde im Jahr 2017 zwar höchstrichterlich als verfassungswidrig eingestuft, aber aufgrund ihrer politischen Bedeutungslosigkeit nicht verboten. Letzteres ist bei der AfD nicht zu erwarten. Eine Garantie für ein Verbot lässt sich allerdings nicht geben, denn das Bundesverfassungsgericht hat in den wenigen bisher durchgeführten Parteiverbotsverfahren immer wieder auch den Katalog der Kriterien weiterentwickelt. Eine Zurückweisung eines Verbotsantrags gegen die AfD durch das Bundesverfassungsgericht wäre ein deutlicher Erfolg für die Partei. Dies unterstreicht noch einmal, wie bedeutsam es bleibt, eine systematische und kontinuierliche inhaltliche Kritik an der AfD im Konkreten und an rassistischen, nationalistischen, antifeministischen und queerfeindlichen Positionen im Allgemeinen zu leisten. Diese bleibt freilich in ihrer Wirkung begrenzt, solange es dem demokratischen Spektrum nicht gelingt, Vertrauen durch eine gerechtigkeitsorientierte Politik zurückzugewinnen.
Das Ziel: die erneute Zersplitterung
Mit einem Verbot der Partei würde diese aller Strukturen und materiellen Ressourcen mit sofortiger Wirkung verlustig gehen. Eine Fortsetzung der Tätigkeit stünde unter Strafe; diese Drohung träfe gegebenenfalls auf eine niedrige vierstellige Zahl von AfD-Funktionär*innen zu. Es wäre flächendeckend Aufgabe der antifaschistischen Bewegung und von Bürger*innenkomitees, entsprechende Versuche zu erkennen, öffentlich zu machen und Konsequenzen zu fordern. Auch der Eintritt in und die Übernahme anderer extrem rechter oder nationalkonservativer Parteien wäre mit Blick auf Nachfolgeaktivitäten und deren Verbot zu beobachten. Zwar kann die Partei vor europäische Gerichte ziehen, aber bis zu deren Entscheidung darf die Partei die Strukturen nicht fortführen. Das Verbot würde die organisierte extreme Rechte nicht verschwinden lassen, aber ihrer zentralen Ressourcen berauben und die Zersplitterung wieder herstellen.
Es spricht viel für ein Verbot(sverfahren) gegen die AfD. Nicht zuletzt: der Verzicht auf ein Verbotsverfahren trägt die Gefahr in sich, diese Partei der Menschenrechtsfeinde zunehmend zu normalisieren und ihr den Zugriff auf weitere Machtressourcen zu ermöglichen.