
Die Berge nicht den Nazis überlassen!
Interview mit dem „Antinationalen Alpenverein“
Warum habt ihr den „Antinationalen Alpenverein“ gegründet?
Wir haben uns aus Spaß – aber mit einem ernsten Hintergedanken gegründet. Als Antifas, die gerne Bergwandern gehen, haben wir uns gefragt, warum im politischen Kontext Nazis die Berge einfach völlig kampflos überlassen werden. Außerdem gab es vorher (und gibt es vermutlich immer noch) Vorurteile in der linken Szene gegenüber linken Menschen, die wandern gehen. Deswegen waren wir auch völlig über den Hype überrascht, das hätten wir damals niemals erwartet.
Was macht ihr als „Antinationaler Alpenverein“? Wie sieht eure Arbeit aus?
Wir gehen zusammen als Gruppe wandern, versuchen vor allem im Alpenbereich NS-belastete Orte sichtbar zu machen und sind Teil der jährlichen Wanderung des Alpine Peace Crossing (siehe Info-Kasten). Außerdem verkaufen wir Merchandise Produkte, der Erlös geht an Alpine Peace Crossing oder wird zum Erhalt von Gedenktafeln in den Alpen genutzt. Weil manchmal die Nachfrage kommt, eine „echte“ Vereinsstruktur bieten wir nicht. Geht bei Interesse in den Alpenverein und setzt euch dort für Veränderung ein. In den letzten Jahren haben sich die Alpenvereine deutlich verändert. Im DAV wird gegendert, vegetarische Berghütten-Touren empfohlen und massiv die NS-Zeit aufgearbeitet. Dies ist nur möglich, weil sich aktuell dort viele Menschen mit einem linken Weltbild einsetzen. Also kommt gerne dazu! Ein weiteres Thema in diesem Kontext ist es, Menschen im Sprachbild zu sensibilisieren. Ist die Bergtour bis zum Gipfel geschafft, beglückwünschen sich viele Menschen mit „Berg Heil“ – der Begriff entstand zwar weit vor dem Nationalsozialismus – die Nazis haben ihn aber vereinnahmt. Deutlich unkritischer ist es, den sozialistischen Begriff „Berg Frei“ zu verwenden.
Anders als bei Saalveranstaltungen oder Demonstrationen der extremen Rechten ist es schwierig, deren Wanderungen zu verhindern oder Proteste zu organisieren. Was kann man gegen extrem rechte Aktivitäten im Bergsport tun?
Gute Frage. Wir versuchen, Alpenvereine und Berghütten bezüglich Buchungen rechter Gruppen zu sensibilisieren, und haben da auch gute Erfahrungen mit. Von direkten Aktionen raten wir im alpinen Gelände jedoch absolut ab, die Gefahren wären viel zu hoch. Können wir Touren nicht verhindern, gehen wir diese nach und entfernen Nazi-Sticker oder überkleben sie mit unseren. Hierbei ist uns wichtig zu erwähnen, dass niemals Wegweiser überklebt werden dürfen.
Wie kann man eure Arbeit unterstützen?
Uns kann man mit dem Kauf eines Merchandise-Produkts bei Black Mosquito indirekt unterstützen, wir selbst haben nichts davon. Das Geld investieren wir, wie erwähnt, ja wieder. Schließt eine Mitgliedschaft beim Alpine Peace Crossing ab, nehmt an der jährlichen Gedenkwanderung im österreichischen Krimml teil. Und wie schon zuvor angesprochen: Geht in die Ortsgruppen des Alpenvereins und lasst uns alle gemeinsam dafür sorgen, dass die wenigen verbliebenen reaktionären Kräfte in den Alpenvereinen aufgeben. Vor einigen Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass wir uns mit Alpenvereinen abstimmen, um Naziwanderungen zu verhindern, mittlerweile ist das Realität. Rechte sind gerade dabei, ihren „Wohlfühlraum“ Berg zu verlieren – und das ist auch gut so.
Danke für das Interview!
Den „Antinationalen Alpenverein“ findet ihr bei Bluesky: @afalpenverein.bsky.social
Antifaschistische Wanderungen
Wandern bietet auch eine Möglichkeit kritischer Geschichts- und Erinnerungspraxis. Drei Beispiele zusammengestellt von der Redaktion.
Italien: Sentieri Partigiani – Wandern auf Partisanenwegen
Seit 1992 organisiert das Istoreco Reggio Emilia (Institut für die Geschichte der Resistenza und Zeitgeschichte in der Provinz Reggio Emilia) Wanderungen, bei denen die Teilnehmer_innen auf den Wegen von Partisan_innen wandern. Historische Orte ermöglichen die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Faschismus, der NS-Besatzung in Italien und des antifaschistischen Widerstandes in der Region. Zentraler Bestandteil der Wanderungen waren stets die Zeitzeug_innen-Gespräche mit ehemaligen Partisan_innen. (vgl. LOTTA #58, S. 80 ff.) Im Sommer 2024 fand die Senteri Partigani erstmals ohne die Beteiligung ehemaliger Partisan_innen statt. Anmeldungen für die mittlerweile zweimal im Jahr angebotenen Wanderungen sind auf der Seite des IstOreco möglich: www.istoreco.re.it/deutsch/
Österreich: Alpine Peace Crossing
Seit 2007 findet jedes Jahr an einem Samstag Ende Juni oder Anfang Juli die Gedenkwanderung des Vereins Alpine Peace Crossing statt. Die Wanderung über den Krimmler Tauern folgt dem Weg, den tausende Jüdinnen_Juden 1947 auf ihrer Flucht Richtung Palästina (Eretz Israel) von Österreich nach Südtirol gegangen sind. Der beschwerliche, rund 15-stündige Weg über den Krimmler Tauern Pass war im Sommer 1947 eine der wenigen Möglichkeiten für die vor allem aus Osteuropa geflohenen Jüdinnen_Juden nach Italien zu gelangen, um in Genua ein Schiff zu erreichen, das sie nach Palästina bringen würde. Auch für Menschen, die sich nicht die komplette Tour im hochalpinen Raum zutrauen, gibt es die Möglichkeit, an der Gedenkwanderung teilzunehmen. Infos und Anmeldung unter: alpinepeacecrossing.org
Sachsen: Widerständige Wege – Wanderungen auf den Spuren der „Roten Bergsteiger“
Das Alternative Kultur- und Bildungszentrum (AKuBiZ) aus Pirna organisiert seit 2008 Wanderseminare zum antifaschistischen Widerstand und der NS-Verfolgung in der Sächsischen Schweiz und dem Osterzgebirge. Eine Besonderheit der Region war der Widerstand aus dem Bergsportmilieu. Daraus resultiert die Entstehung des Begriffes „Rote Bergsteiger“. Die Teilnehmenden lernen dabei die Geschichte an authentischen Orten kennen. Das AKuBiZ bietet Wanderungen zu verschiedenen Themen an. Etwa rund um die Burg Hohenstein, wo sich von März 1933 bis August 1934 eines der ersten Konzentrationslager im Deutschen Reich befand. Oder zu den Aktivitäten antifaschistischer Bergsportler_innen, die einerseits Menschen auf der Flucht vor dem NS über die Grenze brachten und andererseits antifaschistische Literatur ins Deutsche Reich schmuggelten. Weitere Wanderungen widmen sich der ehemaligen Euthanasieanstalt Sonnenstein, dem ehemaligen Außenlager des KZ-Flossenbürg in Pirna oder dem Todesmarsch, den über 600 Häftlinge aus dem brandenburgischen Konzentrationslager Schwarzheide erleiden mussten. Weitere Informationen unter: akubiz.de