
Freiheit statt Demokratie
Tech-Milliardäre aus dem Silicon Valley unterstützen Trump
„Nur die AfD kann Deutschland retten“: Ganz unverhohlen mischte sich Elon Musk, Chef von Tesla, SpaceX und vor allem X, am 20. Dezember 2024 in den deutschen Wahlkampf ein. Dass der reichste Mann der Welt mit der Äußerung auf seiner Social-Media-Plattform gezielt eine Kraft der extremen Rechten unterstützte, war kein neues Phänomen. Bereits zuvor hatte er Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni auf X verbal unter die Arme gegriffen, hatte Verständnis für die Riots im Vereinigten Königreich gezeigt und Nigel Farage, den Chef der Rechtsaußenpartei Reform UK, den Rücken gestärkt. Farage werde er künftig sogar finanziell fördern, kündigte er im Dezember an. Bereits zuvor hatte er dafür gesorgt, dass Tommy Robinson und Katie Hopkins, zwei in Großbritannien prominente Personen der extremen Rechten, ihre zuvor von Twitter zwangsweise stillgelegten Accounts wieder nutzen und damit ihre Anhängerschaft ausweiten konnten. Überraschend kam sein Lob für die AfD also nicht.
Musks Unterstützung für die extreme Rechte in Europa ist inzwischen hinlänglich bekannt; mit ihr begannen sich spätestens Ende 2024 unter anderem die politischen Parteien in Berlin und die deutschen Leitmedien zu befassen. Der US-Milliardär hat sich vor allem aber auch erheblichen Einfluss auf den US-President elect Donald Trump gesichert; er war nach der US-Wahl in Trumps engstem Umfeld nahezu dauerpräsent, um den Vorbereitungen für dessen Amtsführung nach Kräften seinen Stempel aufzudrücken. Manche in Washington spöttelten bereits Mitte Dezember im Hinblick auf seinen demonstrativen Aktivismus, da sei wohl „Präsident Musk“ am Werk. Was jedoch weniger thematisiert wurde, war die Tatsache, dass der X-Chef beileibe nicht der einzige Milliardär aus dem Silicon Valley war, der sich in Washington offen auf Trumps Seite geschlagen hatte. Lange hatte die US-Internetbranche auf die US-„Demokraten“ gesetzt, auf Barack Obama etwa, auf Joe Biden. Das hat sich im Jahr 2024 geändert.
Auf der Seite der „Demokraten“
Es stimmt: Die Ursprünge des Internets liegen im Militär; sie reichen in die 1960er Jahre zurück, als die US-Streitkräfte zum Schutz ihrer Daten im Kriegsfall eine Vernetzung ihrer Computer planten. Es stimmt aber auch: In den 1980er Jahren begannen das Silicon Valley und die US-„Demokraten“ sich einander anzunähern. Der sich immer schneller wandelnden IT-Industrie wurde ihre – nicht zuletzt finanzielle – Abhängigkeit von den trägen Strukturen des Militärs lästig. Die „Demokraten“ wiederum begannen Gefallen an den Chancen zu finden, die Internet und IT in Sachen Demokratisierung und Fortschritt zu bieten schienen. Im Silicon Valley gab es immer Rechte wie Peter Thiel, der etwa an der Gründung von PayPal und Palantir beteiligt war; Palantir, unter anderem auf die Analyse riesiger Datenmengen spezialisiert, bediente stets Geheimdienste wie auch das Militär.
Dominant aber waren in der Branche über lange Zeit ideologisch mehr oder weniger fortschrittliche Vorstellungen und politisch die US-„Demokraten“. In den Wahlkämpfen der Jahre 2016 und 2020 galt es im Silicon Valley als Sakrileg, sich auf die Seite von Donald Trump zu schlagen. Wer es dennoch tat, musste mit Folgen rechnen. Als im September 2016 bekannt wurde, dass der Facebook-Manager Palmer Luckey einer Trump-nahen Organisation Geld gespendet hatte, dauerte es nicht lange, und er wurde entlassen. Während Facebook abstritt, der Hinauswurf habe politische Gründe, beteuerte Luckey später, genau dies sei eben doch der Fall gewesen. Nach dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 vergingen keine zwei Tage, bis Facebook, Instagram und Twitter Trumps Account sperrten. Als im Frühjahr 2018 herauskam, dass Google an einem Pentagon-Programm beteiligt war, das mittels Künstlicher Intelligenz (KI) präzisere Drohnenangriffe ermöglichen sollte, wurden heftige Proteste in der Belegschaft laut. Google solle bekräftigen, „niemals Kriegstechnologie herzustellen“, hieß es in einem Offenen Brief, den über 3.100 Angestellte des Konzerns unterzeichneten.
Kurswechsel
Die Allianz des Silicon Valley mit den „Demokraten“ ist spätestens 2024, im Jahr der US-Präsidentenwahl, aufgebrochen. Im Frühjahr 2024 machten in US-Medien Berichte die Runde, da braue sich unter den Venture Capitalists (VCs), den Risikokapitalisten der US-IT-Branche, etwas zusammen. Im April habe David Sacks, ein weiterer PayPal-Gründer, der etwa auch in Facebook, Uber und Airbnb investiert habe, Milliardärskollegen wie Thiel oder Elon Musk in sein Anwesen in den Hollywood Hills eingeladen, um zu besprechen, wie man sich im Wahljahr zu Joe Biden verhalten solle. Der wollte unter anderem eine Mindeststeuer von 25 Prozent auf die Einkünfte von Milliardären erheben, was in der Runde, die sich da im April bei Sacks einfand, auf Unmut stieß. Die Anwesenden seien sich zwar noch nicht einig gewesen, ob man Trump unterstützen solle, wurde berichtet. Immerhin aber hatte Musk, der sich im Wahlkampf 2020 noch auf Bidens Seite geschlagen hatte, bereits im Februar laut Informationen der Washington Post intern dafür plädiert, sich diesmal hinter Trump zu stellen.
Die Aufmerksamkeit der US-Medien war geweckt, und im Frühsommer konnte man erste ausführlichere Berichte über die sich anbahnende Allianz zwischen einer Reihe von Silicon-Valley-Milliardären und Trump auch in deutschen Medien lesen, in Wirtschaftsmedien vor allem – klar, schließlich wollen deutsche Unternehmer:innen wissen, was Geschäftspartner:innen oder Konkurrent:innen auf der anderen Seite des Atlantiks denn so treiben. Am 2. Juli berichtete das Handelsblatt von einem wenige Tage zuvor abgehaltenen Dinner – erneut in Sacks‘ Villa in Hollywood –, zu dem nicht nur weitere Risikokapitalisten angereist waren, sondern auch Trump persönlich. Die Anwesenden hätten 300.000 US-Dollar Eintrittsgebühr gezahlt, hieß es. Schon kurz nach dem Treffen sei weiteres Geld geflossen. So hätten die VCs Cameron Winklevoss und Tyler Winklevoss angekündigt, sie würden jeweils eine Million US-Dollar, und zwar in Bitcoin, an die Trump-Wahlkampagne spenden. Selbst Apple-Chef Tim Cook habe bei dem Dinner nach Trumps Ausführungen „wohlwollend genickt“.
Auf dem Weg zur Deregulierung
Was waren die Gründe für den Schwenk von Teilen der Silicon Valley-Milliardäre weg von den „Demokraten“ und hin zu Trump? Zum einen habe Trumps Bereitschaft sie überzeugt, mit den Biden’schen Versuchen zu brechen, Internettechnologien, KI und Kryptowährungen wegen der Gefahren, die sie mit sich brächten, zu regulieren – so schilderte es Ende November Reid Hoffman, einer der Risikokapitalisten, die weiterhin zu den „Demokraten“ hielten, in der Financial Times. Ohne strikte Regulierung gebe es deutlich größere Chancen, einen wilden Boom insbesondere bei der KI zu entfesseln, erläuterte Hoffman; ein solcher Boom aber war natürlich absehbar mit immensen Profiten für die VCs verbunden. Zudem sei Biden einem Kurs gefolgt, der in der Branche als klar „kryptofeindlich“ empfunden worden sei. Trump habe sich zuletzt viel offener für Blockchain-Innovation, für dezentralisierte Finanzsysteme gezeigt. Und nicht zuletzt sei Trump auch gewillt, die Energiebranche zu deregulieren, so Hoffman.
Dass dies für die Risikokapitalisten des Silicon Valley ein bedeutender Faktor war, hatte einen simplen Grund. Nicht nur die Produktion von Bitcoin, auch die Arbeit mit KI benötigt immense Mengen an Rechenleistung und damit an Energie. Welche Ausmaße dies annimmt, zeigt die Tatsache, dass immer mehr Silicon-Valley-Konzerne den Bau neuer Kernkraftwerke forcieren. Zum Teil handelt es sich um Mini-AKW, zum Teil aber auch um ganz reguläre Kernkraftwerke. So will etwa der US-Kraftwerksbetreiber Constellation Energy einen Reaktor des AKW Three Mile Island bei Harrisburg wieder in Betrieb nehmen, der 2019 aus Rentabilitätsgründen stillgelegt worden war. Three Mile Island war dasjenige Kraftwerk, in dem es am 28. März 1979 in einem anderen Reaktor zu einer Kernschmelze kam; die Umgebung wurde nuklear verseucht. Der Grund für die Wiederinbetriebnahme: Microsoft will mit dem dort erzeugten Atomstrom KI-Rechenzentren betreiben.
Hoffman war nicht der einzige im Silicon Valley, der sich dem Schwenk hin zu Trump strikt verweigerte. Auch andere hielten zu Biden bzw. zu Kamala Harris oder waren bemüht, irgendwo zwischen beiden Seiten zu lavieren, um es sich mit niemandem zu verderben. Das galt etwa für Meta-/Facebook-Chef Mark Zuckerberg. Umfragen deuteten darauf hin, dass auf den mittleren Etagen der Hierarchien in den großen Tech-Konzernen unverändert die „Demokraten“ klare Mehrheiten hinter sich hatten. Unter den führenden, einflussreichsten und finanzstärksten Risikokapitalisten jedoch hatte sich eine überzeugte Pro-Trump-Fraktion herausgebildet. Ihre Motive waren dabei vor allem materieller Natur – Deregulierung versprach eben gesteigerten Profit. Doch gab es darüber hinaus auch ideologische Gründe in Teilen der Branche, die Seiten zu wechseln.
Der techno libertarianism
Das Silicon Valley durchzieht seit je eine libertäre Grundströmung, die darauf insistiert, die virtuellen Weiten des Internets von jeder staatlichen Regulierung freizuhalten. Viele beziehen dies auch auf die Aktivitäten der IT-Konzerne, denen sie gleichfalls keine staatlichen Zügel angelegt sehen wollen. Im techno libertarianism, von dem in der englischsprachigen Debatte die Rede ist, wird weithin die US-Autorin Ayn Rand (1905-1982) verehrt. Rand, 1926 aus der Sowjetunion in die Vereinigten Staaten emigriert, verbreitete in ihren Schriften einen Mix aus einem Plädoyer für völlig ungehemmten Kapitalismus und Begeisterung für moderne Technologie. Als erbitterte Gegnerin sozialstaatlicher Eingriffe ist sie in der US-Rechten seit je populär. Donald Trump hat einst erklärt, ihr Roman „The Fountainhead“ („Der Urquell“) sei eines seiner Lieblingsbücher.
Wie weit der techno libertarianism des Silicon Valleys nach rechtsaußen offen ist, zeigt das Beispiel Peter Thiel. Der Tech-Milliardär hat sich mehrfach ausdrücklich zu seinen libertären Grundüberzeugungen bekannt. Er spreche sich seit je „gegen konfiskatorische Steuern“ und „totalitäre Kollektive“ aus, bestätigte er etwa in einem knappen Essay, den er im April 2009 beim libertären Washingtoner Cato Institute veröffentlichte. „Die gewaltige Aufgabe für Libertäre“ bestehe heute darin, einen Ausweg „aus den totalitären und fundamentalistischen Katastrophen“ ebenso wie aus der „sogenannten ’Sozialdemokratie‘“ zu finden, die von einem „nicht denkenden Volk“ gesteuert werde. Man müsse konsequent sein, verlangte Thiel, der – nebenbei – als politischer Mentor von Trumps Vizepräsident James David „JD“ Vance gilt: „Ich glaube nicht mehr, dass Freiheit und Demokratie miteinander vereinbar sind.“ Mehr denn je hänge der Fortschritt davon ab, dass es gelinge, privaten Unternehmern freie Bahn zu schaffen. Aus diesen Gedanken leite sich Thiels Allianz mit Trump ab, urteilte kurz nach dessen erstem Amtsantritt Jedediah Purdy, Professor an der renommierten Duke Law School in Durham im Bundesstaat North Carolina. Wenn die Massen zu denken nicht in der Lage seien, dann müsse man eben, wie Trump, zu Demagogie greifen: „Was ein Libertärer braucht, ist ein gewandter und geistesverwandter Demagoge.“
Eine gewisse Ironie besteht bei alledem darin, dass mit Palantir-Chef Thiel ausgerechnet ein Hardcore-Rechtslibertärer auf eine massiv gesteigerte staatliche Förderung hoffen kann. Die zunehmenden internationalen Spannungen und die rasant steigende Bedeutung von KI für die Kriegsführung der Zukunft hätten dazu geführt, dass das Pentagon das Silicon Valley immer stärker umwerbe, hielt die Londoner Denkfabrik Chatham House Ende 2024 fest. Und wie es der Zufall will: Kurz darauf wurde berichtet, Palantir und das von Palmer Luckey mitgegründete, auf Rüstung spezialisierte Tech-Start-up Anduril seien mit OpenAI sowie mit Musks SpaceX in Verhandlungen über erwartete Aufträge des US-Verteidigungsministeriums.
Das Parlament unter Druck
Wie wird es weitergehen mit der Allianz einer einflussreichen Fraktion im Silicon Valley mit Trump? Eines zeichnete sich schon vor dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten am 20. Januar ab: Ihre Wahlkampfunterstützung für Trump hatte sich für die Risikokapitalisten durchaus gelohnt – vor allem für Elon Musk. Musk wird ein neues Beratungsgremium mit dem Namen DOGE (Department of Government Efficiency) führen, gemeinsam mit Vivek Ramaswamy übrigens. Der ist gleichfalls Milliardär, kommt aber aus der Biotech-Branche. Das DOGE wird keine staatliche, sondern lediglich beratende Funktion haben, was für Musk überaus vorteilhaft ist: Sollte er Trump zu Maßnahmen drängen, die seinen eigenen Firmen nutzen, dann kann ihm niemand vorwerfen, er habe ein staatliches Amt für private Interessen missbraucht. Das DOGE soll Kürzungen empfehlen, und zwar auf allen Ebenen: bei den staatlichen Ausgaben, beim Personal, bei staatlichen Regelungen; es soll nach Kräften deregulieren. Als Mitarbeiter angeheuert hat Musk unter anderem Steve Davis, der ihm in seinen Konzernen schon seit vielen Jahren zuarbeitet.
Ein großes Los gezogen hat auch Silicon Valley-Milliardär David Sacks: Trump will ihn zum „Krypto- und KI-Zar im Weißen Haus“ ernennen, also zum mächtigsten Präsidentenberater in den Branchen, die das Silicon Valley nach Kräften dereguliert sehen will. Als KI-Berater soll Sriram Krishnan mit Sacks kooperieren; Krishnan arbeitete bis vor kurzem eng mit Andreessen Horowitz zusammen, einer Risikokapitalfirma, deren Gründer Marc Andreessen und Ben Horowitz den neuen Präsidenten gleichfalls im Wahlkampf gefördert haben. Zudem wird Michael Kratsios, der für das KI-Unternehmen Scale AI arbeitet, Sacks unterstützen. Scott Kupor, ein Managing Partner von Andreessen Horowitz, soll für Trump Personalfragen regeln, während Ex-Uber-Manager Emil Michael Staatssekretär für Forschung und Ingenieurwesen wird. Den Chefposten der staatlichen Regulierungsbehörde SEC (Securities and Exchange Commission), die für die Regulierung auch der Kryptobranche zuständig ist, soll Paul Atkins erhalten; er war zuvor Ko-Vorsitzender der Token Alliance, einer Krypto-Lobbyorganisation. Der designierte Handelsminister Howard Lutnick wiederum hat sich als offensiv auftretender Förderer von Kryptowährungen einen Namen gemacht.
Das Silicon Valley, so muss man vermuten, regelt bzw. dereguliert sich in Zukunft selbst. Dies umso mehr, als Musk bereits im Dezember klarstellte, als künftiger Ko-Chef des DOGE werde er dem US-Kongress Druck machen: Als die beiden Kammern des Parlaments sich anschickten, einen Übergangsetat abzunicken, der ihm missfiel, da forderte er seine Follower auf X auf, bei ihren Wahlkreisabgeordneten Telefonterror zu machen. Als Trump auch noch drohte, „Republikaner“, die dem Budget zustimmten, stünden vor dem Ende ihrer Karriere, war das Schicksal des Haushaltsentwurfs besiegelt; er scheiterte. Nahmen Musk und Trump die etablierten Strukturen der US-Demokratie damit noch stärker als zuvor mit den Mitteln der Demagogie unter Beschuss, so feuerte Musk parallel die extreme Rechte in Europa weiter an, etwa die AfD, für die er am 29. Dezember in einem Beitrag in der Welt am Sonntag warb. Sie sei, behauptete er, „der letzte Funke Hoffnung“ für Deutschland. Kurz zuvor hatte er Bundeskanzler Olaf Scholz auf X als „inkompetenten Deppen“ beschimpft. So äußerte sich – das sollte man denn doch festhalten – einer der einflussreichsten Berater des mächtigsten Amtsträgers des transatlantischen Westens.